Standardabweichung: Berechnung & Bedeutung der Volatilität für den Aktienmarkt
- Die wichtigsten Informationen zur Standardabweichung im Überblick
- Definition: Was ist die Standardabweichung?
- Standardabweichung: Formel und Ermittlung
- Interpretation der Standardabweichung: Eine Faustregel
- Standardabweichung: Volatilität an den Aktienmärkten
- Portfolio Selection Theory: Ein Beispiel
- Fazit zur Volatilität
Die wichtigsten Informationen zur Standardabweichung im Überblick
Definition: Kennzahl der Stochastik zur Messung der Streubreite einer Stichprobe um das arithmetische Mittel
Bedeutung: Durchschnittliche Entfernung gemessener Datensätze vom Durchschnittswert
Berechnung: Zur Ermittlung müssen das arithmetische Mittel und die Varianz vorliegen
Normalverteilung: Die meisten Werte liegen um den Durchschnittswert; es gilt die „Zwei-Drittel-Regel“
Interpretation: Je höher die Standardabweichung, umso größer die Streuung der Daten
Aktienanalyse: In der Aktienanalyse dient die Kennzahl zur Bestimmung der Volatilität von Aktienkursen
Definition: Was ist die Standardabweichung?
Die Standardabweichung für eine Grundgesamtheit wird mit dem Zeichen Sigma „σ“ (Sigma) abgekürzt. Sie wird aus der Kennzahl für eine Stichprobe geschätzt und in diesem Fall als „s“ bezeichnet. Es ist die wichtigste Kennzahl in der Statistik zur Ermittlung der Streuung um den Mittelwert.
Die Standardabweichung ist ein Begriff aus der Statistik, genauer: der Stochastik. Sie ist eine der wichtigsten Kennzahlen für statistische Analysen. Der Wert findet Anwendung in der Wahrscheinlichkeitsrechnung und ermittelt, wie stark die Streuung der Werte eines Datensatzes um einen Mittelwert ist.
Als statistische Kennzahl für die Streuung von Werten einer Stichprobe, gehört sie zu den Streuungsmaßen und bildet die mittlere quadratische Abweichung einzelner Stichprobenwerte vom statistischen Mittelwert (arithmetisches Mittel) ab. Sie gibt an, wie weit Daten einer Stichprobe vom Mittelwert abweichen. Es wird also angewendet, wenn man analysieren möchte, wie stark sich Datenpunkte voneinander unterscheiden.
Um die Standardabweichung eines Wertes zu ermitteln, muss vorher der Durchschnitt und die Varianz berechnet werden. Der Durchschnittswert wird in der Statistik „arithmetisches Mittel“ genannt.
Die Berechnung der Standardabweichung läuft also folgendermaßen ab:
- Durchschnittswert berechnen
- Varianz berechnen
- Standardabweichung berechnen
Standardabweichung: Formel und Ermittlung
An einem Beispiel soll die Berechnung der Standardabweichung verdeutlicht werden: Ein Online-Unternehmen möchte wissen, wie zufrieden die Kunden mit dem Webshop sind. Sie starten eine Umfrage. Eine der Fragen lautet: „Mit welcher Wahrscheinlichkeit würden Sie unsere Webseite wieder besuchen?“ Die Antwortmöglichkeiten gehen auf einer Skala von 0-10. Null bedeutet „sehr unwahrscheinlich“ und zehn steht für „sehr wahrscheinlich“. Wenn wir unterstellen, dass alle Kunden bei der Umfrage mit dem Wert 5 geantwortet haben, dann wäre der Durchschnitt 5. Es gäbe kein Streuen um den Mittelwert.
Die Standardabweichung wäre in diesem Fall Null. Es gäbe keinerlei Notwendigkeit für eine statistische Analyse. Die Statistik hat zum Ziel, Unterschiede zwischen Datensätzen zu erklären und zu analysieren. Im Falle einer Standardabweichung von Null gäbe es nichts zu erklären.
Wahrscheinlicher ist jedoch eine normale Verteilung: Die meisten Werte liegen dann um den Durchschnittswert herum. Werte mit geringer Abweichung vom Durchschnitt kommen häufiger vor als Werte mit starker Abweichung. Wenn ein Durchschnittswert ermittelt wurde, kann man mit der Standardabweichung sehen, wie stark sich die Werte voneinander unterscheiden. Doch zunächst muss die Varianz berechnet werden.
Wir gehen davon aus, dass uns als Ergebnis der Umfrage folgender Datensatz vorliegt:
Kunde | Bewertung |
1 | 5 |
2 | 3 |
3 | 4 |
4 | 7 |
5 | 8 |
6 | 7 |
7 | 5 |
Arithmetisches Mittel (Durchschnitt)
X(A) = (5 + 3 + 4 + 7 + 8 + 7 + 5) / 7 = 5,6
Der Mittelwert X(A) beträgt 5,6.
