Zoom legt Milliardenübernahme ad acta

Die Nachricht war ein Paukenschlag. Der US-Videodienst Zoom kündigte im Juli an, für 14,7 Milliarden Dollar den Cloud-Softwareanbieter Five9 übernehmen zu wollen. Das Unternehmen stellt insbesondere Software für den Gebrauch in Callcentern her. Mit der Übernahme soll das Geschäft auf eine solidere Basis gestellt werden und zusätzliches Wachstumspotenzial erschlossen werden.
Doch die Rechnung hatte Zoom offenbar ohne den Wirt gemacht. Die Five9-Aktionäre haben der Übernahme einen Riegel vorgeschoben und damit den Zusammenschluss vereitelt.
Die Anleger fassten die Entwicklung unterschiedlich auf. Während die Five9-Aktien leicht nachgaben, konnten sich die Papiere von Zoom etwas erholen. Allerdings ist die Aktie auf Zwölfmonatssicht rund 45% im Minus und hinkt dem breiten Aktienmarkt deutlich hinterher. Der technologieorientierte Nasdaq Comp. Index konnte im gleichen Zeitraum etwa um 28% an Wert zulegen.
Zoom und der Corona-Boom
Um den Hintergrund der geplanten Übernahme richtig zu verstehen, sollten Sie als Anleger einen Blick auf die jüngste Geschäftsentwicklung werfen. Denn die Corona-Pandemie hat bei Zoom für eine regelrechte Explosion der Geschäfte gesorgt: Stieg der Umsatz von 61 Millionen Dollar in 2017 bis auf 623 Millionen Dollar in 2020 (Anm: Geschäftsjahr endet immer Ende Januar), so gingen bis Ende Januar 2021 bereits Umsätze von 2,65 Milliarden Dollar durch die Bücher.
Auch bei den Gewinnen sorgte der Homeoffice-Boom für kräftigen Rückenwind. Im zurückliegenden Geschäftsjahr erzielte Zoom einen Gewinn in Höhe von 672 Millionen Dollar, was einer Gewinnmarge von immerhin 25,36% entspricht. Für Sie zum Vergleich: In 2020 lag die Marge erst bei 4,06%.
Erstmals mehr als eine Milliarde Umsatz in einem Quartal
Auch im abgelaufenen zweiten Quartal war Zoom weiter auf Wachstumskurs: Der Umsatz stieg im Jahresvergleich um 54% und knackte erstmals auf Quartalsbasis die Milliardenmarke. Insgesamt ging ein Umsatz von 1,21 Milliarden Dollar durch die Bücher. Unter dem Strich blieb ein Gewinn von 317,1 Millionen Dollar übrig nach 186 Millionen Dollar im Vorjahresquartal.
Megadeal sollte Zoom zukunftssicher machen
Allerdings enttäuschte Zoom mit einem verhaltenen Ausblick. Das gefiel den Anlegern überhaupt nicht. Zumal sich der Wettbewerb mit Microsoft, Webex, Google & Co. deutlich verschärft hat. Daher bemüht sich Zoom verstärkt um Firmenkunden und wollte mit Five9 das Produktangebot zu erweitern. Mit dem Zukauf wollte sich Zoom langfristiges Wachstum im Call-Center-Markt sichern. Zoom verwies auf das deutlich höhere Marktpotenzial. Five9 ergänze den derzeit auf 62 Milliarden Dollar großen Markt für Videokonferenzen um den 24 Milliarden Dollar großen Markt für Customer-Care-Lösungen.
Zu den Kunden des cloudbasierten Anbieters Five9 gehören unter anderen die Sportmodehersteller Under Armour und Lululemon, zudem die Kamerafirma Olympus aus Japan. Insgesamt ist der Callcenter-Spezialist aber bereits bei rund 2. 000 Unternehmenskunden weltweit im Einsatz.
Aktionäre erteilen Übernahme eine Absage
Da Zoom auf der außerordentlichen Hauptversammlung von Five9 nicht die nötige Zustimmung erhalten konnte, macht der Videodienstanbieter jetzt einen Rückzug. Zumal der milliardenschwere Zukauf zuletzt auch ins Visier der US-Regierung geraten ist. Zum Hintergrund: Zoom betreibt zahlreiche Server in China und beschäftigt dort auch viele Forschungsmitarbeiter. Hiermit wurde das Interesse der Regierung geweckt. Unterdessen will Zoom auch nach der vereitelten Übernahme mit Five9 zusammenarbeiten und die Aktivitäten im Bereich Customer-Care ausbauen.
Analysten sind sich uneins
Die Analysten sind derzeit alles andere als einig, was die Zukunftsperspektiven der Zoom-Aktie angeht. Von 28 Experten, die sich mit der Aktie beschäftigen, raten 14 zum Kauf der Papiere. Zwölf Analysten sehen in der Aktie eine Halteposition, während zwei Banker zum Verkauf der Aktie raten. Das Spektrum der Kursziele ist gewaltig und reicht von 145 bis 460 Dollar, während die Aktie gerade bei 265 Dollar notiert.