Ausgabepreis bei Aktien: So wird der Kurs ermittelt

Ausgabepreis bei Aktien: So wird der Kurs ermittelt
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Inhaltsverzeichnis

Das Wichtigste in Kürze

  • Der Ausgabepreis bei Neuemissionen (IPOs) kann mit verschiedenen Verfahren ermittelt werden: dem Festpreisverfahren, dem Bookbuilding-Verfahren und dem Auktionsverfahren
  • In Deutschland hat sich das klassische Bookbuilding-Verfahren als Standard etabliert, das auch als angelsächsisches Verfahren bekannt ist
  • Beim Bookbuilding-Verfahren erfolgt die Ermittlung des Emissionskurses in mehreren Phasen
  • Wesentlich für das Bookbuilding-Verfahren ist, dass der Ausgabepreis der Aktie vom Markt festgelegt wird

Wie kommt der Ausgabepreis bei Neuemissionen zustande?

Um eine Firma zu gründen, braucht man Geld. Anfangs kommt das Geld häufig von der Bank, von Wagniskapitalgebern oder auch nur von Freunden und Familie. Wächst und gedeiht die Firma jedoch konstant, stellt sich früher oder später auch die Frage des Börsengangs, ein Schritt, der mit verschiedenen Vor- und Nachteilen für das Unternehmen verbunden ist.

Wählt ein Unternehmen schließlich den Weg des Börsengangs und verfügt über das nötige Grundkapital, so stellt sich die Frage nach dem Preis, zu dem die Unternehmensanteile bzw. die Aktien ausgegeben werden. Dieser Ausgabepreis, der bei Wertpapieren auch Emissionspreis genannt wird, kann dabei mit verschiedenen Verfahren ermittelt werden:

  • Dem Festpreisverfahren
  • Dem Bookbuilding-Verfahren
  • Dem Auktionsverfahren

Ausgabepreis von Aktien ermitteln: das Festpreisverfahren

Beim Festpreisverfahren wird der Ausgabepreis in Übereinkunft zwischen dem Emittenten und dem Konsortialführer (also der mit der Emission beauftragten Bank) genau festgelegt. Der Emissionskurs wird dabei auf Grundlage der fundamentalen Unternehmensbewertung und anhand von anderen betriebswirtschaftlichen Kennzahlen ermittelt, wobei auch die Börsenbewertung vergleichbarer Unternehmen und die allgemeine Marktsituation berücksichtigt werden.

Dabei entsteht naturgemäß ein Dilemma für die Beteiligten. Einerseits soll die Kapitalbeschaffung für das Unternehmen mit einem möglichst hohen Preis optimiert werden, andererseits können potenzielle Anleger abgeschreckt werden, wenn der Preis zu hoch angesetzt wird. Hier gilt es also, einen möglichst guten Kompromiss beim Emissionskurs zu finden, der einerseits dem Unternehmen einen möglichst hohen Kapitalzufluss beschert und dennoch interessierte Anleger dazu bringt, das entsprechende Wertpapier zu zeichnen.

Ist der Ausgabepreis mittels Festpreisverfahren erst einmal ermittelt, wissen die Anleger bereits im Vorfeld ganz genau, zu welchem Preis sie die entsprechende Aktie erwerben können. Ein Vorteil für die Anleger ist also, dass sie beim Festpreisverfahren sehr gut kalkulieren können. Das Festpreisverfahren war bis Mitte der 1990er Jahre auch in Deutschland das dominierende Verfahren. Mittlerweile spielt es jedoch eine eher untergeordnete Rolle.

Ausgabepreis von Aktien ermitteln: das Bookbuilding-Verfahren

Viel häufiger kommt das Bookbuilding-Verfahren (zu Deutsch: Orderbuch-Verfahren) zur Anwendung. Das Bookbuilding-Verfahren erfreut sich international großer Beliebtheit und ist in den meisten Ländern der Welt mittlerweile das dominierende Verfahren zur Preisermittlung. Im Gegensatz zum Festpreisverfahren wird hier der Emissionspreis vom Markt festgelegt.

Das Verfahren zeichnet sich durch einen Phasencharakter aus, bei dem die Preisfestlegung in einem mehrstufigen Prozess erfolgt. In der Fachliteratur werden dabei verschiedene Auffassungen vertreten, was die Anzahl der Phasen betrifft. Je nach Auffassung kann der Preisermittlungsprozess zwischen zwei und fünf Phasen umfassen.

Klassisches Bookbuilding mit dem angelsächsischen Verfahren

Das sogenannte angelsächsische Verfahren (auch als klassisches Bookbuilding bekannt) hat sich in Deutschland mittlerweile als Standard etabliert. Das Bookbuilding erfolgt dabei in folgenden Schritten:

Die Pre-Marketing-Phase

In der Pre-Marketing-Phase werden vom Unternehmen zunächst Konsortialbanken gesucht, welche die Emission vornehmen möchten. Die Banken stellen möglichen Großinvestoren das Unternehmen vor und versuchen, dem Unternehmen ein positives Image zu verleihen. Dabei sollen das Interesse der Investoren und deren Preisvorstellungen in Erfahrung gebracht werden.

