Merkantilismus – Definition und Erläuterung

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Die merkantilistische Wirtschaftspolitik oder kurz Merkantilismus bezeichnet die wirtschaftspolitischen Eingriffe des Staates vom 16. bis zum 18. Jahrhundert in den Wirtschaftsprozess. Vor allem ist die merkantilistische Wirtschaftspolitik durch Interventionismus und Dirigismus gekennzeichnet.

Der Merkantilismus besteht hauptsächlich aus praktisch-politischen Ansätzen, die die nationale Wirtschafts- und Handelskraft der europäischen Staaten steigern sollten. Es ist wichtig, die Merkmale des Merkantilismus zu kennen, da die merkantilistische Wirtschaftspolitik der Vorreiter für die heutige Wirtschaftspolitik in Europa ist.

Generell ist eine Vielzahl von staatlichen Maßnahmen mit diesem Begriff verbunden. Die konkreten Ausprägungen waren in den verschiedenen Ländern teilweise jedoch sehr unterschiedlich. Für eine Merkantilismus-Definition ist in diesem Zusammenhang wichtig, dass die Wirtschaftsmodelle dieser Zeit häufig unterschiedliche Ansätze verfolgten und verschiedene Schwerpunkte setzten.

Der Merkantilismus ist daher eher als Überbegriff für die diversen wirtschaftspolitischen Ansätze und Konzepte zu verstehen, die zu dieser Zeit formuliert und angewandt wurden. 

Merkantilismus: Definition, Entstehung und Ziele

Eine allgemeingültige Definition des Begriffs Merkantilismus ist schwierig zu geben, da die nationalen Zielsetzungen und Vorgehensweisen durchaus verschieden waren. Es lassen sich jedoch durchaus Gemeinsamkeiten bei den Zielen finden, die auf die zu dieser Zeit vorherrschende Staatsform des Absolutismus zurückzuführen sind.

Als Hauptziel kann die Vermehrung des staatlichen Reichtums angesehen werden. Dies bedeutete primär eine Vergrößerung der Gold- und Geldreserven. Nötig wurde dies auch durch die Abkehr von den Söldnerheeren und damit den Aufbau von stehenden Heeren, die von Staatsseite unterhalten werden mussten.

Da eine wachsende Volkswirtschaft mit einem wachsenden Beamtenapparat verbunden ist, mussten auch diese Verwaltungskosten gedeckt werden. Import und Export wurden in der Regel als Schlüssel zu wachsendem Staatsreichtum angesehen. Ziel war es deshalb meist, möglichst viele Waren im Ausland abzusetzen, während der Import solcher Waren verringert werden sollte. 

Um diese Ziele zu erreichen, wurden unterschiedliche Instrumente eingesetzt, welche sowohl innenpolitischer als auch außenpolitischer Natur sein konnten. 

Die Instrumente des Merkantilismus

Innenpolitisch war das Ziel des Merkantilismus, die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit zu steigern. Hierfür wurden unterschiedliche Maßnahmen ergriffen. So wurde beispielsweise die Infrastruktur ausgebaut und verbessert, um das Gewerbe zu fördern und damit die Produktion zu steigern. Teilweise wurden auch ausländische Fachkräfte abgeworben.

Damit im Zusammenhang stand der Abbau von inländischen Handelsbarrieren in Form von nationalen Zollschranken. Um die Produktionskosten gering zu halten, wurde von der Arbeiterklasse ein Leben am Existenzminimum verlangt. Freizeit und Bildung wurden an dieser Stelle als schädlich angesehen.

Der Außenhandel wurde vor allem durch Zölle geregelt. Der Import von Fertigwaren wurde durch hohe Zölle erschwert und teilweise komplett verboten. Der Import von Rohstoffen wurde hingegen gezielt gefördert. Umgekehrt verhielt es sich mit dem Export

Rohstoffe und Lebensmittel sollten nicht exportiert werden, während andererseits versucht wurde, möglichst viele Fertigwaren im Ausland abzusetzen. Diese Konzentration auf den Außenhandel bei gleichzeitiger Vernachlässigung des Binnenhandels hatte jedoch große Nachteile, die sich überwiegend erst aus heutiger Sicht erschließen.