Kalkulation der Varianz
Um die Varianz zu erhalten, mitteln wir die Summe der Abweichungsquadrate vom arithmetischen Mittel:
S²(A) = [(5-5,6)² + (3-5,6)² + (4-5,6)² + (7-5,6)² + (8-5,6)² + (7-5,6)² + (5-5,6)²] / 7 = 2,8
Die Varianz S²(A) beträgt 2,8.
Die Varianz liegt nicht in derselben Einheit vor wie der ursprüngliche Datensatz. Daher ist die Varianz für eine Interpretation der Volatilität nicht geeignet. Um die Streuung interpretieren zu können, wird im dritten Schritt die Standardabweichung berechnet.
Berechnung der Standardabweichung
Die Standardabweichung berechnet sich als Quadratwurzel der Varianz:
S(A) = S² √ (A) = √ 2,8 = 1,67
Die Standardabweichung S(A) beträgt 1,67.
Interpretation der Standardabweichung: Eine Faustregel
Für die Normalverteilung gibt es eine Faustregel: Wenn ein normal verteilter Datensatz vorliegt (Gauß’sche Glockenkurve), kann man die Standardabweichung einfach vom Durchschnitt ablesen. Dann hilft die Wahrscheinlichkeitstheorie bessere Interpretationen mit der Standardabweichung durchzuführen. Denn bei einer Normalverteilung der Daten liegen etwa 68 % des Datensatzes innerhalb einer Standardabweichung vom arithmetischen Mittel. Um die 95 % der Daten liegen innerhalb von zwei Standardabweichungen und etwas 99,7 % liegen innerhalb von drei Standardabweichungen.
Man spricht hier von der „68-95-99,7-Regel“.
Diese wird auch „Zwei-Drittel-Regel“ der Wahrscheinlichkeitstheorie genannt.
Bei normal verteilten Daten kann man mit einem Blick auf den Mittelwert auf die Standardabweichung schließen. Es lässt sich erahnen, in welchem Intervall sich die meisten Daten bewegen.
Je höher die Standardabweichung ist, umso größer ist die Volatilität der Daten. Die Standardabweichung ist erst in Kombination mit dem Mittelwert interessant für Statistiker.
Standardabweichung: Volatilität an den Aktienmärkten
Anleger, die in den Finanzmarkt und insbesondere in Aktien investieren, kommen immer wieder mit dem Begriff der Volatilität in Berührung. Leider wird der Begriff nur selten definiert, sodass viele Anleger ratlos sind, was es mit der Volatilität am Aktienmarkt auf sich hat. Dabei ist die Volatilität durchaus entscheidend für den Investment-Erfolg. Anleger treffen daher nicht ausschließlich beim Wertpapierhandel auf diese Kennzahl. Auch bei Investmentfonds, Rohstoffen (Commodities) und insbesondere bei den Devisenmärkten führt kein Weg an der Volatilität vorbei. Doch was genau steckt nun dahinter?
Volatilität: Was sagt der Schwankungsbereich aus?
Die Kennziffer gibt einen Schwankungsbereich an, den ein bestimmter Kurs in einem spezifischen Zeitraum durchläuft. Dabei wird sowohl die Schwankungsbreite nach oben (Kursgewinn) als auch unten (Kursverlust) berechnet. Für die Kalkulation der Kennziffer wird oftmals ein Zeitraum von einem Jahr festgesetzt. In der technischen Analyse ist es aber im Prinzip möglich, den Zeitraum beliebig zu verändern. In wie weit größere Zeitabstände oder die Volatilität sehr kurzer Abschnitte jedoch aussagekräftig sind, hängt von der Strategie ab.
Die Volatilität bezeichnet also diesen Schwankungsbereich um einen vorab zu bestimmenden Maßwert. Als Maßwert wird der Durchschnittswert des Kurses über denselben zu analysierenden Zeitraum hergenommen. Im Anschluss wird die Entfernung des Kurses von diesem Richtwert betrachtet. Hierfür findet die Standardabweichung wieder ihre Anwendung.
Volatilität und Standardabweichung
Wird beispielsweise eine Aktie, deren Gewinn im 1. Monat (x) einen Prozentpunkt betrug, im nächsten Monat jedoch einen Verlust in Höhe von einem Prozentpunkt (y) erzielte, hergenommen, steht der Standard, um den sich die Volatilität entfaltet, bei null Prozent (z). Der für die Volatilität herangezogene Gesamtzeitraum liegt somit bei zwei Monaten (n).
Die Standardabweichung berechnet sich demnach mit der Wurzel aus: 1/n*((x-z)²+(y-z)²).
