John Maynard Keynes: Seine Analysen & Theorien

John Maynard Keynes: Seine Analysen & Theorien
Inhaltsverzeichnis

Bedeutung: Namensgeber für Keynesianismus

Werk: bedeutendster Ökonom des 20. Jahrhunderts

Weltwirtschaftskrise: Ansichten geprägt; Skepsis gegenüber klassischer Wirtschaftspolitik bestärkt

Forderung: Steuerung der Makroökonomie durch den Staat

Instrument: nachfrageorientierte Fiskalpolitik

Kritik: Wirtschaftstheorie der „Schuldenpolitik

Finanzkrise 2008: hat wieder zur Popularität des Keynesianismus geführt

John Maynard Keynes wurde am 5. Juni 1883 in Cambridge (England) geboren. Er verstarb am 21. April 1946. Der britische Ökonom, Politiker und Mathematiker gehört zu den bedeutendsten Ökonomen des 20. Jahrhunderts. Keynes ist Begründer des Keynesianismus und damit bis heute mit seinen Theorien bei ökonomischen sowie politischen Diskussionen und Entscheidungen präsent. John Maynard Keynes studierte an der Universität von Cambridge Mathematik, Philosophie, Geschichte und Ökonomie. Seine Doktorarbeit schrieb er über die Wahrscheinlichkeitstheorie.

Nach dem Staatsdienst in London und einer Anstellung im India Office unterrichtete er bis zu seinem Tod Volkswirtschaftslehre am King’s College der Universität von Cambridge. Im Gegensatz zu seinen Kollegen benutzte er viel weniger mathematische Formulierungen in seinen Theorien. Er war skeptisch gegenüber den neoklassischen Ökonomen, die wirtschaftswissenschaftliche Theorien anhand der Mathematik veranschaulichten.

Im Jahr 1936 erschien sein Buch „Allgemeine Theorie der Beschäftigung, des Zinses und des Geldes. Mit diesem Buch versuchte Keynes, geprägt von der Weltwirtschaftskrise, seine Kollegen von der Notwendigkeit einer grundlegend neuen makroökonomischen Wirtschaftstheorie zu überzeugen. Nach seiner Ansicht sollte der Staat im Gegensatz zur Laissez-faire-Marktwirtschaft (kein Eingreifen des Staates in das wirtschaftliche Geschehen) eine entscheidende wirtschaftspolitische Rolle spielen. Sein Buch veränderte die Makroökonomie nachhaltig. Es gilt bis heute als das einflussreichste wirtschaftswissenschaftliche Werk des 20. Jahrhunderts. Keynes Ideen begründeten den heutigen Keynesianismus.

Definition Keynesianismus: Interventionistische Wirtschaftspolitik des Staates

Im Kern geht John Maynard Keynes Theorie davon aus, dass die Selbstregulierung des Marktes nicht automatisch für Vollbeschäftigung sorgt. Aus diesem Grund sind nach Keynes die Stabilisierung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung und der Ausgleich konjunktureller Schwankungen Aufgaben des Staates. Laut des Ökonomen soll der Staat die gesamtwirtschaftliche Nachfrage stimulieren. Indem sich der Staat antizyklisch verhalte, würden die natürlichen zyklischen Schwankungen von Angebot und Nachfrage, die Konjunkturschwankungen, ausgeglichen.

In der Regel besteht ein Konjunkturzyklus aus vier Phasen: Zunächst erfolgt der Aufschwung, der im Boom bzw. der Hochkonjunktur gipfelt. Danach folgen die Abschwungphase und schließlich die Rezession. Lohn- und Preissenkungen sieht Keynes als den falschen Weg zur Wiederbelebung der Beschäftigung an. Für ihn liegt ein Konjunkturabschwung in der fehlenden Nachfrage von Investitionsgütern, die anhand niedriger Zinssätze angekurbelt werden soll. Bleibt die Nachfrage dennoch gering, soll der Staat die fehlende private Nachfrage durch eine staatliche Nachfrage ersetzen. Damit wird die Konjunktur belebt und Arbeitsplätze geschaffen. Dafür darf Schuldenpolitik betrieben werden, die eine erhöhte Inflation in Kauf nimmt. Durch gezielte Subventionen, Steuersenkungen und Investitionen soll der konjunkturelle Abschwung aufgefangen werden. In erfolgreichen Wirtschaftszeiten sollen anschließend Rücklagen aufgebaut und Schulden getilgt werden. So schafft der Staat wieder geldpolitische Spielräume für Krisenzeiten.

