Börsenhandel: KI-Einsatz für Privatanleger 

Börsenhandel: KI-Einsatz für Privatanleger 
Panchenko Vladimir / shutterstock.com
Inhaltsverzeichnis

Das Wichtigste in Kürze

  • Künstliche Intelligenz (KI) findet bereits in vielen Bereichen Anwendung, so auch im Börsenhandel
  • Der Einsatz komplexer Algorithmen und maschinellem Lernen kann Handelsprozesse optimieren und zu verbesserten Entscheidungen führen
  • Erst die Kombination mit menschlicher Intelligenz bringt die Stärken der KI zum Vorschein
  • Die meisten KI-basierten Anwendungen richten sich bislang an institutionelle Investoren
  • Auch Privatanleger haben Möglichkeiten, direkt und indirekt von KI im Börsenhandel zu profitieren

Wie hat sich die KI mit der Zeit entwickelt?

Spätestens mit ChatGPT hat die Künstliche Intelligenz (KI) bzw. Artificial Intelligence (AI) auch die Aufmerksamkeit der Allgemeinheit erlangt. KI gibt es allerdings schon deutlich länger. Die Geschichte reicht dabei zurück bis in die 1950er Jahre, als Forscher sich erstmals mit der Idee beschäftigten, Maschinen zu entwickeln, die das Denken und Lernen von Menschen nachahmen sollten.

Dabei konnten diese ersten frühen KI-Systeme nur grundlegende Probleme lösen. Erst in den folgenden Jahrzehnten nahm die Entwicklung immer mehr an Fahrt auf. Es wurden immer ausgefeiltere Techniken und Algorithmen entwickelt, die es nach und nach ermöglichten, auch komplexere Probleme zu lösen. Heute wird KI in den verschiedensten Bereichen eingesetzt, beispielsweise im Gesundheitswesen, im Automobilbau, in der Robotik, in der Automatisierung, in der Bildung, in der Landwirtschaft und natürlich auch in der Finanzbranche sowie im Börsenhandel.

Wie hat die KI den Handel an der Börse verändert?

Traditionelle Handelstechniken verschwinden mehr und mehr von der Bildfläche. Die Popularität von Algorithmen bei Handel an der Börse hat mit der Zeit deutlich zugenommen und war letztlich auch zum Aufkommen des Hochfrequenzhandels geführt (Vorschlag: Artikel zum Hochfrequenzhandel verlinken). Ob Händler, Broker oder Investmentfonds – niemand konnte und wollte im 21. Jahrhundert noch auf den Einsatz von Handelsrobotern verzichten, die automatisiert und nach Algorithmen handeln.

Doch mittlerweile reichen auch die Fähigkeiten der Bots nicht mehr aus, denn eine wichtige Komponente konnte diese Form des Handels nicht erfüllen – die Analyse und laufende Anpassung durch den Menschen. Dieses Element wird nun allmählich durch die KI übernommen, die das menschliche Handeln imitiert und mit jeder Handlung weiter dazu lernt. Man bezeichnet dies als maschinelles Lernen bzw. als Deep Learning.

Künstliche Intelligenz hat die Regeln im Börsenhandel bereits eingehend verändert. Durch ihre Verbreitung machen die Transaktionen traditioneller Händler mittlerweile nur noch 10 % des gesamten Handelsvolumens aus, während es im Jahr 2012 noch 55 % waren. Zudem greifen mittlerweile etwa 20 % der Hedgefonds auf KI in den Handelsstrategien zurück.

Was bedeutet KI im Börsenhandel?

Künstliche Intelligenz im Börsenhandel bezieht sich auf den Einsatz von komplexen Algorithmen und maschinellem Lernen zur Optimierung des Handelsprozesses bzw. um bessere und schnellere Entscheidungen und Vorhersagen zu treffen.Die KI wird dabei genutzt, um sehr große Datenmengen zu analysieren, aus diesen unstrukturierten Daten Muster zu erkennen, Marktbewegungen vorherzusagen und den Handel zu automatisieren.

Wie können Privatanleger KI nutzen?

Auch wenn die KI im Börsenhandel aktuell noch weitgehend für den institutionellen Handel vorgesehen ist, gibt es einige denkbare Fälle, wie auch Privatanleger davon Gebrauch machen könnten:

  • KI als Anlageberater
  • KI zur Analyse von Finanzdaten
  • KI-basierte Fonds und ETFs

Eine Möglichkeit, wie Privatanleger die KI verwenden können, wäre beispielsweise ein KI-basiertes Sprachtool wie ChatGPT als Anlageberater zu nutzen. So könnte man das Tool nach Aktien befragen, die man kaufen sollte. Wie die bisherigen Erfahrungen zeigen, bestimmen dabei die Qualität der Fragen die Verwertbarkeit der Antworten.

