Wegen fehlendem Netzteil: Apple verliert gegen brasilianischen Kläger
Wer einmal ein iPhone besitzt, bleibt der Marke häufig treu. Mit jedem neu gekauften Smartphone gab es zudem ein neues Netzteil und einen Gratissatz Kopfhörer – bis 2020.
Apple argumentiert mit Umweltschutz
Damals entschied sich Apple dazu, das Basiszubehör aus dem Standard-Lieferumfang zu streichen. Zur Begründung verwies das Unternehmen damals auf Umweltschutzaspekte: Weil Netzteile älterer Geräte weitergenutzt werden könnten, ließe sich dadurch die überflüssige Produktion vermeiden. Durch die schlankeren Verpackungsboxen könne zudem bei der Logistik gespart werden, weil mehr iPhones pro Palette transportiert würden.
Müllvermeidung, Materialschonung und eine Reduzierung klimaschädlicher Emissionen durch den Transport waren also der grüne Anstrich, mit der das Unternehmen versuchte, eine für Kunden eher unbequeme Entscheidung schmackhaft zu machen.
Versteckte Preiserhöhung
Was dagegen weitaus weniger betont wurde: die versteckte Preiserhöhung. Denn der Verkaufspreis für das iPhone wurde keineswegs reduziert aufgrund des geringeren Lieferumfangs. Stattdessen müssen Kunden nun sogar noch draufzahlen, wenn sie das Zubehör separat kaufen möchten.
Während man auf einen Kopfhörer unter Umständen noch verzichten kann, ist das Netzteil essenziell für den Gebrauch des Geräts. Ansonsten währt die Freude am iPhone nur für die Dauer einer Akkuladung. Zwar können tatsächlich viele Kunden auf zuhause bereits vorhandene Geräte zurückgreifen – aber eben nicht alle.
Brasilianisches Gericht bestätigt verbotenes Koppelgeschäft
Zu Apples Philosophie zählt es schließlich auch seit jeher, eigene Standards durchzusetzen und dabei möglichst wenig kompatibel zu sein mit Produkten konkurrierender Anbieter. Während Nutzer von Smartphones anderer Hersteller ihre Ladegeräte oftmals untereinander tauschen und somit kurzfristig aushelfen können, braucht man für Apple-Geräte stets spezielle Anschlüsse. Wer also nach der Änderung von 2020 sein erstes iPhone kauft, ist de facto gezwungen, das passende Netzteil dazu separat zu erwerben.
Ein Apple-Kunde aus Brasilien zog deswegen gegen Apple vor Gericht – und gewann. Die Juristen erkannten in der Praxis ein sogenanntes Koppelgeschäft, weil auf den Kauf von Gerät A (in diesem Fall: das iPhone) unweigerlich der Kauf von Gerät B (in diesem Fall: das Netzteil) folgen müsse, um Gerät A (also das iPhone) tatsächlich nutzen zu können.
Klagender Kunde erhält Schadenersatz im vierstelligen Bereich
Ein solches Koppelgeschäft ist in Brasilien durch ein entsprechendes Verbraucherschutzgesetz verboten. Demnach ist es nicht erlaubt, in dem Land das Smartphone getrennt vom Ladegerät zu verkaufen. Dem klagenden Kunden wurde ein Schadenersatz in vierstelliger Höhe zugesprochen.
Ob es bei einem Einzelfall bleibt oder weitere Kunden in Brasilien dem Beispiel folgen werden, bleibt abzuwarten. Sollten die iPhone-Nutzer nun massenweise vor Gericht ziehen, könnte es unterm Strich teuer werden für den Kultkonzern aus Cupertino.
Grund zur Sorge – aber nicht für Anleger
Grund zur Sorge wäre das möglicherweise auch für die Konkurrenz: Auch Samsung plant, seine Smartphones künftig ohne Netzteil auszuliefern. Kein Grund zur Sorge hingegen wäre es wohl für Anleger, die Apple Aktien besitzen. Zwar hat das Papier seit Beginn des Jahres gut 10 Prozent an Wert eingebüßt, doch damit fällt das Minus noch vergleichsweise überschaubar aus. Andere Tech-Werte gerieten in den vergangenen Monaten deutlich heftiger unter Druck, die US-Technologiebörse Nasdaq hat seit dem Jahreswechsel rund 25 Prozent verloren.
Das Zahlenwerk für das Auftaktquartal fiel bei Apple noch gut aus, allerdings stimmt der Ausblick vorsichtiger: Wegen der anhaltenden Chipkrise und der sich verschärfenden Lieferkettenprobleme rechnet inzwischen auch Apple zunehmend damit, ausgebremst zu werden von der Gesamtlage an den globalen Märkten.
Analysten fürchten um Auswirkungen von Lieferkettenproblemen
Entsprechend positionierten sich auch Analysten nach Vorlage der jüngsten Quartalsbilanz etwas zurückhaltender. Analysten der US-Investmentbank Goldman Sachs, der britischen Barclays Bank oder auch der Schweizer Credit Suisse raten derzeit lediglich zum Halten der Apple Aktie. Die Kursziele sehen die genannten Experten zwischen 157 Dollar und 169 Dollar.
Optimistischer zeigten sich die Schweizer UBS und die US-Großbank JP Morgan, die ihre Kaufempfehlungen mit Kurszielen von 185 beziehungsweise 200 Dollar garnierten. Zuletzt kostete die Apple Aktie rund 150 Dollar und hätte damit selbst nach Einschätzung der pessimistischeren Analysten noch das Potenzial zum weiteren Kursanstieg.