Warum sich Delivery Hero nicht zu sicher sein darf

Delivery Hero wird seit heute im DAX gehandelt. Dies entspricht den Regeln. Doch weitere Kandidaten drängen nach. (Foto: Mano Kors / shutterstock.com)
Die Entrüstung ist allenthalben groß. Der internationale Online-Bestelldienst Delivery Hero wurde heute in den Deutschen Aktienindex aufgenommen. Das Unternehmen übernimmt im deutschen Börsenleitindex den Platz des Zahlungsdienstleisters Wirecard, der nach einem milliardenschweren Bilanzskandal insolvent ist.
Entrüstung überall
Möglich macht die heutige Indexaufnahme eine von der Deutschen Börse beschlossene Regeländerungen. Nach Befragung von Kapitalmarktprofis haben die Verantwortlichen der Deutschen Börse entschieden, dass insolvente Indexmitglieder auch außerhalb der regulärer Verkettungstermine aus einem Auswahlindex der Deutschen Börse entfernt werden dürfen. Nur deshalb musste Wirecard nun den DAX mit heutiger Wirkung verlassen. Ohne die Einführung der neuen Regel wäre der Wechsel erst zur nächsten regulären Überprüfung der Indizes am 3. September beschlossen und zum 21. September umgesetzt worden.
Entrüstet sind viele Kapitalmarktexperten nicht nur, weil mit Delivery Hero ein Unternehmen in den DAX aufgenommen wird, das sein Deutschlandgeschäft an den Wettbewerber Just Eat Takeaway veräußert hat und somit sämtliche Erträge im Ausland erwirtschaftet werden. Geradezu ungehalten sind viele Investoren, weil das Berliner Unternehmen bislang noch keinen einzigen Euro Gewinn erwirtschaftet hat. Und dass sich daran, wenn man den Managementprognosen glauben darf, für geraume Zeit wenig ändern wird.
Aufnahme klar reguliert
Dabei spielen weder die regionale Umsatzaufteilung noch die Ertragslage bei der Aufnahme in einen Auswahlindex der Deutschen Börse eine Rolle. Ausschlaggebend dafür, ob ein Kandidat in den DAX aufgenommen wird, sind allein die beiden Kategorien Free-Float-Marktkapitalisierung und Börsenumsatz. Mit der ersten Kategorie will die Deutsche Börse AG, die allein die Regeln für die Auf- oder Entnahme in einen Auswahlindex vorgibt, verhindern, dass Töchter von Großkonzernen ohne ausreichenden Streubesitz (englisch „Free Float“) in den DAX aufgenommen werden.
Mit der zweiten Kategorie soll liquiditätsarmen Titeln, die im Grunde gar nicht gehandelt werden, trotz ihrer möglicherweise hohen Marktkapitalisierung der Zutritt in die Börsenelite verweigert werden. Weitere Kategorien, wie sie in anderen Ländern durchaus gang und gäbe sind, hat die Deutsche Börse in ihren Allgemeinen Geschäftsbedingungen bedauerlicherweise nicht aufgenommen.
Bis ins Detail
Gemäß der Regular-Entry-Regelung wird ein Kandidat in den DAX aufgenommen, wenn er in beiden Kategorien mindestens auf Platz 30 der Rangliste zu finden ist, aber nur, wenn es zugleich ein bestehendes DAX-Mitglied gibt, das in beiden Kategorien auf Platz 35 oder schlechter eingestuft wird. Um zu vermeiden, dass einmalige Tagesschwankungen eine Aktie über diese Schwelle hieven, kommt es beim Handelsvolumen auf den Durchschnitt der vergangenen zwölf Monate an. Bei der Marktkapitalisierung wird dagegen ein Durchschnittswert nur der vergangenen 20 Handelstage ermittelt.
Weil Wirecard nach seinem beispiellosen Kursabsturz in beiden Kategorien nur noch unter ferner liefen rangiert, bringt die Aufnahme von Delivery Hero in den DAX eine Reihe weiterer Veränderungen in den Indizes der DAX-Familie mit sich. So steigt das Halbleiterunternehmen Aixtron vom SDAX in den MDAX auf, der im SDAX frei werdende Platz wiederum wird von Hornbach Baumarkt gefüllt. Weil Wirecard auch den Technologieindex TecDAX verlassen muss, freut sich der Laserspezialist LPKF Laser & Electronics, der als Nachfolger in den Technologieindex aufgenommen wird.
Spekulieren Sie nicht auf einen Verbleib im DAX
Sie sehen, die Insolvenz von Wirecard zieht weitere Kreise, als man sich das vor kurzem vorstellen konnte. Zumal der Verbleib von Delivery Hero im DAX alles andere als sicher ist. Da ist zum einen der Aromenspezialist Symrise, der sich aktuell auf Platz 25 der Free-Float-Marktkapitalisierung und auf Platz 38 des Börsenumsatzes rangiert. Oder Zalando, in punkto Marktkapitalisierung auf Platz 28 und beim Börsenumsatz auf Rang 40. Langfristig könnte auch der Versicherungskonzern Hannover Rück Frage kommen, der sich hinsichtlich der Marktkapitalisierung auf Platz 33 und nach dem Börsenumsatz auf Platz 39 befindet.
Weil es bei Delivery Hero so knapp ausgefallen ist, könnten schon leichte Veränderungen der Kurse über einen Auf- oder Abstieg in den DAX entscheiden. So könnte es für Delivery Hero auch bald heißen: Bye-bye DAX.
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