Die Marketing-Phase

Anhand der Preisvorstellungen der institutionellen Anleger wird die Preisspanne festgelegt und in der Marketing-Phase öffentlich bekannt gegeben. Hier sollen möglichst viele Investoren zur Zeichnung bewegt werden. Das Unternehmen wird in „One-on-One-Meetings“ und bei „Roadshows” auf internationalen Finanzmärkten präsentiert, Anzeigen werden geschalten und es wird versucht, Anlageberater auf die Aktie aufmerksam zu machen. Die Vermarktung der Aktie steht also im Vordergrund.

Dabei kann es durchaus sein, dass die Preisspannen mehrmals angepasst werden. Der amerikanische Elektroautohersteller Rivian, der in der Vergangenheit immer wieder als ernsthafter Konkurrent von Tesla gehandelt wurde, hat die Preisspanne für den Emissionspreis mehrmals erhöht, nachdem die Nachfrage unter den Anlegern so groß war. Zunächst wurden 57 bis 62 Dollar pro Aktie angepeilt, dann 72 bis 74 Dollar, bevor schließlich ein Ausgabepreis von 78 Dollar festgelegt wurde, als die Aktie im November 2021 an der Nasdaq notierte.

Auch wenn die Preisspanne hier mehrmals erhöht wurde, konnten sich die Anleger zunächst über erhebliche Zeichnungsgewinne (entsprechenden Textabschnitt intern verlinken) freuen, die allerdings nur von vorübergehender Natur waren. Die Kurse der Aktie von Rivian schossen bereits wenige Tage nach dem Börsengang in die Höhe, was das Unternehmen mit einer Marktkapitalisierung von 160 Milliarden Dollar zum drittwertvollsten Autounternehmen der Welt machte, gleich hinter Tesla und Toyota. Die Aktie notierte zum Höchststand bei knapp 180 Dollar, begann jedoch bereits Ende November zu sinken und rutschte vom Rekordhoch auf zeitweise nur noch knapp 20 Dollar ab.

Die Bookbuilding-Phase

Nun beginnt die eigentliche Bookbuilding-Phase, in der von den Konsortialbanken die Kauforders der Investoren entgegengenommen werden. Die Käufer geben dabei die Stückzahl und den Preis innerhalb der Preisspanne an, zu dem sie das Papier erwerben möchten. Für die Kaufaufträge können dabei entsprechende Limits gesetzt werden.

Das Konsortium erfasst alle Orders in einem Buch und fungiert somit als Buchführer („Bookrunner“). Nach Ablauf der Zeichnungsphase schließt das Orderbuch. Es folgt die Phase der Preisfestsetzung und der Aktienzuteilung. Anhand der eingegangenen Zeichnungswünsche wird nun mit einer Preis-Menge-Funktion der Emissionspreis ermittelt (Closing).

Jene Gebote, die unter diesem Preis liegen, werden von der Aktienvergabe ausgeschlossen. Investoren, die zu einem höheren Preis als dem Emissionspreis gekauft hätten, kaufen die Aktien nun zum Emissionskurs. Grundsätzlich steht es dem Emittenten frei, die Aktien beliebig zu verteilen. Die Emissionsbank gibt jedoch entsprechende Empfehlungen ab, an die sich die Emittenten aus mangelnder eigener Erfahrung meist auch halten. Das Ziel ist dabei, eine optimierte Aktionärsstruktur zu schaffen und einen stabilen Sekundärmarkt zu kreieren.

Institutionelle Investoren, die im Rahmen der Pre-Marketing-Phase bereit waren, ihre Bewertungen zum Unternehmen offenzulegen, werden bei der Zuteilung der Aktien häufig bevorzugt und erhalten unter Umständen die volle Zuteilung ihrer Zeichnungsaufträge zum jeweiligen Preis.

Das Settlement

Den Abschluss der Emission bildet schließlich das Settlement. Das Unternehmen ist nun an der Börse notiert. Im Anschluss an das Settlement kann unter Umständen ein sogenannter Greenshoe platziert werden, sofern eine zusätzliche Nachfrage an Aktien besteht, nachdem das Kontingent ausgeschöpft wurde. Mit der Greenshoe Option kann die Konsortialbank weitere Aktien zum Emissionspreis beim Unternehmen erwerben und an die Käufer am Sekundärmarkt teurer weiterverkaufen.

Ausgabepreis von Aktien ermitteln: das Auktionsverfahren

Beim Auktionsverfahren wird zunächst eine Unternehmensbewertung durch einen Wirtschaftsprüfer vorgenommen und der festgestellte Preis als Mindestpreis offengelegt. Die potentiellen Investoren haben danach die Möglichkeit, ihre Gebote innerhalb eines bestimmten Zeitraums abzugeben. Unrealistische hohe Gebote und jene, die unter dem Mindestpreis liegen, werden üblicherweise nicht gestattet, um sicherzustellen, dass die Gebote nahe der tatsächlichen Bewertung der Bieter liegen. So sollen auch nur die rationalen Bieter bei der späteren Zuteilung der Aktien bedacht werden.