Merkantilistische Wirtschaftspolitik in Frankreich

Der Begriff des „merkantilen Systems“ wurde 1763 vom Franzosen Gabriel de Riqueti, Marquis de Mirabeau, geprägt. Zurückzuführen ist er auf lateinische sowie italienische bzw. französische Begriffe (mercari für „Handel treiben“ bzw. mercantile für „kaufmännisch“). 

Das damals absolutistisch regierte Frankreich wurde vom berühmten Ludwig (beziehungsweise Louis) XIV. regiert, der auch als der Sonnenkönig in die Geschichte eingegangen ist. Der König wollte Frankreich möglichst schnell und nachhaltig zu einer erfolgreichen Handelsnation machen und dabei besonders die Einnahmen durch Steuern, Zölle und vor allem natürlich massive Exporte in andere Länder maximieren. 

Neben anderen stand ihm sein damaliger Finanzminister Jean-Baptiste Colbert bei diesem ehrgeizigen Unterfangen zur Seite. Von diesem Minister Colbert stammen zahlreiche Ideen zu wirtschaftlichen Maßnahmen, die heute unter dem Begriff Merkantilismus zusammengefasst werden und daher auch in Frankreich als Colbertismus bezeichnet wird. Dieser Colbertismus zeichnete sich dadurch aus, dass die gewerbliche Wirtschaft gefördert wurde, während man die Landwirtschaft vernachlässigte.

Die Ziele des Merkantilismus in Frankreich

Im 16. Jahrhundert wurde das Land von Bürger- und Religionskriegen gebeutelt, was Landwirtschaft, Handel und Handwerk in eine äußerst schlechte Verfassung brachte. Als die französische Monarchie einen immer größeren Einfluss erlangte und den regionalen Adel immer weiter zurückdrängte, begann auch die Blütezeit des Merkantilismus.

Die absolutistischen Herrscher benötigten steigende Staatseinnahmen, um ihre Heere zu unterhalten und den wachsenden Beamtenapparat finanzieren zu können. Das Ziel des Merkantilismus in Frankreich war es demnach, die eigene Wirtschaft zu stärken, die Produktivität zu erhöhen und den Handel auszubauen. Um diese Ziele zu erreichen, bedienten sich die Herrscher einer Vielzahl von Maßnahmen.

Merkantilistische Maßnahmen zur Wirtschaftsförderung

Um den Export steigern zu können, war natürlich zunächst eine wachsende Produktion nötig. Hierfür wurden mitunter Spezialisten aus dem Ausland abgeworben, während inländischen Spezialisten die Auswanderung erschwert und schließlich sogar untersagt wurde. Der Ausbau der Verkehrsinfrastruktur spielte eine ähnlich große Rolle wie die Verringerung inländischer Handelsbarrieren wie Inlandszöllen. 

Für eine einheitliche Produktion wurden zum allerersten Mal Vorschriften erlassen und einheitliche MaßeGewichte sowie Produktionsstandards eingeführt – Errungenschaften, die alle Industrieländer bis heute erhalten haben. Möglich war dies auch dadurch, dass die nötigen Entscheidungen fortan zentral gefällt wurden. 

Zudem war es ein Merkmal des Merkantilismus in Frankreich, dass der Import von fertigen Waren erschwert wurde, während der Export gesteigert werden sollte. Eine positive Handelsbilanz war vielfach das erklärte Ziel. Hierfür wurden primär Zölle eingesetzt. Der Rohstoff-Import war davon meist nicht betroffen, wohingegen der Rohstoff-Export verhindert werden sollte. 

Tatsächlich ließ der Erfolg nicht lange auf sich warten: Schon nach relativ wenigen Jahren rückte Frankreich an die Spitze der europäischen Handelsmächte und konnte diesen Status lange Zeit verteidigen. Nur so ließen sich die enormen Ausgaben, welche die absolutistische Herrschaft durch Kriege, Militär, Hofstaat und puren Luxus verursachten, begleichen. Da auch in heutiger Zeit immer mal wieder der Ruf nach stärkerer wirtschaftlicher Lenkung durch die Regierung laut wird, bleibt der Begriff des Merkantilismus stets aktuell.

