Ertragswertverfahren bei Immobilien: Ertragswert selbst ermitteln

Ertragswertverfahren: Vorteile, Nachteile, Anwendung und Berechnung
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Inhaltsverzeichnis

Wenn es um die Ermittlung des Wertes von Immobilien geht, dann gibt es drei standardisierten Verfahren. Das sind zum einen das Vergleichswertverfahren und das Sachwertverfahren sowie zum anderen das Ertragswertverfahren. Dieses wird zur Wertermittlung genutzt, wenn die Immobilie vermietet oder verpachtet ist. In unserem Beitrag erfahren Sie, was Ertragswertverfahren bei Immobilien ist und worum es sich eigentlich beim Ertragswert handelt. Ferner gehen wir darauf ein, wie die einzelnen Bestandteile beim Ertragswertverfahren ermittelt werden, beispielsweise Bodenwert und Rohertrag. Darüber hinaus erfahren Sie, worin die Vor- und Nachteile des Ertragswertverfahrens bestehen.

Was ist das Ertragswertverfahren?

Das Ertragswertverfahren ist eine von drei Methoden zur Bewertung, also wie Sie den Wert einer Immobilie feststellen können. Während das Sachwertverfahren sowie das Vergleichswertverfahren in der Regel für privat genutzte Objekte in Anspruch genommen wird, geht es beim Ertragswertverfahren vor allem darum, den Ertragswert von vermieteten oder betrachteten Immobilien festzustellen. Im Fokus steht dementsprechend der Ertragswert, den das jeweilige Haus besitzt.

Das Wichtigste zum Ertragswertverfahren zusammengefasst

  • Definition: Das Ertragswertverfahren ist eines von drei standardisierten Verfahren zur Bewertung einer Immobilie sowie zur Ermittlung des Immobilienwertes (auch Verkehrswert genannt). Der Ertragswert bildet die Summe aller erzielbaren Erträge ab und stellt eine Form des Verkehrswertes einer Immobilie dar.
  • Anwendung: In der Regel wird das Ertragswertverfahren verwendet, wenn das Objekt entweder vermietet oder verpachtet ist.
  • Vorteil: Ein großer Vorteil am Ertragswertverfahren ist die genaue Wertermittlung der Immobilie mit einem Bezug zur Praxis. 
  • Nachteil: Nachteilig beim Ertragswertverfahren ist vor allem, dass eventuell zukünftig höhere Mieteinnahmen keine Berücksichtigung finden.

Was ist der Ertragswert?

Der Ertragswert einer Immobilie ist kurz gesagt die Summe der Erträge, die der Eigentümer erzielen kann. In der Regel ist der Ertrag gleichzusetzen mit der Miete, die der Eigentümer und Vermieter vereinnahmt. Es geht also beim Ertragswert um die Rendite, die mit dem Objekt zu erzielen ist.

Wie wird der Ertragswert ermittelt? 

Um den Ertragswert zu berechnen, müssen lediglich zwei Werte miteinander addiert werden: der Bodenwert und der Gebäudeertragswert. Das Ergebnis bildet den Ertragswert des Grundstücks beziehungsweise der Immobilie ab. Demnach lautet die Formel für die Ermittlung des Ertragswertes im Ertragswertverfahren wie folgt:

Bodenwert + Gebäudeertragswert = Ertragswert

Die Berechnung dieser beiden Werte erfordert jedoch mehrere Schritte, die wir im Folgenden näher erläutern.

Wie wird der Bodenwert ermittelt?

Im ersten Teil des Ertragswertverfahrens berechnen Sachverständige den sogenannten Bodenwert. Dieser ist im Grunde gleichzusetzen mit dem Grundstückswert eines unbebauten Grundstücks. Dieser wiederum wird auf der Basis von Referenzwerten anderer Grundstücke festgestellt. Basis für die Berechnung des Bodenwertes ist der Bodenrichtwert. Die Formel zum Berechnen des Bodenwertes lautet:

Bodenrichtwert * Fläche des Grundstückes = Bodenwert

Sie müssen also entsprechend nur den Bodenrichtwert mit der Grundstücksfläche in Quadratmetern multiplizieren und erhalten auf dieser Grundlage den Bodenwert.