Im Sinne einer aktiven staatlichen Konjunkturpolitik kann nach Keynes eine Depression durch die Ankurbelung der Investitionen überwunden werden. Vor allem nach dem Zweiten Weltkrieg erlangte der Keynesianismus weite Verbreitung in der praktischen Politik vieler Länder. Bis 1970 war die keynesianische Wirtschaftslehre die vorherrschende volkswirtschaftliche Lehrmeinung. Allerdings führten Probleme in der praktischen Umsetzung und die theoretische Kritik vor allem durch Vertreter des Monetarismus Ende der 1970er-Jahre zu einer Abwendung vom Keynesianismus. Nicht nur in Deutschland wird die Fiskalpolitik immer noch stark von John Maynard Keynes geprägt. Seine ökonomischen Theorien zur antizyklischen Fiskalpolitik gewinnen in Zeiten der Banken- und Finanzkrise auch in den USA wieder an Einfluss.

Keynesianismus vs. klassische Wirtschaftstheorie

Bevor Keynes sein Werk publizierte, galt die klassische Wirtschaftstheorie als vorherrschende Lehre. So sprach sich Adam Smith für einen freien Handel ohne Eingriff des Staates aus. Insofern gilt er als bedeutendster Vertreter dieser Theorie, welcher zusätzlich die Nationalökonomie als Wissenschaft begründet haben soll. Laut Smith herrsche ein natürliches Gleichgewicht in der Wirtschaft vor – hervorgerufen durch den Egoismus jedes Einzelnen. Smith wandte sich damit vom Merkantilismus ab.

Vertreter des Merkantilismus, entstanden zur Zeit des Absolutismus, plädierten ihrerseits vehement für staatliche Eingriffe in die Wirtschaft. Insofern orientierte sich John M. Keynes an diesem Grundgedanken des Merkantilismus und spann diesen weiter, indem er die gesamtwirtschaftliche Nachfrage fokussierte.

Keynesianismus vs. angebotsorientierte Fiskalpolitik

Die keynesianische Interventionspolitik des Staates wird „nachfrageorientierte Fiskalpolitik genannt. Dagegen steht die „angebotsorientierte Fiskalpolitik, welche eine Abkehr nach Keynes darstellt. Sie orientiert sich eher am Monetarismus, bei dem die Geldmenge als ausschlaggebender Faktor für Wirtschaftsstabilität gilt. Die angebotsorientierte Wirtschaftspolitik beruht auf der Annahme, dass eine Verbesserung der Angebotsseite die Beschäftigung und das Wachstum einer Volkswirtschaft bestimmen können. Die Nachfrageseite wird außer Acht gelassen. Es wird auf die Intervention von Seiten des Staates verzichtet.

Die Instabilitäten des Marktes sind nach Ansicht der Vertreter der angebotsorientierten Fiskalpolitik nicht durch den privaten Sektor, sondern durch staatliches Eingreifen zu erklären. Maßnahmen der Angebotspolitik beinhalten ebenfalls eine inflationsvermeidende Geldpolitik. Wie beim Monetarismus lehnen Vertreter der angebotsorientierten Angebotspolitik staatliche Unterstützung durch Subventionen und Investitionen ab. Diese würde konjunkturelle Schwankungen bestärken.

Unternehmen profitieren bei einer angebotsorientierten Fiskalpolitik

Die angebotsorientierte Fiskalpolitik stützt sich auf die neoklassische Wirtschaftstheorie. Die Güterproduktion stelle automatisch ein Gleichgewicht von Angebot und Nachfrage dar. Ein hohes Güterangebot bedeutet dabei gleichzeitig eine hohe Nachfrage an Gütern. Vor allem Unternehmen profitieren von dieser Sichtweise, die in der modernen angebotsorientierte Fiskalpolitik übernommen wurden. Um höhere Gewinne erzielen zu können, werden zahlreiche Maßnahmen zugunsten von Unternehmen vorgenommen. Dies kann die Senkung von Unternehmenssteuern bedeuten.

