+++ Die kostenlosen Online Live Webinare 2023 - Trading, Finanzen, Geldanlage & Vermögen +++

Carry Trade – Währungswette auf Zins und Kurs

Carry Trade – Währungswette auf Zins und Kurs
welcomia / Shutterstock.com
Inhaltsverzeichnis

Der Aktienmarkt ist groß, der für Anleihen noch größer, doch der mit Abstand größte und liquideste weltweit ist der Devisenmarkt. Tagtäglich werden bis zu 5 Bio. US-Dollar und mehr umgesetzt. Im Forex (Foreign Exchange) Handel spekulieren Investoren nicht nur auf Gewinne durch Kursschwankungen von Währungen. Ein guter Teil der Umsätze geht auf Carry Trades zurück, die auf Zinsdifferenzen setzen und ihrerseits wiederum Währungskurse bewegen, von denen sich dann erneut profitieren lässt. Wie funktioniert ein Carry Trade?

Carry Trades bewegen die Welt

Carry Trades bewegen die Welt. Und das obwohl sie kaum Regeln unterliegen, nicht registriert werden und in keiner Statistik auftauchen. Grund genug, sich deren Funktionsweise anzuschauen. Immerhin kann die Carry Trade-Strategie auch Privatanlegern Chancen bieten, allerdings mit einem beachtlichen Risiko.

Beim Currency Carry Trade, so der vollständige Begriff, spielen unterschiedliche Zinsen die entscheidende Rolle. Damit unterscheidet sich dieses Spekulationsgeschäft grundlegend vom regulären Devisenhandel, bei dem direkt auf Kursdifferenzen verschiedener Währungen gewettet wird.

Der reguläre Handel folgt dem simplen Grundgedanken, dass man mit einer starken Währung wie dem Schweizer Franken zum Beispiel einen schwachen japanischen Yen kauft, in der Erwartung, dass dieser bald steigt, um ihn dann mit Kursgewinn teurer zu verkaufen. Die meisten Privatanleger nutzen zum Wettlauf zweier Währungen Instrumente wie Zertifikate, Optionsscheine oder CFDs (Certificates for Difference). Dieses Basisgeschäft, das den Löwenanteil der Umsätze an den Devisenmärkten ausmacht, ist in der Regel sehr schnelllebig, mit kurzen Zeithorizonten.

Mit Billigkredit hochverzinste Währung kaufen

Anders beim Carry Trade. Auch hier werden Währungspaare gegenübergestellt und Kursschwankungen genutzt, doch das Ganze läuft über den Umweg von Zinsdifferenzen: Man nutzt beim Carry Trade niedrige Zinsen der einen Währung für einen billigen Kredit und kauft mit dem geliehenen Geld eine andere Währung mit höheren Zinsen – in der Regel Zinspapiere, also Anleihen.

Das Kalkül ist, dass mit den höheren Zinseinkünften nach Rückzahlung des Kredits noch ein Gewinn verbleibt. Wenn genügend Investoren, meist Hedgefonds, dieses Spiel betreiben und in der Folge die zumeist schwächere Währung mit den höheren Zinsen durch die Nachfrage stärker wird, entstehen zudem Kursdifferenzen mit Gewinnchancen. Da Zinsen und Devisenkurse zusammenhängen, lassen sich zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen.

Im Grunde wird bei dem Carry Trade eine Währung verkauft, um damit eine andere zu kaufen. Diese Feststellung ist für die Position von Bedeutung, die ein Anleger beim Carry Trade im Forex-Handel einnimmt. Angenommen man wählt die beiden Währungen Euro/US-Dollar. Immerhin bestand bis Mitte 2019 zwischen den Nullzinsen im Euroraum und den 2,5% im oberen Korridor des US-Dollar ein attraktiver Zinsunterschied.

Dann wird eine Summe in Euro zum Kauf von US-Dollar zwar geliehen aber als Gegenseite zunächst verkauft. Folglich nimmt man damit eine Short-Position ein – man setzt auf niedrige Zinsen und geht nicht von einer Steigerung aus, wie beim US-Dollar. Mit der umgekehrten Strategie wäre man auf der Käuferseite und damit in der Long-Position.