Wie wird der Gebäudeertragswert ermittelt?

Nachdem der Bodenwert ermittelt worden ist, müssen Sie nun den Gebäudeertragswert berechnen. Dafür benötigen Sie vier Rechenschritte. 

Der erste Rechenschritt beinhaltet die Berechnung des Reinertrag des Grundstückes, welcher anschließend als ersten Wert für die Berechnung des sogenannten Gebäudereinertrags dient. 

Den Reinertrag bzw. Jahresreinertrag können Sie ermitteln, wenn Sie für die Immobilie anfallenden Bewirtschaftungskosten von dem sogenannten Rohertrag subtrahieren. Der Rohertrag ist bei Immobilien ein Synonym für die Jahresmiete, die Sie als Eigentümer erhalten. Allerdings handelt es sich nicht um die tatsächlich fließende Miete laut Mietvertrag. Stattdessen wird eine Miete zugrunde gelegt, die momentan am Markt zu erzielen ist bzw. wäre

Bei den Bewirtschaftskosten handelt es sich zum Beispiel um Verwaltungs- und Instandhaltungskosten für das Gebäude. 

  • Formel: Rohertrag – Bewirtschaftungskosten = Jahresreinertrag vom Grundstück

Im zweiten Schritt müssen Sie die Bodenwertverzinsung als zweiten relevanten Wert ermitteln. 

Um die Zinsen festzustellen, multiplizieren Sie einfach den Bodenwert mit dem sogenannten Liegenschaftszins. Dieser wiederum ist faktisch der Zinssatz für Immobilien, der momentan am Markt anfällt.

  • Formel: Bodenwert x Liegenschaftszins = Bodenwertverzinsung

Im dritten Schritt wird die Bodenwertverzinsung vom Reinertrag abgezogen, um den Gebäudereinertrag zu berechnen.

  • Formel: Reinertrag – Bodenwertverzinsung = Gebäudereinertrag

Das Ergebnis ist der Gebäudereinertrag, welches im letzten Schritt, dem vierten Schritt noch mit dem Vervielfältiger multipliziert werden muss, um den Gebäudeertragswert zu erhalten.

Für die Berechnung des Gebäudeertragswertes müssen Sie neben dem Gebäudereinertrag einen sogenannten Vervielfältiger einbinden. Anhand dieses Vervielfältigers können Immobiliengutachter zum einen die Restnutzungsdauer der Immobilie sowie zum anderen den Liegenschaftszins integrieren.

  • Formel: Gebäudereinertrag x Vervielfältiger = Gebäudeertragswert

Wie lautet die Formel zur Berechnung des Gebäudeertragswertes?

Die vollständige Formel für die Ermittlung des Gebäudeertragswertes lautet:

Rohertrag – Bewirtschaftsungskosten = Reinertrag vom Grundstück

Bodenwert x Liegenschaftszins = Bodenwertverzinsung

Jahresreinertrag – Bodenwertverzinsung = Gebäudereinertrag

Gebäudereinertrag x Vervielfältiger = Gebäudeertragswert 

Wie werden der vorläufige und endgültige Ertragswert berechnet?

Bei der Berechnung und Ermittlung des Ertragswertes innerhalb des Ertragswertverfahrens sind wir fast am Ende angelangt. Im vorletzten Schritt wird der sogenannte vorläufige Ertragswert berechnet. Zu diesem Zweck müssen Sie lediglich die bisher schon festgestellten Werte addieren, nämlich zum einen den Bodenwert und zum anderen den Gebäudeertragswert.