Jedoch werden auch Fördermittel in den Bereichen Forschung und Entwicklung bereitgestellt oder Maßnahmen zur Deregulierung (wie beispielsweise Bürokratieabbau) getätigt. Fiskalpolitisch stehen insbesondere die Senkung der Staatsausgaben und eine Verringerung der Neuverschuldung im Fokus. Diese Erleichterungen sollen zu mehr Investitionen führen, für mehr Beschäftigung sorgen und somit die Wirtschaft weiter ankurbeln.

Kritische Betrachtungsweise der angebotsorientierten Fiskalpolitik

Keynes kritisierte die angebotsorientierte Wirtschaftspolitik. Er bestritt, dass in erwarteten Krisenzeiten niedrige Zinsen Unternehmen zu mehr Investitionen verleiten würden, wenn die Gewinnerwartungen zu gering ausfielen. Die Konsequenz wäre erhöhte Arbeitslosigkeit trotz einem bestehenden Marktgleichgewicht (nach Keynes: Gleichgewicht bei Unterbeschäftigung).

Die Gefahr für sozialstaatliche Strukturen, die durch eine angebotsorientierte Politik nicht unterstützt werden, sollte nicht unterschätzt werden. Dennoch findet die Angebotspolitik bei vielen Ökonomen Anklang. Ob eine angebotsorientierte oder doch nachfrageorientierte Ausgabenpolitik die Lösung in wirtschaftlichen Krisenzeiten ist, bleibt unter Wirtschaftswissenschaftlern eine strittige Frage.

Die Grundzüge des Keynesianismus

Im Gegensatz zum schottischen Ökonom Adam Smith sah Keynes die Wirtschaft nicht als geschlossenes System an, in dem ein natürliches Gleichgewicht gilt. Er fokussierte die gesamtwirtschaftliche Nachfrage als entscheidende und aussagekräftige Größe. Diese ist laut Keynes eher instabil und müsse durch den Staat in Zeiten einer Rezession stimuliert werden. So könne eine stabile Volkswirtschaft ermöglicht werden.

Insofern spricht sich Keynes auch für eine Defizitfinanzierung (deficit spending) aus. In diesem Zusammenhang nimmt der Staat in Krisenzeiten ein Verschulden in Kauf, um Investitionen zu tätigen. Ziel ist es, die Nachfrage zu erhöhen und die Wirtschaft anzukurbeln, um die Rezession zu beenden. Idealerweise wird dieses Defizit während der nächsten Hochkonjunktur bzw. des nächsten Booms wieder ausgeglichen. Keynes’ Theorie diente in Deutschland als Grundlage für die Zielsetzungen innerhalb des Stabilitäts- und Wachstumsgesetz von 1967.

Defizitfinanzierung: Deficit spending nach Keynes

Nehmen Investitionen ab und werden weniger neue Kredite aufgenommen, kommt es zu einem schweren Einbruch der Güternachfrage. Ein Grund für die Sparsamkeit sind oft zu hohe Realzinsen. Wer sein Geld in solchen Zeiten ausgibt, verliert. Wer es behält, gewinnt an Kaufkraft. Wenn dann die Bevölkerung und die Unternehmen auf ihrem Geld sitzen bleiben, anstatt es auszugeben, wird logischerweise weniger gekauft. Dieser Umstand sorgt für volle Lager und führt zu sinkender Produktion.

Die Folge sind Entlassungen und steigende Arbeitslosigkeit. Damit sind die Grundvoraussetzungen für eine Deflation und eine Rezession gegeben. Keynes’ Ausweg aus diesem Teufelskreis ist die Defizitfinanzierung, die betroffene Staaten von der Deflation befreien soll. Eine entscheidende Rolle spielt die Regierung. Im Gegensatz zur Angebotspolitik, bei der die Unternehmen die Entscheidungsmehrheit haben, soll hier die Politik die Zügel in die Hand nehmen.

