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Die wirtschaftliche Realität in Deutschland

Inhaltsverzeichnis

Als ich vor gut 40 Jahren damit begonnen habe, mich professionell mit dem Thema Finanzmärkte zu beschäftigen, habe ich recht schnell ein Dogma gelernt:

„Börsen nehmen die Zukunft vorweg.“

Diese „Lehraussage, deren Wahrheitsanspruch als unumstößlich festgestellt wird“, (Definition laut Wikipedia) hat mir in all den Jahren unzählige Male dabei geholfen, viele Reaktionen der Aktienmärkte (besser) zu verstehen: Denn nicht immer verhalten sich die Finanzmärkte aus Sicht eines unerfahrenen Anlegers „logisch“.

Betrachten wir die Aktienmärkte aus der Perspektive dieses Dogmas, so erscheint die Rallye der letzten 14 Wochen zumindest in ihrem Ausmaß als „unlogisch“. Das jedenfalls signalisiert uns die gestern bekannt gewordene Blitzumfrage des DIHK.

Die wirtschaftliche Realität in Deutschland

Der DIHK ist der Deutsche Industrie- und Handelskammertag. Diese Organisation vertritt die gesamte gewerbliche Wirtschaft Deutschlands aus Industrie, Handel und Dienstleistungen – „vom Kioskbesitzer bis zum Großkonzern“, wie es die DIHK auf Ihrer Internetpräsenz so schön umschreibt.

Seit dem 9. März 2020 hat der DIHK insgesamt 4 Corona-Blitzumfragen unter seinen Mitgliedern veranstaltet. Gestern wurden die Ergebnisse der aktuellen Befragung veröffentlicht. Kern der Blitzumfragen ist es, zu ergründen, wie stark die Coronavirus-Pandemie die deutsche Wirtschaft trifft.

Die jüngste Auswertung liefert Ihnen ein reales Abbild der Lage in der deutschen Wirtschaft!

Die „V“-förmige Erholung ist vom Tisch!

Eine Aussage vom DIHK-Hauptgeschäftsführer Dr. Martin Wansleben bestätigt meine Anmerkungen in den letzten Beiträgen zum Thema „V-förmige Erholung der Wirtschaft“:

Aussage zur 4. Corona-Blitzumfrage

Auch seine weitere Aussage ist bemerkenswert:

Aussage zur 4. Corona-Blitzumfrage

Die Unternehmen werden vom DIHK schon seit 1992 regelmäßig (3x pro Jahr zu Jahresbeginn, im Frühsommer und Herbst) zu ihrer Einschätzung bezüglich der Geschäftserwartung und der Geschäftslage befragt. Die erhobenen Daten werden dann in ein Koordinatensystem eingeordnet.

DIHK-Konjunkturradar: Grausame Realität

Wir schauen einmal auf dieses „Konjunkturradar“, das mit den Ergebnissen der Corona-Blitzumfragen gefüttert wurde: Zum besseren Vergleich zeige ich Ihnen die Entwicklung von Februar dieses Jahres bis heute:

DIHK-Konjunkturradar vom Februar 2020

In diese Auswertung gingen die Antworten aus einer Befragung von rund 25.000 Unternehmen zwischen Mitte Dezember 2019 und Mitte Januar 2020 ein. In diesem Zeitraum spielte die Coronavirus-Pandemie für die deutschen Firmen noch keine Rolle.

Dazu der Kommentar der DIHK: „Anfang 2020 beurteilen 42 Prozent der Unternehmen die eigene Geschäftslage als gut, 46 Prozent als befriedigend und 12 Prozent als schlecht. Das ergibt einen positiven Saldo von 30. Bei den Geschäftsaussichten rechnen 62 Prozent mit plus/minus null, 18 Prozent erwarten eine Besserung, 20 Prozent eine Verschlechterung – ein negativer (Erwartungs-) Saldo von 2.“

DIHK-Konjunkturradar vom Mai 2020

Kommentar der DIHK: „Zwischen Mitte März und Anfang Mai ist in einer Reihe von Branchen unklar, wann und unter welchen Umständen überhaupt wieder gewirtschaftet werden darf. … Die Unternehmen erwarten, dass sich eine bis dahin historisch nur mit dem Platzen der Dotcom-Blase im Jahr 2002 vergleichbare Lage noch weiter verschlechtert. Der Saldo der Geschäftserwartungen rauscht um 44 Punkte ins Minus – ein Absturz.“

DIHK-Konjunkturradar vom Juni 2020

Kommentar der DIHK: „Mehr und mehr Branchen dürfen seit Mitte April den Betrieb wieder aufnehmen. Trotzdem beurteilen 44 Prozent der Unternehmen ihre Geschäftslage als ‚schlecht‘, nur noch 17 Prozent als gut. Das ergibt einen Negativ-Saldo von 27 – der tiefste Wert seit dem Beginn der Datenerhebung im Jahr 1985. …

Rund 42 Prozent der Betriebe erwarten, dass es für sie erst mal so weitergeht wie bisher. 31 Prozent rechnen mit einer Verschlechterung, nur 27 Prozent mit einer Verbesserung. Damit bleibt der Saldo zwischen den Pessimisten und Optimisten negativ – bei minus 4. Die Belebung ist damit zwar in Sicht, aber vorerst kein reales Szenario, sondern nur ein Hoffnungswert.