  • Formel: Bodenwert + Gebäudeertragswert = Ertragswert (vorläufig) 

Der letzte Schritt der Ermittlung des Ertragswertes ist dann das Feststellen des endgültigen Ertragswertes. Dazu beziehen Sie einige Einflussfaktoren ein, die sich entweder negativ oder positiv auf den Wert einer Immobilie auswirken können. So gibt es entweder Auf- oder Abschläge auf den zuvor ermittelten, vorläufigen Ertragswert.

Beispielrechnung für das Ertragswertverfahren

In der folgenden Schritt-für-Schritt-Anleitung möchten wir gerne anhand eines Beispiels verdeutlichen, wie Sie die einzelnen Zwischenwerte beim Ertragswertverfahren berechnen und so letztendlich am Ende den Ertragswert feststellen, den eine Immobilie hat.

Schritt 1: Im ersten Schritt ist der Bodenwert vom Grundstück zu ermitteln. Dazu nehmen wir an, dass Sie Eigentümer eines Mehrfamilienhauses mit vier Wohnungen sind, die allesamt vermietet wurden. Der Bodenrichtwert beläuft sich auf 650 Euro pro Quadratmeter des Grundstückes und die vier Wohnungen haben zusammen eine Wohnfläche von 360 Quadratmetern. Daraus ermitteln Sie den Bodenwert wie folgt:

650 Euro/Quadratmeter * 360 Quadratmeter = 234.000 Euro

Schritt 2: Im zweiten Schritt ist der Rohertrag der Immobilie zu ermitteln. Die am Markt erzielbaren Miete beläuft sich auf 12,50 Euro je Quadratmeter. Die Gesamtzahl der Quadratmeter aller vier Wohnungen kennen wir bereits, nämlich 360 Quadratmeter. Daraus ergibt sich die Ermittlung des Rohertrages auf Basis der Formel:

360 Quadratmeter * 12,50 Euro/Quadratmeter * 12 Monate = 54.000 Euro

Schritt 3: Nun ermitteln Sie den Jahresreinertrag. Dazu nehmen wir an, dass die Bewirtschaftungskosten für die Immobilie jährlich 8.000 Euro betragen. Diese Kosten werden von zuvor ermittelten Rohertrag abgezogen, sodass die Berechnung lautet:

54.000 Euro – 8.000 Euro = 46.000 Euro 

Schritt 4: Der vierte Schritt beinhaltet die Berechnung der Bodenwertverzinsung. Den Bodenwert in Höhe von 234.000 Euro haben im ersten Schritt bereits ermittelt. Diesen multiplizieren wir nun mit einem Liegenschaftszins, der sich im Beispiel auf vier Prozent beläuft. Daraus ergibt sich folgende Berechnung: 

234.000 Euro * 0,04 = 9.360 Euro

Schritt 5: Im fünften Schritt ermitteln wir den Gebäudeertragswert. Dazu wird vom Jahresreinertrag die Bodenwertverzinsung (in Euro) abgezogen und das Ergebnis wird mit einem Faktor von im Beispiel 15,86 multipliziert. Dieser wiederum ergibt sich aus einer Formel, die den Liegenschaftszins (i) und Restnutzungsdauer (n) inkludiert [Wert des Vervielfältigers = (1+i)ⁿ-1 /(1+i)ⁿ x ((1+i) – 1)].

Die Rechnung für die Ermittlung des Gebäudeertragswertes lautet anschließend wie folgt:

(46.000 Euro – 9.360 Euro) * 15,86 = 581.110 Euro

Schritt 6: Der vorletzte Schritt ist die Berechnung des vorläufigen Ertragswertes. Dazu wird der Bodenwert mit dem Gebäudeertragswert addiert, sodass sich folgende Berechnung ergibt:

234.000 Euro + 581.110 Euro = 815.110 Euro

Schritt 7: Im ersten Schritt ziehen wir vom vorläufigen Ertragswert noch Abschläge ab, die durch eine Wertminderung der Immobilie entstehen, um den endgültigen Ertragswert zu erhalten. In unserem Beispiel sind das Renovierungskosten, die in naher Zukunft anfallen und sich auf etwa 30.000 Euro belaufen. Die endgültige Rechnung lautet im Beispiel:

815.110 Euro – 30.000 Euro = 785.110 Euro

Der letzte Wert zeigt den Ertragswert bzw. aktuellen Verkehrswert einer Immobilie an.

