Freihandel mit den USA – das kommt auf Anleger und Verbraucher zu

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Beim Thema Freihandel entzünden sich derzeit die Gemüter am geplanten Abkommen zwischen den USA und der EU, genannt TTIP.

Es steht für „Transatlantic Trade and Investment Partnership“ und verfolgt ein Ziel: ohne Zölle und mit wenig anderweitigen Beschränkungen die Wirtschaft beleben und den Wohlstand fördern. Kritiker indes sehen errungene Sozial-, Umwelt- oder Rechtsstandards in Gefahr, und zwar auf beiden Seiten des Atlantiks.

Freihandel: Vorteile und Nachteile für Anleger

Bringt der Freihandel mehr Vorteile oder Nachteile? Aus Anlegersicht liegt die Antwort auf der Hand: Wenn Hürden auch im Finanzverkehr fallen, wird es einfacher, dort zu investieren, wo Rendite winkt. Und wenn Firmenkooperationen leichter werden und der Wegfall von Handelshemmnissen die Wirtschaft beflügelt, profitieren Dividenden-Aktionäre von höheren Unternehmensgewinnen.

Der Nachteil: Als Hemmnisse werden nicht nur direkte Zölle und Handelsauflagen angesehen, sondern teils auch Regelungen im Interesse von Verbrauchern und Anlegern. Bei mehr Freiheiten für die Finanzbranche aber darf das berechtigte Schutzbedürfnis von Privatanlegern unter die Räder kommen. Was unkontrollierte Marktkräfte anrichten können, hat unter anderem die letzte Finanzkrise gezeigt.

Tragfähiger Kompromiss zu Chancen und Risiken

Nun lässt sich das Thema Freihandel natürlich nicht auf die Finanzperspektive reduzieren, doch die Gegenüberstellung macht beispielhaft deutlich, was jedem Anleger bekannt ist: Chancen stehen immer Risiken gegenüber, und die gilt es abzuwägen. Es geht also nicht um Extreme. Eher um ein vernünftiges Maß von reibungsloserem Handel und den demokratischen Interessen aller Beteiligten und Betroffenen.

Da beim Freihandelsabkommen mit den USA den Akteuren die Auswirkungen auf Gesellschaft und Industrie klar sind und ohnehin jede Seite ihre Interessen ins Spiel bringt, ist ein tragfähiger Kompromiss angesagt. Die Vor- und Nachteile existieren dann nur insoweit, als sie der Vertrag zulässt.

Das aber geht nicht ohne Glaubwürdigkeit und Akzeptanz in der Gesellschaft. Leider hat die Politik durch heimliche Hinterzimmerverhandlungen und die Industrie mit dem meist einseitigen Hohelied auf schrankenlose Chancen erhebliche Kommunikationsfehler begangen. Die Kritikpunkte sind viel zu ernst, um sie der Ablehnerfront zu überlassen und die Vorteile des Freihandels zugunsten eines falsch verstandenen Protektionismus verspielen.

Generelle Vorteile

Ohne Zölle und Beschränkungen werden wirtschaftliche Potenziale freigesetzt: verstärkter Waren- und Dienstleistungsaustausch, neue Kooperationen, oder Investitionen in den nun zugänglichen Regionen. Unternehmen können neue Märkte erschließen und höhere Gewinne einfahren.

Vereinheitlichte Normen sowie Zulassungsverfahren vereinfachen und verbilligen die Herstellung vieler Produkte. Davon profitieren Mittelständler oder Autohersteller genauso wie Pharmaunternehmen, die enorme Summen für parallele Markteinführungen sparen.

Vereinfachungen schaffen neue Arbeitsplätze und Unternehmen mit der Folge, dass das Pro-Kopf-Einkommen steigt.

Gleichzeitig stehen den Verbrauchern neue Produkte zur Verfügung, die wegen hoher Zölle oder spezifischer Schutzbeschränkungen nicht zugelassen waren. Entfallen entsprechende Regulierungen, könnten etwa europäische Airlines Inlandsflüge in den USA anbieten. Im Wettbewerb dürfte etliches billiger werden.

Wesentliche Nachteile

Die generelle Gefahr besteht in der Ökonomisierung vieler Lebensbereiche. Das betrifft die Daseinsvorsorge oder Kulturförderung ebenso wie Subventionen oder Steueranreize im Hinblick auf Umwelt- Verbraucher- oder Minderheitenschutz. Je nach Wertvorstellung der Beteiligten schränken auch sie einen freien Handel ein.

Ein im Sinne der Industrie geforderter totaler Investitionsschutz würde bedeuten, dass selbst sinnvolle Regeln und Gesetze als Handelshemmnis und Diskriminierung verstanden und mit hohen Schadensersatzforderungen gekippt werden können. Eine Beschränkung politischer Selbstbestimmung.

Bei den veränderten Wettbewerbsbedingungen im Freihandel bleiben einige Branchen, Unternehmen und Arbeitsplätze auf der Stecke.

Außerdem hat der Wohlstandszuwachs innerhalb der Freihandelszone eine Kehrseite nach außen: Er geht zulasten von Drittländern, denen mit der Bündelung der Handelsströme Teile ihres Absatzvolumens wegbrechen. Im Falle von TTIP betrifft dies laut einer Bertelsmann-Studie in Westeuropa etwa Norwegen und die Schweiz.

Leitlinien für die Weltwirtschaft und globalen Freihandel

In den bilateralen Verhandlungen mit den USA sind die wichtigsten Kritikpunkte bereits vom Tisch. Gelingt es, Chancen und Risiken zur beiderseitigen Zufriedenheit zu verbinden, entsteht der aus europäischer Sicht weitere zentrale Vorteil: Die EU und die USA decken über die Hälfte der weltweiten Wirtschaftskraft ab.

TTIP könnte somit Standards für die gesamte Weltwirtschaftsordnung setzen, die unseren Wertvorstellungen entsprechen. Die kulturellen Schnittmengen mit den Amerikanern sind eindeutig größer als etwa mit China.

Daneben können dann Abkommen mit Drittländern geschlossen werden. Mit elf Pazifik-Anrainerstaaten haben die USA bereits eine weitere Freihandelszone vereinbart. Idealerweise sollte nämlich ein Freihandel möglichst viele Länder umfassen. Wie schwierig jedoch globale Vereinbarungen mit unterschiedlichen kulturellen Vorstellungen sind, hat schon die gescheiterte Doha-Runde der WTO gezeigt.