Trotz Brexit: Großbritannien besorgt sich billigeres Anleihegeld

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In der Zeit vor dem Brexit war es einhellige Meinung, dass britische Staatsanleihen schon wegen der Top-Ratings für Großbritannien zwar ein sicherer Hafen sind, aber bei der niedrigen Verzinsung am Ende nicht viel bringen.

Das war vor gut drei Jahren. Danach zogen die Renditen an – letzten Juni waren es 0,863%. Die Papiere galten als ähnlich sicher wie Bundesanleihen, die allerdings im besten Fall ein Nullsummenspiel sind.

Britische Staatsanleihen sind trotz Brexit gefragt

Als sich dann abzeichnete, dass die EU-Gegner Oberhand gewinnen, kam Unruhe auf. Die Bank of England (BoE) versuchte, Unsicherheiten gegenzusteuern. Angekündigt wurde der Ankauf britischer Staatsanleihen, also eine Ausweitung des Quantitative Easing. Außerdem sollten die Banken in die Lage versetzt werden, die Wirtschaft verstärkt mit Krediten zu versorgen.

Auf den Brexit folgte zunächst ein herber Schlag. Die Ratingagenturen Standard & Poor´s sowie Fitch entzogen Großbritannien die bisherige Bestnote. Doch trotz der Herabstufung in Sachen Kreditwürdigkeit auf AA waren die Staatspapiere auf der ersten Versteigerung nach dem Referendum überraschend stark gefragt. UK-Bonds mit einer Laufzeit bis Januar 2021 waren 1,8-fach überzeichnet, und das bei relativ magerer Rendite.

Die lag bei 0,377% als der Versteigerungshammer fiel. Der Run auf britische Staatsanleihen hielt auch im anschließenden freien Handel an. Damit kann sich der Staat sogar billiger mit Geld versorgen als zuvor.

Leitzinssenkung, Geldflutung und Deregulierung

Die nun niedrigere Effektivverzinsung ist wohl als Folge der angekündigten und eingeleiteten Maßnahmen zu sehen, mit denen Großbritannien unter allen Umständen für Stabilität sorgen will: Leitzinssenkung, lockere Geldpolitik und ein Aufweichen der Kapitalregeln für britische Banken.

Gleichzeitig ist die Situation zumindest insofern bemerkenswert, als üblicherweise eine schlechtere Bonität auch höhere Anleihezinsen mit sich bringt. Hinzu kommt die Betrachtung der Staatsverschuldung. Innerhalb der letzten 10 Jahre stieg sie von 587 Mrd. Pfund auf 1,71 Billionen und beträgt nun 90,6% des Bruttosozialprodukts. Dieser Wert liegt nur 3% unter dem von Frankreich, dessen Anleihen jedoch noch niedriger rentieren. Hier allerdings ist die Schuldenkurve viel flacher.

Entscheidend ist letztlich, wie der Markt reagiert. In Großbritannien jedenfalls ging die Rechnung zunächst mal auf. Bleibt die Frage nach den weiteren Aussichten. Die Ratingagenturen zumindest stufen sie als negativ ein. Tatsächlich ist zu vieles unklar und im Fluss, zum Teil aber auch konzeptlos.

Verschuldete Insel will Steuerparadies werden

Hatte beispielsweise Finanzminister Osborne zunächst mit Blick auf die steigende Verschuldung Steuererhöhungen für unvermeidlich erklärt, machte er Tage später eine Kehrtwende und verkündete Steuersenkungen für Unternehmen. Die Körperschaftssteuer soll von 20% auf unter 15% sinken. Damit wäre das Land ein Steuerparadies unter den großen Volkswirtschaften. Osborne will einen Wegzug von Unternehmen bremsen und neue anlocken.

Der Leitindex FTSE50 legte dann auch nach einem ersten Absturz infolge des Votums überraschend kräftig zu. Insofern hat sich der Aktien- und Anleihemarkt bislang viel besser behauptet, als befürchtet. Völlig offen ist jedoch unter anderem, ob das gewagte Kalkül aufgeht, mit Steuersenkungen einen derartigen Wirtschaftsschub zu zünden, dass dessen Einnahmen die hohen Steuerausfälle ausgleichen.

Und wenn, dann geschieht das nicht in kurzer Zeit. Der Staat müsste eine ganze Weile vorfinanzieren und weitere Schulden anhäufen.

Aus Anlegersicht bieten britische Staatsanleihen zwar bei immer noch guter Bonität deutlich mehr als Bundespapiere. Doch angesichts der unklaren Zukunft besteht die Gefahr von Zinsänderungen. Steigen sie, lassen sich aktuell laufende Papiere nur mit Verlust verkaufen.

Eine Alternative wären eher Staatsanleihen mit Renditen über 1% aus Norwegen oder den USA. Beide Länder haben dazu Bestnoten. Und das Währungsrisiko ist auch nicht geringer als das im Falle Großbritanniens.