Es gibt hier zwei verschiedene Möglichkeiten der Zuteilung:

  • Das (diskriminierende) amerikanische Tenderverfahren
  • Das (kompetitive) holländische Tenderverfahren

Beim amerikanischen Tenderverfahren erfolgt die Zuteilung der Aktien zu den jeweiligen Kursgeboten. Das heißt, jeder bezahlt den Preis, den er für die Aktie geboten hat. Dabei werden die Aktien solange an die höchsten abgegebenen Gebote verteilt, bis die gesamte Emission vergeben wurde.

Beim holländischen Tenderverfahren wird ein einheitlicher markträumender Emissionspreis festgelegt. Die Zuteilung der Aktien erfolgt also zu einem einheitlichen Preis für alle Bieter, die mit ihren Geboten über dem markträumenden Emissionspreis gelegen haben.

Zeichnungsgewinne: Warum sind Neuemissionen für viele Anleger interessant?

Viele Privatinvestoren als auch institutionelle Investoren hoffen beim Kauf von Wertpapieren innerhalb der Zeichnungsfrist auf einen Zeichnungsgewinn. Als Zeichnungsgewinn bezeichnet man die Differenz zwischen dem ersten Börsenkurs und dem Preis der Aktie, zu dem sie vor der Börsennotierung erworben werden konnte.

In der Vergangenheit konnten bei vielen Neuemissionen erhebliche Zeichnungsgewinne erzielt werden. Ein gutes Beispiel ist die Infineon-Aktie, bei der sich die Anleger bei ihrer Börsennotierung im Jahr 2000 über einen Zeichnungsgewinn in der Höhe von 100 % freuen konnten. Der Ausgabepreis wurde seinerzeit mit 35 Euro festgelegt, während der Preis bei der ersten Börsennotierung 70 Euro betrug.

Dem Beispiel von Infineon stehen jedoch auch etliche Beispiele gegenüber, bei denen genau das Gegenteil passierte – Investoren erleiden Verluste, nachdem der erste Börsenkurs wider Erwarten unterhalb des Ausgabepreises liegt.

Der Börsengang der Porsche AG als Beispiel

Es war der größte deutsche Börsengang seit der deutschen Telekom im Jahr 1996: die Porsche AG. Das Interesse unter den Anlegern war groß. Die Marke Porsche bringt schließlich alles mit, was Aktionäre gerne haben: ein Unternehmen, das Leidenschaften und Phantasien weckt und zudem auf eine lange Unternehmenstradition zurückblicken kann.

Insgesamt besteht das Grundkapital der Porsche AG aus 911 Millionen Aktien (in Anlehnung an den legendären Porsche 911). Die Unternehmensaktien bestehen jeweils zur Hälfte aus Vorzugsaktien und Stammaktien.

Beim Börsengang wurden insgesamt knapp 114 Millionen öffentlich zugängliche Vorzugsaktien platziert. Die meisten davon gingen an institutionelle Anleger, etwa aus dem arabischen Emirat Katar. Aufgrund der hohen Nachfrage wurde auch die Greenshoe Option teilweise ausgeübt, und zwar in Höhe von 74 Prozent der maximalen Größe der Option. Das heißt, es wurden zusätzlich insgesamt etwas über 11 Millionen Vorzugsaktien ausgegeben.

Die vorab ausgegebene Preisspanne umfasste 76,50 Euro und 82,50 Euro. Die Zeichnungsfrist, in der die Anleger Aktien erwerben konnten, dauerte von 20.9. bis 28.9.2022. Die Aktien wurden neben Deutschland auch in Österreich, Italien, Spanien und Frankreich angeboten.

Der Ausgabepreis wurde letztlich am oberen Ende der vorab ausgegebenen Preisspanne mit 82,50 Euro festgelegt. Basierend auf dem Platzierungspreis von 82,50 Euro, belief sich der Bruttoemissionserlös auf insgesamt 9,4 Milliarden Euro. Wer weniger als den Emissionspreis geboten hat, bekam schließlich keine Aktien. Die Aktien wurden also unter denjenigen verteilt, die mindestens zum Emissionspreis oder höher gezeichnet haben.

Welche Preisbildungsverfahren werden wo angewendet?

Im Hinblick darauf, welche Preisbildungsverfahren wo angewendet werden, gibt es regionale Unterschiede. In Deutschland ist man seit Mitte der 1990er Jahre vom Festpreisverfahren in der Regel wieder abgekommen. Stattdessen findet hauptsächlich das Bookbuilding-Verfahren Anwendung. Tenderverfahren gibt es eher selten.

In den USA gibt es hingegen hybride Anwendungen von Bookbuilding-Verfahren und Festpreisverfahren. Dafür sind vor allem gesetzliche Unterschiede zwischen den Ländern verantwortlich, da es in den USA etwa verboten ist, bereits vor der Zeichnung mit potenziellen Käufern Kontakt aufzunehmen, während dies in Europa durchaus üblich ist, um einen Einblick in das Investoreninteresse erhalten zu können. Auch Auktionsverfahren finden in den USA sowie auf der ganzen Welt Anwendung, allerdings mit teilweise großen unterschiedlichen Handhabungen.