Schweden bald ohne Bargeld – ein offenes Experiment

Die Meldungen häufen sich: Erste Coffeeshops in Berlin nehmen kein Bargeld mehr entgegen. Zahlung nur noch elektronisch. Was hierzulande noch die Ausnahme darstellt, ist etwa in skandinavischen Ländern längst üblich. Mehr noch: Schweden will Bargeld sogar abschaffen. Angeblich plant das Land den Ausstieg einige Jahre früher als ursprünglich vorgesehen. Ab 24. März 2023 gehört Bargeld in Schweden der Vergangenheit an.
Bargeld in Schweden schon länger die Ausnahme
Damit dürften die Skandinavier in Sachen Geld wieder einmal Geschichte schreiben. War doch die Bank von Stockholm die erste Notenbank der Welt, die zudem 1661 in Europa die ersten Banknoten ausgab – damals noch zu Anfang mit mäßigem Erfolg. Es brauchte einige Jahre bis das Vertrauen in das neue Zahlungsmittel wuchs. Erst 1705 kamen Geldscheine auch in Deutschland auf. Bargeld, das es in seiner Urform als Münze zu der Zeit seit über 2.000 Jahre gab, erlebte eine bahnbrechende Erweiterung, die zur Intensivierung des Handels und der Industrialisierung beitrug.
Und heute passt elektronisches Bezahlen offenbar besser zur Digitalisierung von Industrie und Gesellschaft. Die Vorteile im Leistungsaustausch zwischen Privatpersonen, Gewerbe und Dienstleister sind schnell genannt: Keine Kosten für Herstellung oder Transport von physischem Geld, Beträge werden exakt und ohne Suche nach Wechselgeld beglichen und Diebstahl von Bargeld ist genauso wenig möglich wie der Raubüberfall auf Banken und Geldtransporter.
In Schweden sind Münzen und Scheine schon seit Jahren auf dem Rückzug. Selbst Kleinstbeträge am Kiosk, Spenden in der Kirche, Museumseintritt, Busse, Bahnen oder Toiletten – überall wird mit Karte bzw. mit dem Handy bezahlt. Soweit ist kein anderes Land weltweit. Bargeld wird erst gar nicht mehr angenommen und ist aus dem Alltag weitgehend verschwunden. Da erscheint der Schritt zur Abschaffung nahezu zwangsläufig.
Kontozwang und Transparenz mit Nachteilen
Apple-Pay, Google-Pay oder Paypal freuen sich natürlich genauso wie der Zahlungsabwickler Wirecard, wenn nichts mehr ohne sie geht. Auch Banken und einige Ökonomen betonen gerne, dass Bargeld zu Korruption, Schwarzgeld, Geldwäsche und auch dazu führt, dass in Krisenzeiten Menschen ihr Geld lieber horten als es in Umlauf zu bringen. Wer auf ein Konto angewiesen ist, weil er kein Bargeld mehr abheben kann, hat keine Möglichkeit, Negativzinsen auszuweichen. Damit entsteht Druck, mehr auszugeben.
Dass dies hierzulande eher als Eingriff in die Handlungsfreiheit gesehen wird, interessiert die Schweden weniger. Auch haben sie offenbar weniger Probleme mit der totalen Transparenz und Nachvollziehbarkeit von Verhaltensprofilen. Vor allem gegenüber Behörden und Staat ist der Argwohn traditionell geringer. Weniger nachvollziehbar ist, dass die ansonsten in Sachen Diskriminierung sensible schwedische Gesellschaft in Kauf nimmt, ältere Menschen, Obdachlose oder Staatenlose ohne Kontozugang ins Aus zu drängen.
Auch wenn die Einführung eines Bargeldlos-Systems mit digitaler Währung im überschaubaren, stabilen Schweden mit kleineren Reibungsverlusten gelingen kann, so wäre es in weniger demokratischen Ländern allein durch die totale Überwachungsmöglichkeit ein ideales Mittel zur Unterdrückung oppositioneller Kräfte. Abgesehen davon entstehen mitunter ungewollte Parallelwährungen. Auch ist zu bedenken, dass das Netz nicht völlig sicher vor digitalen Räubern, sprich Hackern, ist.
Sofern das System aber reibungslos läuft, scheinen Verbraucher nach ersten Erfahrungen tendenziell mehr Geld auszugeben. Offenbar ist es ein Unterschied, wenn man etwas mit Wert aus der Hand gibt. In Deutschland zumindest wird Bargeld unverändert als hohes Gut und Symbol von Handlungsfreiheit gesehen. Daran ändert auch die Tatsache nichts, dass sich in diesem Jahr Bargeld und elektronische Transaktionen bereits die Waage halten. Bargeldloses Bezahlen wird beliebter.
Bargeld als Ausdruck von Bürgerrecht
Manche Politiker fühlen sich allerdings dadurch ermuntert, zur Kriminalitätsbekämpfung neue Bargeldobergrenzen zu fordern. Seitens der SPD wurde unlängst ein Limit von 5.000 Euro ins Gespräch gebracht. Das Ganze mit dem zutreffenden Hinweis, dass sich durch zunehmende Beschränkungen in anderen Ländern das kriminelle Milieu auf Deutschland konzentriert. Letztendlich aber führt diese Dynamik in ihrer Logik unweigerlich zum Bargeldlos-System nach schwedischem Vorbild.
Aktienanleger haben die Entwicklung bereits hinter sich. 2017 war Schluss mit den traditionellen gedruckten Aktien in Papierform. Alte Tafelpapiere mussten zur Bank gebracht und im Depot gutgeschrieben werden. Von da ab gab es keine Möglichkeit mehr, sich der automatischen Abgeltungssteuer zu entziehen. Da aber gesamtgesellschaftlich ein erheblicher Unterschied zwischen Papieraktien und Papiergeld besteht, überlegt beispielsweise die Regierung in Österreich, ein Recht auf Bargeld in der Verfassung zu verankern.
Unter Abwägung aller Vor- und Nachteile bleibt es schlicht das demokratischere Zahlungsmittel. Die Bedeutung von Bargeld im Haus mussten nicht zuletzt die Griechen erfahren, als 2015 in der Bankenkrise Kapitalverkehrskontrollen Geldüberweisungen auf ein Minimum reduzierten.