In der Regel nimmt ein Land dann neue Schulden auf und vergibt Aufträge an Unternehmen. Es wird eine künstliche Nachfrage geschaffen, die theoretisch nicht existiert, sondern durch die Regierung realisiert wird. Neue Aufträge bedeuten eine steigende Produktion und neue Arbeitsplätze. Der Folgeeffekt soll die Wirtschaft ankurbeln. Diese Ansätze können der Rezession entgegenwirken. Haben mehr Menschen eine Arbeit, steigt das Durchschnittseinkommen. Wird mehr verdient, kann mehr ausgegeben werden. Wenn dieses Muster wie geplant funktioniert, kann damit ein Land vor der Deflation bewahrt und ein steigendes Wirtschaftswachstum erzeugt werden.

Der Haken an der ganzen Sache: Der Staat wird nur bestimmte Branchen unterstützen. Grundsätzlich profitieren die Baubranche und die Rüstungsindustrie von der staatlichen Förderung. Im Jahr 2019 wird beispielsweise in den USA besonders der Immobilienmarkt gefördert, weil er eine wichtige Säule der amerikanischen Marktwirtschaft darstellt. Andere Branchen gehen leer aus. Dazu kommt noch, dass die hohen Staatsausgaben zu einer Überschuldung und zur Inflation führen können. Deshalb gibt es viele Kritiker, die der Meinung sind, Keynes’ Konzept kann eine Wirtschaftskrise nicht fundamental verhindern. Erschwerend kommt hinzu, dass ein Staat bei gut laufender Konjunktur selten Schulden abbaut. Im Gegenteil: Es werden neue Schulden gemacht, nur etwas weniger.

Mit der Schuldenkrise der EU und in den USA könnte das Thema derzeit nicht aktueller sein. Die Entscheider im Hintergrund befürworten in der Regel den Keynesianismus. Doch der Widerstand mehrt sich und zahlreiche Professoren haben bereits öffentlich dagegen Stellung bezogen. Zur selben Zeit gibt es prominente Gegenwehr wie beispielsweise von Paul Krugman, Professor an der Princeton University und möglicher Nachfolger von Ben Bernanke als FED-Vorsitzender. Krugman ist einer der bekanntesten Befürworter des keynesianischen Modells und lehrt es in seinen Kursen.

Liquiditätsfalle in der Keynes-Theorie

Die Liquiditätsfalle nach Keynes beschreibt einen Zustand, in welchem dem Wirtschaftskreislauf wenig Geld zur Verfügung steht, weil Investitionen und Geldanlagen gemieden werden. Diese Situation ist vor allem deshalb kompliziert, weil die Geldpolitik der Zentralbanken wenig Einfluss auf die Entwicklungen haben kann. Eine Erhöhung der Geldmenge bewirkt entgegen den geldpolitischen Zielen nicht, dass die Konjunktur angekurbelt wird. Vielmehr wird das zusätzliche Geld für spätere Investitionen gespart. In der Liquiditätsfalle tendieren die offiziellen Zinssätze so weit gegen Null, dass es für potenzielle Investoren keinen Anreiz mehr für langfristige Investitionen gibt. Hintergrund dessen ist der Zusammenhang zwischen dem Kurs zinsbringender Wertpapiere und dem Zinsniveau. Bei niedrigen Zinsen ist der Kurs in der Regel relativ hoch. Bei steigenden Zinsen sinkt der Kurs.

Da in der beschriebenen Niedrigzinssituation von Anlegern erwartet wird, dass die Zinsen in Zukunft wieder steigen werden, wird entsprechend von künftig fallenden Kursen ausgegangen. Dadurch scheint es Investoren aussichtsreicher, längerfristige Investitionen aufzuschieben, um künftig eine höhere Rendite zu erzielen. Dies hat zur Folge, dass das liquide Geld entweder zunächst gespart oder kurzfristig angelegt wird. Befindet sich eine Volkswirtschaft in der Liquiditätsfalle besteht trotz tiefer Zinsen kein Anreiz für Investitionen. Eine weitere Zinssenkung ist kaum möglich.