Die Volatilität bildet sich bei diesem Beispiel aus der Wurzel von folgender Formel: ½ * ((1%-0%)²+(-1%-0)²)
Als Ergebnis erhält man eine Volatilität von einem Prozent – das heißt, während des beobachteten Zeitraums von zwei Monaten ist die Rendite um ein Prozent vom Standardmaß abgewichen. In der Realität sieht die Berechnung dieser Werte natürlich deutlich komplexer aus. Dies liegt daran, dass größere Zeiträume mit realer Zahlenbasis und mehr Schwankungen betrachtet werden. In der Praxis werden daher diese Berechnungen den IT-Systemen überlassen. Anleger nutzen volatilitätsabhängige Indikatoren auf ihren Charts oder schauen sich die Ergebnisse der Experten an, beispielsweise bei Einschätzung eines ETFs.
Bevor eine Kaufentscheidung getroffen wird, ist eine Betrachtung des Schwankungsbereichs eine der typischen Aufgaben von Anlegern. Denn je größer die Volatilität ausfällt, desto größer ist das Risiko eines Verlustgeschäftes. Da die Schwankungsbreite aber auch nach oben größer ausfällt, steigen damit die Chance auf größere Renditen. Es muss hier also basierend auf dem individuellen Risikoprofil eine Chancen-Risiken-Abwägung stattfinden.
Je größer die Volatilität, je höher das Risiko
Unterschiedliche Wertpapiere weisen unterschiedliche Werte an Volatilität auf. So kann Unternehmen X beispielsweise eine Aktie mit einem berechneten Volatilitätswert von 8 % ausgeben, während die Aktie von Unternehmen Y eine Volatilität von 12 % aufweist. Anhand des eigenen Risikoprofils und des Anlegertypus gilt es nun zu entscheiden, welche Aktie besser ins Portfolio passt.
Während die Aktien von X in diesem Beispiel deutlich risikoloser zu handeln sein dürften, sind die Gewinne vergleichsweise niedrig. Bei Wertpapieren der Firma Y ist diese Entwicklung dagegen genau umgekehrt.
Neulinge auf dem Finanzparkett sollten sich jedoch für den Anfang eher an einer möglichst niedrigen Volatilität orientieren und sich erst mit steigender Erfahrung an die risikoreicheren Investitionen heranwagen.
Portfolio Selection Theory: Ein Beispiel
Je mehr der Kurs einer Aktie schwankt, umso höher ist das mit dem Wertpapier verbundene Risiko. Umso mehr ist dann auch die erwartete Rendite aus dem Wertpapier mit Risiko behaftet. Die Standardabweichung misst beim Aktienhandel die Volatilität und damit das Risiko, dem die Rendite ausgesetzt ist. Es wird ermittelt, wie stark die Rendite der Aktie innerhalb eines Zeitraums um den Mittelwert schwankt.
In der Aktienanalyse handelt es sich beim Mittelwert um die erwartete Rendite (Erwartungswert).
Unsere Beispiel-Aktie hat in den letzten drei Jahren folgende Ergebnisse erzielt:
Jahr | Aktienkurs Jahresanfang | Aktienkurs Jahresende | Rendite |
2016 | 45 | 47 | 4,4 % |
2017 | 47 | 53 | 12,8 % |
2018 | 53 | 55 | 3,8 % |
Für den Erwartungswert der Renditen unterstellen wir für die Jahre 2016 – 2018 einen Mittelwert von 2,6 %. Für die Standardabweichung der Aktien ergibt sich dann:
S = √ [(4,4-2,6%)² + (12,8-2,6%)² + (3,8-2,6%)²] / 3 = 6,02 %
Die zu erwartende jährliche Standardabweichung von ihrem Mittelwert 2,6 % beträgt für die Aktie 6,02 %. Der Vergleich der Standardabweichung verschiedener Aktien kann den Anleger bei seiner Kaufentscheidung unterstützen.
Fazit zur Volatilität
Als wichtige Kennzahl der Stochastik, die sich mit den Veränderungen ökonomischer Größen beschäftigt, wird die Standardabweichung erfolgreich in der Aktienanalyse eingesetzt. Die Schwankungen der Aktienkurse im Zeitverlauf sind für Teilnehmer des Aktienmarktes von großer Bedeutung.
Mit der Standardabweichung lässt sich das Gewinnpotenzial einer Aktie unabhängig vom restlichen Geschehen auf dem Aktienmarkt abschätzen. Zu beachten ist, dass dabei die vergangenheitsbezogene Wertentwicklung des Datensatzes für die Zukunft unterstellt wird.
Die Volatilität von Finanzprodukten wird also als Standardabweichung der Veränderungen eines Aktienkurses gemessen.
Es wird als Risikomaßstab für künftige Gewinn- und Verlustpotenziale eingesetzt.