Stellt man sehr allgemeine Fragen, wird man auch nur sehr oberflächliche Antworten erhalten. Stellt man hingegen spezifischere Fragen, beispielsweise zu Aktien aus einer bestimmten Branche oder fügt man der Frage weitere Details hinzu, so werden die Antworten deutlich komplexer und das Programm kann seine Stärke ausspielen, nämlich auf eine riesige Menge an Daten zurückzugreifen und sie entsprechend der Frage zu analysieren und auszuwerten.

Allerdings kommt dabei auch eine gravierende Schwäche von ChatGPT zum Vorschein: Die Anwendung kann nämlich nur Daten bis einschließlich 2021 berücksichtigen, aber keine aktuelleren.

Ein weiterer denkbarer Anwendungsfall für Privatanleger wäre die Analyse von Finanzdaten. Die großen Datenmengen, die für Anlageentscheidungen analysiert werden können, sind von keinem Datenanalysten zu bewältigen. Mittlerweile gibt es aber einige Unternehmen, die künstliche Intelligenz zur Verfügung stellen, um vollautomatisiert Daten aus Quellen wie Geschäftszahlen, Publikationen, Zeitschriften-Artikeln, Blog-Beiträgen und Social Media Posts auszuwerten und entsprechende Entwicklungen an den Finanzmärkten daraus abzuleiten.

Dazu gehören etwa Unternehmen wie AlphaSense, Kensho, Sentieo oder Sigmoidal. Sie richten sich zwar vorranging (noch) an Geschäftskunden und institutionelle Anleger, allerdings zeigen sie auch das Potenzial der KI für Privatanleger auf.

Eine weitere Möglichkeit, wie Privatanleger KI nutzen könnten, wären KI-basierte Fonds und ETFs. Dabei handelt es sich um Investmentfonds, die KI-basierte Analysen bei der Auswahl von Aktien nutzen. Durch die KI-basierten Techniken reagieren diese Fonds schneller auf Veränderungen, Chancen und Muster auf den Finanzmärkten, als traditionelle Fonds.

Dazu zählen etwa die beiden aktiv gemanagten ETFs AI Powered Equity ETF (ISIN: US26924G8134) und Qraft Al-Enhanced U.S. Large Cap Momentum ETF (ISIN: US30151E7803). Der Vorteil bei diesen ETFs ist, dass auch Privatanleger von KI-Technologien profitieren können, die sonst nur institutionellen Anlegern und Hedgefonds zur Verfügung stehen. Im Vergleich mit gängigen Benchmarks wie dem MSCI World Index performen diese KI-basierten ETFs allerdings bislang nicht besonders und hinken den Vergleichsindizes eher hinterher, als diese zu schlagen.

Was ist der Unterschied zwischen einem Robo-Advisor und einem KI-basierten Investmentfonds?

Ein wesentlicher Unterschied zwischen einem Robo-Advisor und einem KI-basierten Investmentfonds besteht darin, dass Robo-Advisor sich hauptsächlich auf die Bedürfnisse von Privatanlegern konzentrieren und von menschlicher Expertise abhängig sind, während KI-basierte Fonds von menschlicher Expertise unbeeinflusst bleiben und so handeln, wie es die künstliche Intelligenz aufgrund ihrer Analysen für richtig hält.

Es gibt noch eine Vielzahl weiterer Anwendungsbereiche, in denen Privatanleger von KI-Tools profitieren können. Dazu zählen verschiedene Trading-Systeme, die auf KI basieren, Programme, die Kursverläufe prognostizieren oder KI-Tools, die eine Risikobewertung von Investments erlauben. Die meisten Anwendungen richten sich allerdings meist noch an institutionelle Investoren und sind Kleinanlegern nicht direkt zugänglich.

Wie kann man als Anleger in KI investieren?

Wer nicht selbst mittels KI im Börsenhandel aktiv werden möchte, kann auch indirekt von der KI profitieren, indem man in entsprechende Assets investiert, die sich mit dem Thema befassen. Das können neben den Aktien der vielen kleinen Unternehmen, die aktuell aus dem Boden schießen, auch die Aktien von großen Konzernen wie Microsoft, Apple, Amazon, Tencent oder Nvidia sein. Diese Unternehmen widmen sich der KI bereits seit längerer Zeit und halten auch Beteiligungen an entsprechenden Unternehmen.