Sollten Sie das Ertragswertverfahren selbst anwenden?

Da das Ertragswertverfahren relativ kompliziert ist (siehe Berechnung des Vervielfältigers durch Liegenschaftszins und Restnutzungsdauer), können Sie den Ertragswert in der Regel nicht selbst fehlerfrei ermitteln. Stattdessen ist es sinnvoll, damit einen Sachverständigen zu beauftragen, der Ihnen ein Immobiliengutachten erstellt.

Was sind die Vorteile des Ertragswertverfahrens?

Das Ertragswertverfahren beinhaltet insbesondere die folgenden Vorteile, weshalb es bei vermieteten und verpachteten Objekten sehr häufig in der Praxis genutzt wird. Zu diesen Vorteilen gehören:

  • relativ genaues Wertermittlungsverfahren von Immobilien,
  • gute Eignung für Anlageobjekte (bei Vermietung und Verpachtung) und das
  • Ertragswertverfahren ist sehr praxisnah.

Was sind die Nachteile des Ertragswertverfahrens?

Gegenüber diesen Vorteilen gibt es ebenso Nachteile, die mit dem Ertragswertverfahren verbunden sind. Das sind im Wesentlichen:

  • hohe Abhängigkeit vom Liegenschaftszins,
  • keine Berücksichtigung eventuell steigender Mieten und
  • relativ komplizierte Berechnung.

Wann wird das Ertragswertverfahren eingesetzt?

Das Ertragswertverfahren wird angewendet, wenn Sie den Ertragswert einer Immobilie und in dem Zusammenhang ebenso eines Grundstücks ermitteln möchten. Es basiert darauf, dass sowohl der Bodenwert als auch Gebäudeertragswert eines Objektes nebst des Grundstücks festgestellt werden.  

Eingesetzt wird das Ertragswertverfahren nahezu ausschließlich bei gewerblich genutzten Immobilien, bei denen entweder Miet- oder Pachterträge vereinnahmt werden. Das sind zum Beispiel: 

  • Mehrfamilienhäuser,
  • Pflegeappartements,
  • Bürogebäude und
  • Einkaufszentren.

Nicht zum Einsatz kommt das Ertragswertverfahren hingegen bei privatem Wohneigentum, welches vom Eigentümer selbst genutzt wird. Der Grund ist, dass es dann keine Erträge gibt.

Was ist das internationale Ertragswertverfahren?

Das Ertragswertverfahren lässt sich in eine deutsche und eine internationale Variante unterscheiden. Während beim deutschen Ertragswertverfahren eine getrennte Betrachtung des Grundstücks und des Gebäudes erfolgt, gibt es diese Differenzierung beim internationalen Ertragswertverfahren nicht. Dort findet eine Ableitung des Gebäude- und Grundstückswertes auf Grundlage der aktuellen Mietverträge statt.

Was ist das vereinfachte Ertragswertverfahren?

Neben dem allgemeinen gibt es alternativ ein vereinfachtes Ertragswertverfahren. Dies wird in der Regel deshalb verwendet, weil das Ermitteln des Ertragswertes schneller geht und einfacher ist. Deshalb wird das vereinfachte Ertragswertverfahren häufig vor einem geplanten Immobilienkauf genutzt, um möglichst schnell den Ertragswert des Objektes festzustellen. 

Vereinfacht beim Ertragswertverfahren ist auch die entsprechende Formel zur Berechnung. Zunächst werden vom Rohertrag die Bewirtschaftungskosten abgezogen. Das Ergebnis wird mit einem Faktor multipliziert, der sich wiederum aus dem Liegenschaftszins und der Nutzungsdauer ergibt. Anschließend findet eine Addition des Bodenwertes statt und eine Teilung durch Liegenschaftszins nebst Nutzungsdauer.