Weitere Kernaussagen der 4. Corona-Blitzumfrage:

„77 Prozent der deutschen Unternehmen erwarten wegen Corona für 2020 einen Umsatzrückgang“

„50 Prozent der Betriebe rechnen frühestens für 2021 mit einer Rückkehr zur geschäftlichen Normalität“

Creditreform befürchtet Pleitewelle

Schauen wir noch auf eine Einschätzung der Creditreform, die am 15. Juni 2020 veröffentlicht wurde.

„Creditreform ist Deutschlands führender Anbieter von Wirtschaftsinformationen, Marketingdaten und Lösungen zum Forderungsmanagement.“ Das sagt die Creditreform über sich selbst.

Über 128 selbständige Geschäftsstellen werden in Deutschland rund 130.000 Mitgliedsunternehmen (157.000 weltweit) betreut: Industriekonzerne, Banken, Versicherungen, Handwerksbetriebe und Neugründer holen sich dort Rat, um Geschäftsrisiken mit ihren Kunden zu bewerten. Das Unternehmen hilft seinen Mandanten auch dabei, Zahlungseingänge zu überwachen und durchzusetzen.

Laut Creditreform droht Deutschland „eine Insolvenzwelle von bisher nicht gekanntem Ausmaß, falls sich die Wirtschaft nicht rasch von dem durch die Corona-Pandemie ausgelösten Konjunktureinbruch erholt.“ Für 2020 wird ein Anstieg der Firmenpleiten um +20% erwartet.

Im 1. Halbjahr 2020 ging die Zahl der Insolvenzen sogar um -8,9% zurück. „Das Insolvenzgeschehen habe sich damit von der tatsächlichen wirtschaftlichen Situation der Unternehmen abgekoppelt, betonte Ulbricht“, Hauptgeschäftsführer von Creditreform.

Staatlich verordnete Insolvenzverschleppung

Der Grund dafür liegt indes zum einen in den staatlichen Hilfsmaßnahmen, vor allem aber darin, dass die Insolvenzantragspflicht von der Bundesregierung bis Ende September 2020 ausgesetzt wurde und sogar noch bis Ende März 2021 verlängert werden kann!

Dies kommentiert der Creditreform-Chef mit den Worten: „Die Maßnahmen seien offenbar in ihrer Wirkung über das Ziel hinausgeschossen und hätten auch einigen Unternehmen den Gang zum Insolvenzgericht erspart, die schon vor der Krise pleitegefährdet gewesen seien“. Und weiter: „Die Insolvenzwelle sei damit aber nur vertagt worden“.

Einen ähnlichen Effekt gab es übrigens auch bei den Verbraucherinsolvenzen: -6,4% im 1. Halbjahr 2020. Hier ist aber noch kein vergleichbarer Effekt wie bei den Firmenpleiten zu erwarten:

Denn: Verbraucherinsolvenzen werden in der Regel ja durch Arbeitslosigkeit induziert. Und hier wird ein drastischer Anstieg derzeit noch durch die Kurzarbeit künstlich vermieden.

Dazu der Hauptgeschäftsführer der Creditreform, Ulbricht: „Wenn wir wieder eine ausgeprägte Arbeitslosigkeit bekommen, wird auch die Zahl der Verbraucherinsolvenzen früher oder später wieder steigen”.

Fazit

Unser heutiger Ausflug in die wirtschaftliche Realität dürfte Ihnen deutlich gemacht haben: Die Aktienmärkte haben sich von dieser völlig entfernt.

Die 4. DIHK-Blitzumfrage macht sichtbar, wie sich die geschäftliche Lage und die Erwartungen der deutschen Unternehmen abgekühlt haben. Sie offenbart auch das, was ich hier in Chartanalyse-Trends schon mehrfach angesprochen habe:

Die bisher staatlich verordneten Wiedereröffnungsmaßnahmen bieten den Firmen keine Rückkehr in die Normalität! Sie erlaubt den meisten Betrieben gerade einmal eine Umsatzgenerierung, die maximal zum Überleben langt.

Die staatlich verordnete Insolvenzverschleppung – anders kann man das wohl nicht bezeichnen – verschiebt nicht nur die unabdingbare Pleitewelle in die Zukunft. Sie vergrößert faktisch noch die Problematik, weil diese „Zombie-Unternehmen“ (künstlich am Leben gehaltene eigentlich Tote) unsere Wirtschaft zusätzliches Geld kosten und sich spätestens bei Wiedereinführung der Insolvenzantragspflicht zu einem Konkurs-Tsunami aufgestaut haben werden.

Und die Börsen? Die tun derzeit – noch nicht? – das, was ihnen eigentlich zugeschrieben wird: Diese Zukunft abzubilden!