Merkantilistische Wirtschaftspolitik in England

Den englischen Merkantilismus bezeichnet man allgemein auch als Bullionismus. Dieser Begriff geht auf das Wort „Bullion“ zurück, das „Goldbarren“ bedeutet. Englische Vertreter der merkantilistischen Wirtschaftspolitik waren unter anderem Malynes, Misselden und Hales. Beim englischen Merkantilismus lag der Schwerpunkt auf der Förderung des Außenhandels mit dem Ziel, eine ständig aktive Handelsbilanz zu schaffen.

In England wurde vor also allem der Export gefördert, um mit Außenhandelsüberschüssen die Staatskasse aufzubessern. Zu diesem Zweck wurde der Import beschränkt und hohe Importzölle wurden erhoben. Exportiert werden sollten nur Fertigwaren, der Export von Edelmetallen wurde zudem ganz verboten.

Basis für dieses Vorgehen waren der große Wert, den man Edelmetallreserven beimaß. Diese waren gleichbedeutend mit nationalem Wohlstand. Auch in diesem Zusammenhang wurde der Import auf Rohprodukte beschränkt und von Edelmetallen, Devisenbewirtschaftung und Importzöllen gänzlich unterbunden.

Währenddessen wurde der Export anderer Produkte gefördert. Dazu zählten beispielsweise Fertigwaren. Nach der Navigationsakte von 1651 wurde außerdem aus Kontrollzwecken und um eine aktive Dienstleistungsbilanz zu verwirklichen, der Transport aller importierten und exportierten Waren auf englische Schiffe beschränkt.

Merkantilismus in Deutschland: Der Kameralismus

Der deutsche Merkantilismus ist auch als Kameralismus bekannt. Zurück geht dieser Begriff auf den „Kameralisten“, den hohen Beamten im „Kammerkollegium“ eines Fürsten in Deutschland. Der deutsche Merkantilismus war geprägt von Vertretern wie Klock, Becher, Seckendorf, Sonnenfels und Justi.

Im Gegensatz zum Merkantilismus in anderen Ländern verfolgte man in Deutschland vor allem das Ziel, das durch den Dreißigjährigen Krieg zerstörte Land wieder aufzubauen („Peuplierung“). Da angenommen wurde, dass der Reichtum eines Landes von der Bevölkerungsanzahl und der Größe des Staatsschatzes abhängt, war ein weiteres Ziel die Vermehrung des fürstlichen Schatzes („camera principi“).

Nach der Besiedelung des Landes erfolgten der Ausbau der Infrastruktur und des Gewerbes. Auch in neu gegründete Manufakturen wurde dabei eingegriffen, wodurch die Grundsätze des freien Unternehmertums erheblich eingeschränkt wurden. Der Kameralismus ging davon aus, dass eine fähige Zentralverwaltung das Wohl der Bürger garantieren sollte. Dieser Grundsatz unterscheidet den Kameralismus vom Colbertismus, dem dieser ansonsten gleicht.

Im Zuge des Kameralismus in Deutschland wurden – ähnlich wie beim französischen Merkantilismus – verwaltungstechnische Verfahrensgrundsätze aufgestellt, eingeführt und systematisiert. Diese üben bis heute einen bleibenden Einfluss auf die deutsche Finanzwirtschaft aus. Daher ist es wichtig, diese geschichtliche Entwicklung vom Merkantilismus bis zur heutigen deutschen Finanzwirtschaft zu kennen.

Kritik am Merkantilismus

Man ging zu dieser Zeit davon aus, dass ein konstantes Welthandelsvolumen bestünde. Demnach konnte ein Staat nur auf Kosten eines anderen Staates den Handel maximieren. Dies führte zu einer zunehmenden Kolonialisierung mit dem Ziel, neue Handelspartner und Rohstofflieferanten zu gewinnen. Damit gingen jedoch internationale Spannung und mitunter sogar Kriege einher.

Auch wenn der Merkantilismus meist die vergangene Wirtschaftspolitik beschreibt, werden auch heute immer wieder politische Entscheidungen und Einflussnahmen mit dem damaligen System verglichen. Positiv besetzt ist der Begriff dabei so gut wie nie. Vielmehr wird damit häufig eine Vorgehensweise kritisiert, mit der ein Staat versucht, die eigene Handelsbilanz durch staatliche Einflussnahme zu verbessern.

Mitunter wird dies von anderen Staaten als Bedrohung für die eigene Handelsbilanz und als übermäßiger Eingriff in die freie Wirtschaft gewertet. Somit handelt es sich bei Merkantilismus zwar einerseits um ein vermeintlich veraltetes Wirtschaftskonzept, andererseits lässt sich aber auch ein aktueller Bezug nicht immer leugnen.