Beispiel im Forex-Handel

Das ist ähnlich wie beim Leerverkauf von Aktien, die man sich im Short-Handel zur Spekulation auf fallende Kurse leiht. Auch mit dem Euro-Kredit bietet man dem Markt eine Summe an, die man nicht besitzt. Wenn man mit ihr in US-Dollar investiert, hat man die Position so lange offen bis man eine Gegenposition eröffnet und die zuvor verkaufte Summe in Euro zur Kredittilgung wieder ankauft.

Ein weiterer Aspekt: Im Forex-Handel werden die meist hohen Summen in Lotgrößen angegeben. Ein Lot entspricht 100.000 Euro. Möglich wäre auch ein Mini-Lot zu 10.000 Euro oder ein Micro-Lot zu 1.000 Euro. Geht man nun von einem Lot aus sowie einer offenen Short-Position (Euro) über zwölf Monate, so würde sich der Zinsgewinn zwischen 0% beim Eurodarlehen und 2,5% beim US-Dollar auf insgesamt 2.500 Euro belaufen. Im Idealfall ist inzwischen auch der Kurs der US-Dollar gestiegen, sodass der Kursgewinn hinzukommt. Erheblich attraktiver ist es, wenn über Hebel gehandelt wird, mit denen sich der Ertrag vervielfacht.

Im Gegenzug muss dafür aber eine Margin hinterlegt werden. Zudem ist alles andere als sicher, dass das Jahr über die Zinsen und Wechselkurse weitgehend gleich bleiben. Zwar gibt es Risikobegrenzer wie Festzinsen oder Terminmarktgeschäfte, doch damit entstehen Zusatzkosten, die nicht unerheblich am erwarteten Ertrag nagen. Abgesehen davon können unvorhergesehene politische Entscheidungen oder Zinsinterventionen der Zentralbanken die Bedingungen von heute auf morgen ändern.

Erhebliche Risiken beim Carry Trade

Laufen dann Zinsen und Kurse in die falsche Richtung, werden Carry Trader ihre Positionen reihenweise schließen und eine Flucht in die zuvor schwächere Währung auslösen. Solche Notverkäufe verursachen ausgeprägte Kurssauschläge. Ein krasses Beispiel ist der Oktober-Crash 2008, als der zuvor attraktiv schwache Yen in wenigen Tagen um 10% anstieg. Aus Furcht, den billigen Yen-Kredit teuer zurückzahlen zu müssen, stiegen alle zur Verlustbegrenzung aus und mussten dabei Yen aufkaufen, was den Kurs immer weiter trieb.

Selbst wenn dies eher selten ist, so verursachen Hedgefonds, die sich im großen Stil auf Hochzinsländer stürzen, ungute Spekulationsblasen. Damit erklären sich unter anderem ungewöhnliche Aufwertungen etwa von lateinamerikanischen Währungen, die nur wegen ihrer Zinsen zur Spekulation gekauft wurden. Als Privatanleger sollte man sich allenfalls auf stabile Länder mit sicheren Anleihen konzentrieren, wie beispielsweise Deutschland und die USA.

Wer attraktive 30-jährige US-Staatsanleihen kauft, könnte mit der Zinsdifferenz von fast 2,5% bis zum Ende der Laufzeit auch einen signifikanten Anstieg des Euro verkraften, ohne Verluste zu riskieren. An extremen Kursdifferenzen haben weder die Fed noch die EZB ein Interesse.

Dass sich beim Währungspaar Euro/US-Dollar Carry Trades in der Vergangenheit als profitabel erwiesen haben, zeigt eine der wenigen Auswertungen der Bundesbank zu diesem Thema. Ab Einführung des Euro im Jahr 1999 bis 2005 wird von einer durchschnittlichen jährlichen Rendite um die 15% ausgegangen. Damals waren die US-Zinsen ähnlich hoch wie zuletzt bis Sommer 2019. Und als in der Finanzkrise die Zinsen zur Wirtschaftsstimulation reihenweise auf Null gesetzt wurden, versiegten die Aktivitäten der Carry Trader – außer Schwellenländern gab es keine Zinsdifferenzen mehr.

Damals fielen auch Carry Trade ETFs in den Keller. Indexfonds gibt es nämlich für Privatanleger ebenso wie Zertifikate auf eigens aufgelegte Indizes mit Währungen verschiedener Ländergruppen.