Carvana: Aktie des Spezialisten für den Online-Verkauf von Gebrauchtwagen nach Zahlen auf Achterbahnfahrt
Fulminanter hätte das Comeback wohl kaum ausfallen können. Im Rahmen der März-Korrektur stürzten die Carvana-Papiere von 110 Dollar um 70% in den Keller und waren zeitweise für unter 30 Dollar zu haben. Inzwischen hat sich das Blatt komplett gewendet. Seit der Konzern Anfang April eine 600 Millionen schwere Kapitalerhöhung durchgeführt hat, an der sich der Firmengründer mit 25 Millionen Dollar beteiligt hat, kennt die Aktie kein Halten mehr. Die Liquiditätssorgen der Anleger sind wie weggeblasen und der Markt für Gebrauchtwagen, in dem sich Carvana tummelt, hat eine kräftige Erholung gefeiert.
Nach den gerade vorgelegten Quartalszahlen explodierte die Aktie förmlich und legte nochmals knapp 30% auf zwischenzeitlich 223 Dollar bevor eine erste Konsolidierung einsetzte und die Aktie wieder unter 200 Dollar drückte.
Was hinter dem Carvana-Konzern steckt
Mit seinem Geschäftsmodell revolutioniert Carvana derzeit den Gebrauchtwagenverkauf in den USA und trifft damit offenbar den Geist der Zeit. Laut einer Verbraucherbefragung der Mintel Group unter 1.100 potenziellen Autokäufern gehen über 40% nicht gerne zum Händler. 47% ist das Verhandeln über den Preis zuwider. Ganze 49% müssen erst mehrere Gebrauchtwagenhändler aufsuchen, bevor sie letztlich fündig werden. Die meisten Verbraucher stören sich außerdem an den hohen Wartezeiten und dem hohen administrativen Aufwand in den Filialen.
Dem gegenüber bietet Carvana ein völlig neuartiges Komforterlebnis beim Gebrauchtwagenkauf: Kunden können ein Auto in weniger als 10 Minuten online kaufen, es anschließend kostenlos an ihre Haustür liefern lassen und eine 7-tägige Testphase nutzen, in der Carvana das Auto auch wieder kostenlos abholt, falls der Kunde nicht zufrieden ist. Ein weiterer Pluspunkt ist die hauseigene Vergabe von Gebrauchtwagenkrediten: Über 70% der Carvana-Kunden finanzieren ihr Fahrzeug direkt über das Unternehmen und bekommen somit einen kompletten „Alles-aus-einer-Hand-Service“ geboten.
Warum der Gebrauchtwagenmarkt so interessant ist
Die US-amerikanische Automobilindustrie ist mit einem Umsatz von rund 1,2 Billionen Dollar extrem groß und macht rund 20% des gesamten US-Einzelhandels aus. Laut dem Gebrauchtwagenmarktbericht der Branchenexperten von Edmunds wurden davon im Vorjahr fast 800 Milliarden US-Dollar mit Gebrauchtwagen umgesetzt. Der Löwenanteil von rund 2/3 der in den USA erzielten Erlöse mit dem Verkauf von PKWs entfällt also auf Gebrauchtwagen, nur ca. 1/3 entsprechend auf Neuwagen. Damit ergibt sich ein enormes theoretisches Umsatzpotenzial für Carvana.
Corona sorgt für starke Erholung beim Gebrauchtwagenhandel
Während die Neuwagenverkäufe zuletzt schwächelten, konnte der Gebrauchtwagenverkauf von der Corona-Krise sogar profitieren. Im Zuge der Pandemie versuchen zahlreiche Menschen, öffentliche Verkehrsmittel zu meiden und setzen auf ein eigenes Auto. Da die wirtschaftliche Unsicherheit aber weiterhin hoch sind, greifen die Käufer offenbar stärker zu günstigen Gebraucht- als zu Neuwagen. Zudem kommt der Nachfrage das weiterhin günstige Zinsniveau bei den Finanzierungen zugute.
Carvana verkauft 25% mehr Autos im zweiten Quartal
Das bestätigt der Blick auf die gerade vorgelegten Zahlen: Im abgelaufenen Vierteljahr verkaufte Carvana 55.098 Autos und damit 25% mehr als im vergleichbaren Vorjahresquartal. Unter dem Strich kletterte der Umsatz um 13% auf 1,1 Milliarden Dollar. Am Ende stand ein Verlust von 106 Millionen Dollar in den Büchern. Je Aktie schnitt Carvana mit einem Nettoverlust von 0,62 Dollar besser ab als die Analysten im Vorfeld erwartet hatten (-0,77 Dollar pro Aktie).
Für den weiteren Jahresverlauf zeigt sich Firmenboss Ernest Garcia III weiter zuversichtlich. Das starke Comeback bei den Gebrauchtwagenverkauf, das im April startete, hielt auch im Juli weiter an. Laut Garcia sieht sich Carvana mit der größten Nachfrage in der Firmengeschichte konfrontiert. Für das dritte Quartal rechnet Carvana mit weiter steigenden Verkaufszahlen und einer deutlichen Ergebnisverbesserung. Die Anleger zeigen sich von der Entwicklung überzeugt und verteilen reichlich Vorschlusslorbeeren. Ob dies gerechtfertigt ist, wird sich aber erst in den nächsten Quartalen zeigen.