Neo-Merkantilismus des 20. Jahrhunderts

Die Epoche des kruden Merkantilismus ging zwar mit Ablauf des 18. Jahrhunderts zu Ende. Doch merkantilistische Tendenzen waren damit nicht ausgestorben. Einseitige Verschiebungen im weltwirtschaftlichen Gefüge, die durch nationale Egoismen geduldet oder gefördert werden, führen immer wieder zum Vorwurf des Neo-Merkantilismus.

Traditionell steht der Neo-Merkantilismus vor allem für die interventionistische Wirtschaftspolitik zu Anfang des 20. Jahrhunderts: Stärke durch Autarkie, Exportförderung und Abkehr vom Freihandel, alles auf Basis des Goldstandards. 

Während der Weltwirtschaftskrise wurden nationaler Wohlstand und Beschäftigungsquoten verbissen gegen andere Länder verteidigt. Die Annahme, dass Geldgewinn durch Außenhandel nachhaltigen Wohlstand schafft, erwies sich als Irrweg.

Denn der hängt nicht von Goldschätzen ab, sondern von Gütern und Dienstleistungen, die real zur Verfügung stehen. Wenn auf Dauer mehr Güter abgegeben als eingeführt werden, entstehen Verluste. Obendrein sorgt inflations- und abwertungsbedingter Druck für Verluste der Währungsreserven.

Massive Handelsbilanzüberschüsse und Störungen des Gleichgewichts in den Außenhandelsbeziehungen zeigen sich aber auch heute. Ebenso der Ausbau und die Verteidigung wirtschaftlicher Stärke durch staatliche Interventionen. Die zunehmende Globalisierung und die öffentlichen Bekenntnisse zum Freihandel stehen dem offenbar nicht im Wege. 

Die Erkenntnis, dass ein außenwirtschaftliches Gleichgewicht zu den Grundpfeilern einer gesunden Marktwirtschaft gehört, gerät immer wieder in Vergessenheit. 

Definition von Neo-Merkantilismus 

Massive Exportförderung, Marktabschottungen oder die fragwürdige Zinspolitik etlicher Notenbanken sind gerade in Zeiten von Finanzkrisen und Staatsverschuldungen zu beobachten. Und das führt zu einer aktuellen Definition des Neo-Merkantilismus: zum Streben nach Zahlungsbilanzüberschüssen sowie einer Stabilisierung der heimischen Beschäftigungsquote durch Protektionismus.

Als prominentes Beispiel in Sachen Protektionismus, Devisenanhäufung und aggressivem Export gilt China. Neben anderen Ländern steht auch Deutschland in der Kritik. Im Zentrum steht die mangelnde Bereitschaft, von einigen Prinzipien des wirtschaftlichen Erfolgs abzulassen.

Der Vorwurf: Durch vergleichsweise niedrige Löhne und hohen Export schaffen die Handelsbilanzüberschüsse Druck auf Handelspartner. Die beiden Beispiele aber zeigen, dass der häufig bemühte Vorwurf des Merkantilismus mit Vorsicht zu genießen ist. Zum einen hat der Begriff immer eine ideologisch-historische Komponente.

Zum anderen enthält die Definition nicht nur ein Kernmerkmal. Bezieht man sich rein auf die Exportüberschüsse, so mag dies auf Deutschland zutreffen. In Sachen Protektionismus und Dirigismus ist Deutschland jedoch nicht mit China zu vergleichen.

Fazit: Merkantilismus – Begriffsdefinition mit viel Spielraum

Davon abgesehen stellt sich die Frage, ab wann ein staatlicher Eingriff zum Charakter des Merkantilismus passt. Prominentes Beispiel ist der öffentliche Streit, ob die Vorgaben der Agenda 2010 mit der verbesserten Wettbewerbsfähigkeit durch moderate Löhne dazugehören.

Bleibt festzuhalten: Der Begriff des Merkantilismus ist mit seiner Definition nicht „justiziabel“ und lässt viel Raum für politische Interpretation. Als gezielte Wirtschaftspolitik jedoch passt er nicht zum Bekenntnis zum Freihandel und der Notwendigkeit außenwirtschaftlicher Gleichgewichte.