Microsofts Milliardenangriff auf Activision Blizzard wirbelt Spielebranche durcheinander
Die Meldung vor wenigen Tagen war ein Paukenschlag: Microsoft steht vor einer Mega-Übernahme und will für insgesamt 68,7 Milliarden Dollar das Computer- und Videospielunternehmen Activision Blizzard schlucken. Das wäre der größte Deal der kompletten Firmengeschichte. Der bisher größte Zukauf war das Karrierenetzwerk Linkedin, für das Microsoft im Jahr 2016 mehr als 26 Milliarden Dollar zahlte. Erst im vergangenen Jahr kündigte der Konzern die 16 Milliarden Dollar teure Übernahme von Nuance an, einem Spezialisten für Spracherkennungstechnologie.
Lohnen dürfte sich der Activision-Deal langfristig trotzdem. Das Gaming-Segment gilt unter Experten als der am stärksten wachsende Unterhaltungsbereich vor Filmen und Musik.
Fest steht, mit dem Deal kommt es zu einer deutlichen Verschiebung der Kräfte auf dem Spielemarkt. Das lässt auch die Kursreaktion der Aktie des Spielegiganten Sony vermuten. Seit die Übernahmeofferte auf dem Tisch liegt, hat Sony rund 20 Milliarden Dollar an Marktwert eingebüßt.
Microsoft bietet 95 Dollar pro Aktie
Nun zu den Fakten: Der Softwareriese Microsoft legt 95 Dollar in bar je Activision Blizzard-Aktie auf den Tisch. Das entspricht einem Marktwert von 68,7 Milliarden Dollar. Entsprechend offeriert Microsoft eine Prämie von 45% auf den Schlusskurs vor der Übernahmemeldung.
Dennoch ist das Timing der Offerte gut geplant. Der Activision Blizzard-Kurs stand in den letzten Monaten deutlich unter Druck. Staatliche Untersuchungen wegen flächendeckender sexueller Missbrauchsvorfälle und zahlreiche Entlassungen sorgten nicht nur für ein PR-Desaster, sondern ließen auch den Marktwert von Activision um beinahe 30% in den Keller rauschen.
Metaverse im Blick
Die Transaktion soll laut Microsoft-Firmenchef Satya Nadella die Fähigkeiten des Konzerns im „Metaversum“ erweitern. Dahinter verbirgt sich eine aufkommende digitale Parallelwelt, die als das nächste große Ding im Computerbereich angesehen wird. Das ist eine Art virtuelle Erweiterung der Realität, in der Menschen gemeinsam Spiele spielen, Filme schauen, zusammenarbeiten und sich virtuell besuchen.
Streaming von Computerspielen gewinnt an Bedeutung
Microsoft gehört zu den Plattformanbietern, die versuchen, Spiele-Streaming im Markt zu etablieren. Die Spiele laufen dabei technisch nicht auf den Geräten der Nutzer, sondern auf Servern im Netz. Das Modell bietet die Aussicht auf fortlaufende Abo-Einnahmen statt des einmaligen Verkaufs einer Konsole. Die beliebten Activision-Spieletitel sollen Microsoft zudem helfen, das eigene Angebot für die Xbox-Konsole zu erweitern und besser mit der Playstation des Rivalen Sony zu konkurrieren. Das wichtigste Activision-Spiel „Call of Duty“ wurde durch Microsofts Online-Plattform Xbox Live erfolgreich, die es Spielern ermöglicht, sich für Matches zu verbinden.
Activision stark im Mobile-Gaming
Eine weitere Begründung für die Übernahme dürfte die starke Position von Activision im Bereich Mobile Games darstellen. Zum Hintergrund: Zu Activision Blizzard gehört die Mobilspielabteilung King, die das US-Unternehmen selbst 2016 für 6,9 Milliarden Dollar gekauft hat. Schon vor Jahren haben Mobilspiele den meisten Umsatz zu Activision Blizzards Geschäftsergebnissen beigetragen, der Trend zum mobilen Zocken setzte sich bis heute fort. Mobile Games wie „Candy Crush“ und „Bubble Witch Saga“ gehören zu den Sahnestücken der Übernahme.
Alleine in Deutschland wurden 2021 fast 2,3 Milliarden Dollar mit Mobilspielen umgesetzt, 500 Millionen Dollar mehr als mit Konsolen. Weltweit haben laut der Analysefirma SensorTower im vergangenen Jahr acht Spiele mehr als eine Milliarde US-Dollar Umsatz erzielt, darunter auch „Candy Crush“.
Insgesamt kam Activision Blizzard gruppenweit in den letzten vier Quartalen auf einen Umsatz von knapp über 9 Milliarden Dollar und wirtschaftet hochprofitabel. Im letzten Vierteljahr lag die Gewinnspanne bei hohen 31%.
Activision Blizzard-Kurs notiert deutlich unter Angebotsniveau
Microsoft rechnet mit einem Abschluss des Deals nach Kartellfreigabe bis Ende nächsten Geschäftsjahres, das bis Mitte 2023 läuft. Trotz des Kurssprungs notiert die Activision Blizzard-Aktie mit 81 Dollar noch deutlich unter dem Angebotspreis von 95 Dollar. Die Anleger scheinen offenbar noch Zweifel zu haben, ob die Transaktion wirklich durchgeht. Alternative Bieter dürften auf dem jetzigen Kursniveau eher nicht auftauchen.
Microsoft scheint hingegen überzeugt. Dafür spricht auch die hohe Break-up-fee von bis zu 3 Milliarden Dollar, die der Konzern an Activision zahlen muss, sollte der Deal doch nicht zustande kommen.