Genussrechte und Genusskapital – Eigenkapitalerhöhung nur nach deutschem Recht

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Erhöht eingelegtes Geld aus Genussscheinen das Eigenkapital eines Unternehmens oder nicht? Die Antwort hängt wesentlich davon ab, wie Genussrechte vertraglich gestaltet sind. Werden einige Punkte beachtet, so ist die Verbuchung als Eigenkapital gemäß dem Handelsrecht möglich. Doch dies weicht von internationalen Vorschiften ab.

Genussrechte: Fremd- oder Eigenkapital?

Die Frage, ob Genusskapital Eigenkapital oder Fremdkapital ist, erschließt sich nicht auf Anhieb. Grund ist die Tatsache, dass Genussrechte eine hybride Form der Firmenfinanzierung sind.

Genussrechte bzw. Genusskapital sind eine Mezzanine-Finanzierung. Damit handelt es sich um eine Zwitterform zwischen einer Finanzierung durch Fremd- und Eigenkapital.

Genussrechte sind gerade für junge Unternehmen eine willkommene Finanzierungsform. Statt auf Bankdarlehen lässt sich auf Anlegergeld zurückgreifen. Der Anleger stellt Kapital für eine festgelegte Laufzeit zur Verfügung. Dafür bekommt er attraktive Zinsen.

Kennzeichen ist die Beteiligung am Erfolg bzw. Misserfolg des Unternehmens. Läuft das Geschäft schlecht, so fallen die Zinszahlungen aus. Geht das Unternehmen pleite, so ist unter Umständen Totalschaden angesagt.

Mehr zum Thema: Definition von Genussrechten: Anlegerdarlehen mit Erfolgsbeteiligung

Aktuell beliebt sind Genussrechte von Unternehmen auf dem Gebiet Erneuerbare Energien.

Genussrechte lassen sich verschieden gestalten. Und in jedem Fall hat der Anleger kein Mitspracherecht. Er ist nämlich kein Gesellschafter. Einerseits wird also Geld von außen eingelegt, was die Eigenschaften von Fremdkapital trägt. Andererseits spricht die Beteiligung an Erfolg und Misserfolg für die Behandlung als Eigenkapital.

Was die steuerliche Behandlung von Genusskapital angeht, so wird von Fremdkapital ausgegangen, vorausgesetzt, es gibt keine Beteiligung am Liquidationserlös. Dann sind die Zinsen als Betriebsausgaben absetzbar.

Mehr zum Thema: Die steuerliche Behandlung von Genussrechten – Fremd- oder Eigenkapital?

Der Schluss, dass dies so auch auf die wirtschaftliche Burteilung in der Bilanz zutreffen muss, ist aber falsch. Hier gelten nicht die Regelungen des Steuerrechts, sondern der Bilanzierungsvorschriften.

Genussrechte – Voraussetzungen zum Eigenkapitalausweis

Die Bilanzierung als Eigenkapital gemäß dem Handelsrecht (HGB) ist möglich. Sicherheit in der Sache gibt es genaugenommen seit 1994. Dann nämlich hat das Institut der Wirtschaftsprüfer 4 zentrale Kriterien formuliert, die eine Einordnung als Eigenkapital erlauben, sofern sie gleichzeitig erfüllt sind:

  1. Erfolgsabhängigkeit der Vergütung
  2. Teilnahme am Verlust bis zur vollen Höhe
  3. Langfristigkeit der Kapitalüberlassung, mindestens 5 Jahre
  4. Nachrangigkeit des Genussrechtskapitals im Insolvenz- oder Liquidationsfall gegenüber allen Gläubigern.

Genussrechte als Eigenkapital – Vorsicht bei Details

Nun sollte man meinen, dass mit einem Vertrag, der all diese Punkte berücksichtigt, alles in trockenen Tüchern ist. Oft genug ist dem aber nicht so. Häufig liegt es an Nebensätzen und Details.

Anlass können etwa die Interessen der Anleger bzw. Geldgeber sein. Denn die wollen sich für Krisenfälle möglichst absichern und erwarten eine weitgehende Behandlung als Fremdkapitalgeber.

Um denen entgegenzukommen, findet sich immer wieder ein Passus etwa in der Form, dass der Nachrang nur auf bestimmte Krisensituationen beschränkt ist. Hier ist auf jeden Fall der Rat eines Wirtschaftsprüfers gefragt.

Zu klären ist vorab auch, ob der Genussrechtsvertrag zugleich internationalen Standards entsprechen muss. Gemeint sind die Rechnungslegungsnormen IFRS. Dann selbst wenn die Vorschiften des HGB erfüllt sind, so gilt das noch lange nicht für die nach IFRS.

Genussrechte – nach HGB Eigenkapital, nach IFRS Fremdkapital

Nach internationalem Standard nämlich wird das Genusskapital nicht dem Eigenkapital zugerechnet. Grund: Die IFRS setzen eine dauerhafte Kapitalüberlassung voraus, sind also ohne Rückzahlungsanspruch. Eigenkapital liegt nur dann vor, wenn der Genussrechtsinhaber, der Geldgeber, kein Kündigungsrecht hat.

Infrage käme höchstens ein Wahlrecht: Am Ende der Laufzeit bekommt der Anleger entweder sein Geld zurück oder es wird in Eigenkapital als Gesellschaftsanteil verwandelt. Wenn nicht, so wird Genusskapital als Fremdkapital behandelt.

Bei den marktüblichen Genussrechten jedoch kann sich kein Unternehmen seiner Rückzahlungsverpflichtung und zentralen Kündigungsrechten entziehen. Hier entsteht ein Widerspruch zum HGB.

Das Problem: Mit der verbindlichen Umstellung auf die internationalen Regeln nach IFRS im Jahre 2005 für kapitalmarktorientierte Unternehmen wurden diese vor erhebliche Herausforderungen gestellt. Genussscheine, die bis dahin noch Eigenkapital waren, mussten in die Rubrik Fremdkapital eingestellt werden.

Diese Veränderung zog vielfach eine erhebliche Reduzierung der Eigenkapitalquote nach sich. Beim Mietwagenunternehmen SIXT beispielsweise rutschte damals die Quote von 29% auf rund 20% ab.

Mit dem zunehmenden flächendeckenden Umstieg auf IFRS müssen Genussrechte zunehmend als Fremdkapital verbucht werden.

Eine Harmonisierung der abweichenden Regelungen soll diesen unbefriedigenden Zustand beseitigen – irgendwann.