Wie Anleger das Gossensche Gesetz nutzen können
Anleger, die das Gossensche Gesetz kennen, haben sich schon oft vor großen Verlusten schützen können. Ein berühmtes Beispiel war die Telekom-Aktie: Als jeder Deutsche plötzlich die Volksaktie im Depot haben wollte, musste sie doch unendlich nach oben schießen, oder?
Der Markt funktioniert aber manchmal genau entgegengesetzt. Denn wenn es zu viel von etwas gibt, macht sich schnell auch eine gewisse Sättigung bemerkbar. Anleger können daraus einen Nutzen ziehen, wenn sie ein Gespür für einen schwächelnden Markt entwickeln.
Auf Grenznutzen achten
Dann können sie sich aus einem bis dato lukrativen Markt herausziehen und ihre Gewinne mitnehmen. Andere Investoren warten im Gegensatz dazu zu lange und erleben einen Crash, wenn der Markt satt geworden ist. Mit diesem Thema hat sich Hermann Gossen bereits 1854 beschäftigt. Er analysierte, wann Bedürfnisse und Nutzen befriedigt sind und wie sich das auf das menschliche Handeln auswirkt.
Hierbei geht es um den Grenznutzen. Das bedeutet, je mehr Güter es gibt, desto geringer ist der Nutzen eines einzelnen Produktes. Nehmen wir dazu als Beispiel einen Computerhersteller wie Microsoft. Solange der Markt noch nicht mit Computern abgedeckt ist, hat für Anleger die Aktie noch Potenzial. Würde Microsoft ausschließlich PCs verkaufen, wäre der Sättigungseffekt bald erreicht.
Kaum jemand bräuchte noch einen neuen Computer. Vielleicht würde ein alter PC durch einen neuen ausgetauscht werden, aber das auch nur alle paar Jahre. Außerdem gibt es neben Microsoft noch andere Hersteller, bei denen die Kunden kaufen könnten.
Deshalb ist es insbesondere heutzutage so wichtig, dass Firmen immer wieder neue Produkte auf den Markt bringen. Wäre die Konkurrenz wie Apple beim ersten iPhone stehengeblieben, hätte die Aktie kaum einen solchen Höhenflug erlebt.
Dem Sättigungsgesetz Produktinnovationen entgegensetzen
Apple kämpft mit stets neuen Modellen gegen das Sättigungsgesetz an. Die Kunden kaufen immer wieder das aktuellste Produkt, selbst wenn der Vorgänger noch seinen Zweck erfüllen würde. Für Anleger sind besonders solche Unternehmen interessant, die dieses Konzept verstanden haben und erfolgreich umsetzen. Dann erst lohnt es sich, deren Aktien zu kaufen.
Dass dieses Spiel nicht unendlich fortgeführt werden kann, hat Apple ebenfalls bewiesen. Irgendwann war der Markt von Apple gesättigt und die Aktie fiel deutlich zurück. Für Spekulanten gut wissen: Es war nicht unbedingt nötig, sofort bei Apple einsteigen, um Profite zu machen. Der Trend ging mehrere Jahre, bis endlich der Sättigungseffekt erreicht war.
Anleger brauchen also nicht bei jedem Trend sofort aufspringen. Etwas Geduld schützt vor allzu schnellen Verlusten. Das hat man bei Facebook gesehen. Die Aktie fiel sofort in den Keller, obwohl sich die Spekulanten scheinbar um die Wertpapiere rissen.
Einige Zeit später hat es sich dann gelohnt, bei Facebook einzusteigen. Denn selbst, wenn bald die Anzahl der Benutzer kaum noch wesentlich steigen kann, stehen die Möglichkeiten der Monetarisierung erst am Anfang.
Das zweite Gossensche Gesetz
Dieses Gesetz behandelt die Bedürfnisse von Kunden. Wenn diese für ihren Genuss Geld ausgeben, ähnelt sich deren Verhalten nämlich in einem Punkt: Sie achten in der Regel darauf, für ihr Geld und ihre Zeit den maximalen Vorteil zu bekommen. Das zweite Gossensche Gesetz wird auch Genussausgleichsgesetz genannt. Das bedeutet, ein Haushalt kauft nur so viele Produkte, wie er tatsächlich braucht.
Viele Haushalte haben zum Beispiel eine Geschirrspülmaschine. Das ist ein Produkt, das sehr schnell einen Genuss bringt, dieser ist mit dem Geräteerwerb jedoch vollständig abgedeckt. Denn kaum jemand, der bereits eine Geschirrspülmaschine besitzt, wird schließlich eine zweite dazukaufen. Der sogenannte Grenznutzen ist erreicht, sobald eine Maschine in der Küche steht.
Für einen Anleger bedeutet das, dass die Herstellerfirma weitere Einnahmequellen benötigt, damit sich dort ein Investment lohnt. Laut Gossenschem Gesetz wäre das Gegenteil dazu ein Verbrauchsgegenstand wie Reiniger oder Tabs für die Geschirrspülmaschine. Diese werden zahlreich benötigt und müssen immer wieder nachgekauft werden. Der Jahresverbrauch lässt sich einigermaßen abschätzen und sorgt für konstante Erträge.
Aus diesem Grund sind übrigens auch Energieversorger wie RWE und EON so beliebt. Schließlich wird (abgesehen von Solarzellen auf dem Dach) der meiste Strom von diesen Unternehmen gekauft. Dieses Geschäftsmodell ist deshalb für Investoren immer interessant, weil ein Grenznutzen nicht erreicht wird. Das zweite Gossensche Gesetz kommt bei diesen Unternehmen somit nicht zum Tragen.
Das Gossensche Gesetz für Spekulanten
Bevor der Anleger investiert, sollte er sich im Klaren sein, wie das Geschäftsmodell des Unternehmens aufgebaut ist. Das Gossensche Gesetz kann einem dabei helfen, die Unternehmensstruktur zu verstehen. Handelt der Konzern mit Produkten, die man nur einmal alle 20 Jahre kauft oder bietet er auch Service und Verbrauchsgüter an?
Diese Frage müssen Investoren sich stellen und daraufhin abwägen, ob es sich rentiert, Anteile des Unternehmens kaufen. Der Anleger sollte nur dann kaufen, wenn er das Geschäftsmodell verstanden hat und zu dem Ergebnis gekommen ist, dass es sich um eine solide Aktie handelt. Mit Hilfe der Fundamentalanalyse ist es leichter, derartige Entscheidungen zu treffen – vor allem bei langfristigen Investments.
Besonders bei neuen Firmen, die durch die Medien angepriesen und als teuer verkauft werden, ist es ratsam, genau zu analysieren, wie das Unternehmen sein Geld verdient. Manchmal kann es besser sein, in eine solide Aktie mit hoher Rendite zu investieren, als riskante Geschäftsanteile zu kaufen. Die Masse hat zwar oft recht – aber oft nur kurzfristig.