Kataloniens Unabhängigkeit: Folgen für die Wirtschaft wären immens
Noch bis vor kurzem konnten Anleger von der wirtschaftlichen Erholung Spaniens profitieren. Der private Konsum zog an, das Wirtschaftswachstum lag 2016 bei rund 3 % und vom Sommer letzten Jahres an kletterte der Leitindex IBEX 35 bis im Mai auf 11.135 Punkte. Doch dann zeigte die Diskussion um eine Unabhängigkeit Kataloniens Folgen: Der IBEX 35 begann nachzugeben.
Gravierende Folgen einer Unabhängigkeit Kataloniens
Bis zur Abstimmung über die Loslösung von Spanien konnte er sich noch deutlich über der Marke von 10.000 Punkten halten, rutschte dann aber ab. Seitdem herrscht Unsicherheit. Die möglichen Folgen einer Unabhängigkeit Kataloniens sind schwer abschätzbar. Und schon werden kursierende Szenarien von der Realität überholt.
Zum Beispiel die Vorstellung, dass Katalonien als prosperierender Kleinstaat mit seiner hoch entwickelten Industrie quasi automatisch zum iberischen Vorzeigeland würde, das alle anderen überholt. Bislang steht die Region für gut 20 % der spanischen Wirtschaftsleistung. Die Exportstärke allerdings erklärt sich zum Großteil mit dem europäischen Binnenmarkt. Und eine der ersten Folgen einer Unabhängigkeit wäre: Katalonien fällt aus der EU.
Eine neue Mitgliedschaft aber würde die Anerkennung als eigener Staat voraussetzen. Dazu ist derzeit kaum ein Land bereit. Die EU schon gar nicht. Das liegt nicht nur daran, dass es sich Brüssel nicht mit Madrid verderben wird. Anders als beim Brexit-Referendum fehlt dem jüngsten Referendum die rechtliche Basis. Zudem lag die Beteiligung bei nur 42 %. Wenn sich in einem nicht bindenden Votum weniger als die Hälfte der Bevölkerung zu 90 % für eine Abspaltung begeistert, so ist das eher ein Stimmungstrend.
Unternehmen packen die Koffer
Dennoch wird er ernst genommen. So gingen kurz nach der Abstimmung spanische Aktien teils extrem unterschiedliche Wege. Das Pharma- und Chemieunternehmen Grifols aus Barcelona etwa verzeichnete deutliche Kursverluste, während die Biotech-Schmiede Oryzon Genomics eins ums andere zulegte. Der Grund: Anders als Grifols verlagert Oryzon Genomics seinen Sitz nach Madrid.
Dem Beispiel folgt nun die viertgrößte spanische Bankengruppe Banco Sabadell und zieht von Barcelona nach Alicante. Auch andere sitzen in den Startlöchern, denn sie haben wenig Interesse, vom Sog ungeklärter Verhältnisse erfasst zu werden. Allein die Querelen zwischen Großbritannien und der EU schrecken ab.
Das Barcelona Centre for International Affairs warnt bereits vor einem Exodus. Auch deutsche Unternehmen arbeiten an einem Plan B. Von BASF und Bayer bis zur VW-Tochter Seat und Siemens sitzen über die Hälfte der 1.600 in Spanien präsenten Firmen in Katalonien.
Für die deutsche Exportindustrie geht es um rund 14 Mrd. €. Das sind gut 40 % aller Ausfuhren nach Spanien. Umgekehrt werden Waren im Wert von 7,5 Mrd. € aus Katalonien importiert. Ein Wegfall der Zollfreiheit würde erhebliche bürokratische Hürden und Kosten nach sich ziehen.
Ratingagenturen geben Negativsignal
Katalonien mag die dynamischste Region Spaniens sein und die Regierung in Madrid an einigen Punkten zu Recht kritisieren. In einer Hauruck-Ablösung werden aber auch Firmen wie Amazon und Carrefour abwandern und neue Probleme entstehen. Die Ratingagentur Standard & Poor´s hat derweil Katalonien auf die Negativliste gesetzt. Eine Abstufung der Kreditbewertung würde die Finanzierung Kataloniens verteuern. Entschieden wird Ende des Jahres.
Eine entscheidende Sperre auf dem Weg zum unabhängigen und anerkannten Staat wird sein, dass außer Spanien auch Italien oder Frankreich keinen Präzedenzfall wünschen. Denn die Unabhängigkeit Kataloniens könnte zur Folge haben, dass andere Regionen dem Beispiel folgen wollen. Am Übergreifen derartiger Bestrebungen haben weder Rom noch Paris Interesse.