Trotz Sanktionen: Russland schafft die Trendwende

Trotz Sanktionen: Russland schafft die Trendwende
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Seit der Ukraine-Krise ist Russland für deutsche Firmen ein eingefrorenes Potenzial. Kurz nach Inkrafttreten der Sanktionen machte sich auch der Ölpreisverfall bemerkbar – ein doppelter Schlag für das rohstoffreiche Land.

Die Folgen lassen sich an der Entwicklung des Rubel ablesen. War der Dollar vor exakt drei Jahren noch für 35 Rubel zu haben, kostete er im Januar 2015 bereits doppelt so viel und Anfang 2016 ganze 78,3 Rubel.

Rubel-Entwicklung mit zwei Seiten

Danach aber ging die Entwicklung beim Rubel in die Gegenrichtung über. Die russische Währung erholte sich zusehends und landete im Mai beim Kursverhältnis von 1:56. Die Entwicklung Rubel zum Euro verlief weitgehend gleich. Unlängst war die Gemeinschaftswährung für weniger als 60 Rubel zu haben.

Hauptgrund: Seit Anfang letzten Jahres hat sich der Ölpreis von seinem Tiefpunkt bei 32 US-$ auf Werte zwischen durchschnittlich 50 US-$ und 55 US-$ stabilisiert – und damit auch der Rubel. Die Einnahmen aus dem Geschäft mit Öl und Gas machen immerhin gut 40 % der russischen Steuereinnahmen aus. Auf dieser Basis kalkuliert die Regierung mit zusätzlichen Steuergeldern von rund 1 Bio. Rubel bis Ende 2019.

Allerdings setzt dies voraus, dass der Rubel nicht weiter ansteigt, weil dann von den Rohstofferlösen auf Dollar-Basis nach der Umrechnung weniger hängen bleibt. Passenderweise hat der Rubel mittlerweile wieder nachgegeben.

Die Zentralbank kauft Dollarbestände auf, hat den Leitzins von 10 % auf 9,75 % reduziert und einen weiteren Schritt angekündigt. Sie muss mit Blick auf die Entwicklung beim Rubel einen Mittelweg finden. Wird er zu teuer, reduzieren sich die Rohstofferträge. Wird er zu billig, würgt er die wirtschaftliche Erholung ab, die seit geraumer Zeit zu spüren ist.

Historisch niedrige Inflation

Mit der erstarkten Währung ist nämlich die Konsumfreude gestiegen. Die Russen können sich endlich wieder etwas mehr leisten und lange aufgeschobene Ausgaben nachholen. Auch die Wirtschaft investiert wieder mehr und sieht Licht nach über zwei Jahren Durststrecke.

Die Notenbank versucht die Inflationsrate bei 4 % zu halten. So niedrig war sie seit 1992 nicht mehr. Die Zentralbank hofft auf ein Wirtschaftwachstum von bis zu 1,5 %. Der Internationale Währungsfonds (IWF) geht von 1,1 % aus. Trotz des besseren wirtschaftlichen Umfelds sind Investoren mit Blick auf russische Anleihen skeptisch. Ein Kupon von über 8 % bei 5-jährigen Anleihen spiegelt das Risiko.

Jedenfalls ist mit der höheren Kaufkraft der Import rapide gestiegen. Und mit der erstarkten Wirtschaft hat der deutsch-russische Handel kräftig zugelegt. Erfreulich: Der Ostausschuss der deutschen Wirtschaft geht von einem Zuwachs im Handel um 10 % bis Ende des Jahres aus.

Nachholbedarf für deutsche Industrie

Nun hofft die deutsche Wirtschaft auf eine weitere Belebung. Rund 5.200 Firmen mit deutscher Beteiligung sind in Russland aktiv. Weit mehr als aus jedem anderen Land. Maschinen- und Anlagenbauer können eine Exportsteigerung gut gebrauchen. Die Wirtschaftssanktionen des Westens trafen nämlich die deutschen Unternehmen letztlich härter als das Land selbst.

Während in Russland etwa die Lebensmittelindustrie in die Importlücke sprang und ähnlich wie andere Bereiche zwangsläufig zulegte, gingen in Deutschland Schätzungen zufolge bis zu 500.000 Jobs verloren. Russland hat sich auf eigene Ressourcen besonnen und wurde sogar in der Landwirtschaft zum Exporteur. Die deutsche Industrie indes hatte das Nachsehen.

Russland hat sich vom Doppelschlag aus Sanktionen und Ölpreisdebakel erholt – und geht in die Offensive: Mit Finanzmitteln von rund 380 Mrd. Rubel will die Regierung das Bruttoinlandsprodukt (BIP) ankurbeln. Für Dynamik sollen nicht nur Sofortkredite sorgen, die gesamte Industriepolitik soll neu ausgerichtet werden.