Da davon ausgegangen wird, dass die Liquiditätsfalle mit einer Deflation oder zumindest einer erwarteten Deflation einhergeht, könnte dies einen Lösungsansatz bieten. Da in der Deflation das Preisniveau sinkt, gibt es kaum Anreize zu investieren. Eine Inflation hingegen kann einen Anreiz für Investitionen darstellen. Ganz nach dem Motto: Besser heute kaufen, als morgen mehr bezahlen. Dies würde die Konjunktur ankurbeln, es käme mehr Geld in den Wirtschaftskreislauf und das Sparen würde weniger attraktiv. Erwarten Investoren eine Inflation, steigt die Investitionsbereitschaft. Eine Erhöhung der Geldmenge könnte dies bewirken, ist jedoch kein Garant. Es besteht die Gefahr, dass das zusätzliche Geld gespart wird, um erst später, zu vermeintlich günstigeren Zeitpunkten, Investitionen zu tätigen.

Keynesianische Phillipskurve

Der Zusammenhang von hoher Beschäftigung bei entsprechend hoher Güternachfrage beschäftigt Keynes in seinen Kernthesen. Auf Keynes Theorien basiert dann die erst nach seinem Tod entwickelte Phillipskurve, die den gegensätzlichen Zusammenhang von Arbeitslosigkeit und Inflation untersucht. Die keynesianische Interpretation der Phillipskurve besagt, dass der Staat durch seine Fiskalpolitik langfristige Beschäftigungseffekte auslösen kann, dabei aber steigende Inflation hinnehmen muss.

Die keynesianischen Ansicht, dass in wirtschaftlich schwachen Zeiten staatliches Eingreifen unausweichlich scheint, spiegelt sich in den krisengeschüttelten Wirtschaftszeiten der letzten Jahre wider. Ein Beispiel aus der Vergangenheit: Obwohl klar war, dass staatliche Konjunkturbelebung nicht ewig andauern kann, kam die wirtschaftliche Stagflation der 1970er Jahre für die Keynesianer eher überraschend. Dieser Zustand liegt bei einer Stagnation der Volkswirtschaft bei gleichzeitig hoher Inflation vor. Die steigende Arbeitslosigkeit führte zu einer hohen Inflationsrate, was von vielen Ökonomen auf die damalige lockere Geld- und Fiskalpolitik zurückgeführt wird.

Demnach können Keynes Thesen bei einer zu ausufernden Geld- und Fiskalpolitik auf längere Sicht nicht angewendet werden. Dieses Problem erkannte Keynes zu seinen Lebzeiten, nach seiner Ansicht hilft immer weitere Stimulation der Wirtschaft auf Dauer nicht. Bei der Berufung auf Keynes und die Phillipskurve sollte dieser Aspekt bedacht werden. Die Entscheidung, ob eine höhere Beschäftigung den Nachteil einer hohen Inflationsrate wieder wettmachen kann, müssen Politiker und Ökonomen zu jeder Zeit treffen. Insbesondere die nachfrageorientierte Wirtschaftspolitik der USA wird zeigen, wie lange Keynes Thesen wirtschaftspolitisch angewandt werden sollten.

Keynesianismus vs. Monetarismus

Keynesianismus und Monetarismus sind zwei in zentralen Punkten gegensätzliche wirtschaftspolitische Theorien. Der Monetarismus wurde in den 1960er- und 1970er-Jahren als Gegenentwurf zum Keynesianismus entwickelt. Seitdem herrscht eine bis heute andauernde Diskussion über die Wirkungsweisen dieser beiden Konzepte. Vergangene und heutige Wirtschaftspolitik lehnt immer wieder an den Keynesianismus bzw. Monetarismus an.

Monetarismus: Die Theorie von der Steuerung der Geldmenge

Der Monetarismus ist eine volkswirtschaftliche Lehrauffassung und geht auf den amerikanischen Volkswirtschaftler Milton Friedman (1912 bis 2006) zurück. Vertreter des Monetarismus gehen davon aus, dass die Geldmenge der wichtigste Faktor zur Steuerung des Wirtschaftsablaufs ist. Die Geldmenge soll durch die Zentralbanken gesteuert und möglichst ohne Schwankungen mit dem Wachstum einer Volkswirtschaft vergrößert werden. Dadurch sollen Konjunkturschwankungen verhindert und eine stetige Wirtschaftsentwicklung gesichert werden.