Microsoft, Amazon und Tencent sind beispielsweise in OpenAI investiert, der Firma hinter ChatGPT. Vor allem Microsoft ließ durch seine Beteiligung an OpenAI aufhorchen. So wird auch vermutet, dass der Suchmaschinengigant Google früher oder später Marktanteile an Microsofts Suchmaschine Bing abtreten müssen wird.

Kann man als Privatperson in OpenAI investieren?

Als Privatperson ist es leider nicht möglich, in OpenAI zu investieren, da das Unternehmen nicht an der Börse gelistet und im Besitz von Investoren und einigen Gründern ist.

Investitionen in die künstliche Intelligenz sind natürlich auch deutlich diversifizierter möglich, und zwar mit speziellen KI-ETFs. Das Angebot ist mittlerweile deutlich gewachsen und es gibt hierzulande die folgenden vier KI-spezifischen ETFs:

  • Amundi STOXX Global Artificial Intelligence UCITS ETF (ISIN: LU1861132840)
  • L&G Artificial Intelligence UCITS ETF (ISIN: IE00BK5BCD43)
  • WisdomTree Artificial Intelligence UCITS ETF (ISIN: IE00BDVPNG13)
  • Xtrackers Artificial Intelligence and Big Data UCITS ETF (ISIN: IE00BGV5VN51)

Was sind die Chancen und Risiken der KI im Börsenhandel?

Die Anwendung von künstlicher Intelligenz im Handel an der Börse birgt sowohl Chancen, als auch Risiken. Unter anderem bietet die KI folgende Vorteile und Chancen gegenüber dem traditionellen Börsenhandel:

  • KI zeigt keine menschlichen Emotionen wie Angst und Gier und stellt keine irrationalen Vermutungen an
  • Durch maschinelles Lernen ist KI in der Lage, aus eigenen Fehlern zu lernen und ihre Fähigkeiten durch jede Handlung zu verbessern
  • KI-basierte Handelssysteme können den Handelsprozess automatisieren und die Geschwindigkeit und Effizienz erhöhen
  • KI kann eine deutlich größere Menge an Daten erfassen und analysieren, als dies Menschen möglich wäre
  • Durch die Analyse von historischen Kursen und Daten kann die KI dazu beitragen, künftig verbesserte Vorhersagen zu treffen sowie Chancen und Trends zu erkennen
  • Die KI kann durch Sentiment-Analysen die Stimmung der Anleger anhand von Informationen aus Social Media Beiträgen, Nachrichtenartikeln und anderen Quellen erfassen und in Handelsentscheidungen berücksichtigen
  • KI kann dabei helfen, Risiken im Börsenhandel zu bewerten und Anleger bei der Diversifikation von Portfolios und bei der Risikominimierung unterstützen.

Der Einsatz von KI im Handel von Aktien und Wertpapieren birgt jedoch auch einige potenzielle Nachteile und Risiken:

  • Finanzmärkte sind komplex und volatil. KI könnte Schwierigkeiten haben, alle relevanten Faktoren und unvorhersehbare Ereignisse zu berücksichtigen
  • Übermäßiges Vertrauen in die KI kann zu gravierenden Fehlentscheidungen führen
  • KI analysiert große Datenmengen. Fehlerhafte Daten oder Daten von schlechter Qualität können die Ergebnisse beeinträchtigen.
  • Durch zunehmenden Einfluss und Kontrolle KI-basierter Handelssysteme besteht die Gefahr des Kontrollverlusts durch den Menschen. Menschliche Überwachung und Kontrolle müssen daher unverzichtbarere Bestandteil KI-basierter Technologien bleiben. In Deutschland zählt es auch zu den Aufgaben der BaFin, den Einsatz von KI im Börsenhandel zu überwachen, zu bewerten und zu regulieren.

Die KI hat ohne Zweifel die Regeln des Börsenhandels nachhaltig verändert und wird dies auch in Zukunft tun. Auch wenn KI viele Chancen für die Geldanlage bietet, so ist es wichtig, die KI im Rahmen des Aktienhandels vor allem als zusätzliches Werkzeug zu betrachten, das von erfahrenen Händlern unterstützend eingesetzt wird. Erst die Kombination aus menschlicher und künstlicher Intelligenz dürfte der richtige Weg sein, die Chancen der KI zu nutzen und gleichzeitig die Risiken zu minimieren, die der Handel an der Börse mit sich bringt.