Nach der wirtschaftspolitischen Konzeption des Monetarismus führt eine zu starke Ausdehnung der Geldmenge zu Inflation, eine zu starke Regulierung des Geldmengenwachstums zu Deflation. Staatliche Eingriffe in die Wirtschaft, wie zum Beispiel die vom Keynesianismus geforderte antizyklische Konjunkturpolitik, lehnen die Monetaristen grundsätzlich ab. Die Grundlage für eine stabile Entwicklung der Wirtschaft ist laut den Monetaristen die Selbstregulierungskraft des Marktes über Angebot und Nachfrage. Der Monetarismus fand vor allem Ende der 1970er-Jahre als Gegenentwurf zum Keynesianismus viel Anklang.

Staatseingriffe im Vergleich: Keynesianismus & Monetarismus

Im Keynesianismus wird Rezession (Nachlassen der Konjunktur) mit erhöhten Staatsausgaben bezahlt. Damit die Staatsschulden nicht ins Unermessliche wachsen, muss der Staat seine Ausgaben in Zeiten des Wirtschaftsaufschwungs reduzieren. Dann sollen Staatsschulden abgebaut und Geld für Eingriffe in Zeiten des Abschwungs angespart werden. Der Staat schließt theoretisch sowohl deflationäre als auch inflationäre Lücken. In der Realität ist das aber schwer machbar. Aufgrund politischer Faktoren ist es für Staaten in Zeiten des Wirtschaftsaufschwungs nur schwer möglich, die Staatsausgaben zu verringern. Regierungsparteien haben einen hohen Anreiz, ihre Wähler kurzfristig zufriedenzustellen. In Zeiten eines Wirtschaftsausschwungs Sparmaßnahmen zu setzen, stößt selten auf die Begeisterung der Wähler.

In der realen Wirtschaft ist sowohl keynesianische als auch monetaristische Wirtschaftspolitik in der jeweiligen Reinform nur schwer umsetzbar. Reale Wirtschaftskreisläufe können nicht allumfassend durch Modelle dargestellt werden: Zu viele variable Faktoren spielen eine Rolle. Der Monetarismus etwa geht von der vollständigen Steuerbarkeit der Geldmenge aus. Das ist in der Realität jedoch nicht möglich. Die Geldmenge hängt auch vom Verhalten der Geschäftsbanken, der Unternehmen und der Konsumenten ab.

Beim Keynesianismus kommt zusätzlich zum beschriebenen Unwillen der Regierungen in Zeiten des Aufschwungs die Staatsschulden zu reduzieren noch der „Crowding-Out-Effekt hinzu. Der Staat verdrängt mit der künstlich erzeugten öffentlichen Nachfrage die private Nachfrage. Dadurch steigen die Preise und das Zinsniveau. Es entsteht eine Abhängigkeit zwischen Staat und Wirtschaft. Die Aufgaben, die der Staat in der Rezession übernommen hat, können nicht wieder an den Markt übertragen werden.

Damit begibt sich der Staat in einen Teufelskreis. Der Staat alleine ist nicht in der Lage, die Wirtschaft zu steuern und der Markt kann es alleine auch nicht. Weder die Selbstheilungskraft der Märkte noch das „Deficit spending” sind Patentrezepte zur Entschärfung von Wirtschaftskrisen. Die Lösung heißt Nachhaltigkeit durch Eigenverantwortung. Der Staat und die Bürger müssen in finanziellen und wirtschaftlichen Angelegenheiten Entscheidungen gut abwägen und langfristig planen.

Positive Keynesianismus-Kritik am Beispiel des “New Deal”

Die Keynesianische Wirtschaftspolitik erlebte vor allem in Krisenzeiten ihre Sternstunden, wenn es darauf ankam, die Wirtschaftsstabilität wiederherzustellen. Als Paradebeispiel hierfür gilt der „New Deal, der in den 1930er Jahren unter Franklin D. Roosevelt in die Wirtschaftsgeschichte der USA einging.

Der New Deal war ein umfangreiches wirtschaftspolitisches Maßnahmenpaket, das die US-amerikanische Konjunktur aus den Tiefen der Großen Depression wiederauferstehen ließ. Als positive Kritik am Keynesianismus wird genannt, dass die Methode sich vor allem dann bewährt, wenn drastische Maßnahmen seitens der Regierung notwendig wurden. Kurzfristiges Krisenmanagement und eine Begrenzung der Arbeitslosigkeit konnten beim wirtschaftlichen Zusammenbruch schnell von der Regierung gewährleistet werden.

Negative Keynesianismus-Kritik: Hohe Schulden, höhere Steuern

Langfristig machte sich der Keynesianismus unbeliebt, weil die Finanzspritze aus staatlichen Mitteln beträchtliche Löcher ins Budget der Regierung fraß. Diese ließen sich mit strengsten Sparmaßnahmen nicht so schnell wieder auffüllen. Keynes´ Kritiker wie der Ökonom Milton Friedman bemängelten vor allem die Schuldenmacherei, mit deren Folgen sich auch die nachfolgenden Regierungen noch lange nach einer Rezession unweigerlich auseinandersetzen mussten. Für Keynes war diese Staatsverschuldung der Preis, den für ideales Gleichgewicht der Volkswirtschaft zahlte. Die Art von Gleichgewicht, die Keynes anstrebte, könne unter den normalen Bedingungen der freien Marktwirtschaft nicht entstehen.

Der österreichische Wirtschaftswissenschaftler Friedrich August von Hayek übte vernichtende Kritik am Keynesianismus. Er wurde im Laufe seiner Karriere unter anderem wirtschaftspolitischer Berater von Margaret Thatcher und hat somit indirekt die große Wirtschaftsliberalismus-Bewegung in Großbritannien in Gang gesetzt. Diese war geprägt davon, dass man mit minimaler finanzpolitischer Intervention vor allem den Dienstleistungssektor förderte und die Verbraucher zu unternehmerischem Denken anregte.

Keynesianismus heute: Revival dank Krise

Im Gegensatz zur Theorie entwickelte sich der Keynesianismus in der Praxis anders als angenommen: Konjunkturprogramme des Staates wirkten zeitverzögert und damit pro- statt antizyklisch, wodurch die erhoffte Wirkung ausblieb. Außerdem wurden die aufgenommenen Staatsschulden in Zeiten der Hochkonjunktur nicht getilgt und stiegen somit weiter an. Ebenso stellte das Phänomen der Stagflation den Keynesianismus vor ein scheinbar unlösbares Problem.

Trotz zahlreicher kritischer Stimmen kommt in wirtschaftlichen Krisenzeiten Keynes’ Thesen große Bedeutung zu. Wenn Investitionen stagnieren und die gesamtwirtschaftliche Nachfrage sinkt, werden Keynes’ Theorien so aktuell wie in der Krise bzw. Wirtschaftskrise der 1930er Jahre. Notenbanken reagieren in Krisenzeiten mit einem überhöhten Geldangebot und niedrigen Zinssätzen. So sollen Anreize zu mehr Investitionen geschaffen werden, welche die Produktion und die Beschäftigungsquote steigern. Allerdings können diese Maßnahmen gänzlich verpuffen, wenn das zusätzliche Geld nicht ausgegeben, sondern gespart wird. Der Kaufeffekt auf die Wirtschaft bleibt aus und die Maßnahmen verlieren ihre Wirkung. Um dem Sparen entgegenzuwirken, soll in diesem Fall der Staat einspringen und die Nachfrage durch Subventionen und Investitionen ankurbeln. Dieses Grundprinzip der keynesianischen Fiskalpolitik bestimmt heute noch vielerorts die Finanzpolitik.

Der Keynesianismus hat im Zeitzusammenhang der Finanzkrise von 2008 eine Chance auf ein Revival: Denn Keynes hatte die zeitlose Idee hervorgebracht, eine Trennung zwischen Realwirtschaft und Finanzwirtschaft vorzunehmen. Sein instinktives Misstrauen gegenüber spekulativ geprägten Geschäften an Börsen und in Banken hat dazu beigetragen, dass er den Zusammenbruch des Finanzmarktes bis zu einem gewissen Grad kommen sah: Keynes plädierte indirekt dafür, dass Privatanleger ihre Investitionen mit realen Vermögenswerten absichern sollten – gerade in Zeiten der Krise ist das interessant. So kann man vom keynesianistischen „Kontrollzwang noch etwas lernen: Eigenverantwortung und Umsicht im Umgang mit dem eigenen Geldhaushalt, sei es auf nationaler oder privater Ebene, anstatt blindem Vertrauen in die Selbstheilungskräfte des Marktes.