Homo oeconomicus – Definition, Modell & Eigenschaften

Inhaltsverzeichnis

Alles über den Homo oeconomicus

Definition: Idealmensch, der entsprechend der eigenen Gewinn- & Nutzenmaximierung vorgeht, agiert rational

Annahmen: Umfassende Kenntnis von Markt & Gütern, keine persönlichen Abneigungen/Vorlieben, kann Konsequenzen abschätzen

Eigenschaften: Verfügt über komplette Informationen, denkt rein rational, handelt nach Präferenzen

Kritik: Wirtschaftsmensch nicht der Realität entsprechend; der Mensch ist ein soziales Wesen, handelt nicht ausschließlich rational

Geschichte: Erwähnung im Jahr 1914, einer von sechs menschlichen Grundtypen nach Eduard Spranger


Der Begriff des Homo oeconomicus bzw. des Wirtschaftsmenschens gilt als Vorlage für zahlreiche Wirtschaftstheorien und ist unverzichtbar im Verständnis der modernen Wirtschaftslehre. Als Verhaltensmodell beschäftigt es darüber hinaus Verhaltensökonomen, die Entscheidungstheorie und Wirtschaftsethik.

Doch was genau macht diesen menschlichen Idealtypen und das zugrunde liegende Verhaltensmodell aus? Über welche Eigenschaften verfügt der Idealtypus der Wirtschaftswissenschaften? Zudem stellt sich die Frage, wie relevant dieses Modell bzw. das Menschenbild in der Realität ist. Eignen sich alternative Modelle mit einer anderen Grundannahme besser zur Beschreibung des wirtschaftlichen Menschen? Dieser Artikel beleuchtet den Homo oeconomicus der Wirtschaftswissenschaften im Detail und klärt die genannten Fragen.

Definition: Was ist der Homo oeconomicus?

Das Modell des Homo oeconomicus stammt aus der klassischen Ökonomie und ist angelehnt an den Begriff des Homo sapiens, den modernen Menschen. Er beschreibt den Idealtypen eines wirtschaftlich agierenden Menschen, der auf die eigene Nutzen- und Gewinnmaximierung fokussiert ist.

Der Idealtyp geht als Grundannahme rein rational vor und verfügt über ein umfassendes Wissen des Marktes bzw. eine Markttransparenz. Das Modell des Homo oeconomicus findet sich in wirtschaftlichen Prozessen wieder und weist somit einen wichtigen Bezug zur Realität auf. Als Verhaltensmodell findet der Idealtypus ebenfalls Anwendung in anderen Bereichen. Vor allem Verhaltensökonomen beziehen das Menschenbild mit seinen Handlungsalternativen bei der Entscheidungstheorie und Wirtschaftsethik ein.

Der Homo Oeconomicus

 

Was ist das ökonomische Prinzip?

Das ökonomische Prinzip befasst sich mit der Frage, wie nutzen- bzw. gewinnoriertierte Ziele erreicht werden können. Es beinhaltet die beiden Grundprinzipien Minimal- und Maximalprinzip.

Unterscheidung Minimal- & Maximalprinzip:

  • Minimalprinzip: Bei der Verwendung des Minimalprinzips wird davon ausgegangen, dass mit minimalen Kosten ein festgelegter Erfolg erreicht werden soll. Nach diesem Prinzip agieren die meisten Unternehmen, die beispielsweise festgelegte Umsätze mit möglichst wenig Aufwand erreichen wollen. Ein weiteres Beispiel für das Minimalprinzip ist die Erlangung eines Bildungsgrades mit möglichst wenig Lern- und Arbeitsaufwand.
  • Maximalprinzip: Beim Maximalprinzip soll bei vorher festgelegten Kosten ein maximaler Erfolg erwirtschaftet werden. So soll beispielsweise mir einem zuvor festgelegten Budget eine maximale Leistung gewährleistet werden. Diesem Prinzip folgen meist Haushalte und Konsumenten. Ein Beispiel für das Maximalprinzip wäre ein Budget für einen Einkauf, bei dem so viele Lebensmittel wie möglich gekauft werden sollen.

Das Extremumsprinzip wird seltener verwendet als die zuvor erläuterten Prinzipien. Es versucht, eine Balance zwischen beiden Prinzipien zu erreichen, indem mit überschaubaren Kosten der Nutzen gesteigert wird. Hier liegt der Fokus auf dem optimalen Verhältnis zwischen Nutzen und Aufwand.

Vorsicht

Es sollte jeweils eines der Prinzipien zur Handlung, Planung und als Entscheidungsalternativen angewandt werden und nicht beide gleichzeitig. Sonst können Konflikte bezüglich der festgelegten Ziele und Handlungsalternativen entstehen.

Was ist das Homo oeconomicus Modell?

Das Modell des Homo oeconomicus ist ein theoretisches Wirtschaftsmodell eines rein nach ökonomischen Gesichtspunkten agierenden Menschen.

Eigenschaften eines Homo oeconomicus:

  • Er handelt rein rational nach dem Rationalprinzip
  • Sein Fokus liegt auf einer Nutzenmaximierung im monetären Sinne mit Eigennutz
  • Er verfügt über eine vollkommene Marktinformation bzw. Markttransparenz
  • Er handelt nach festgelegten Präferenzen

Das Modell gilt als Grundstein vielzähliger wirtschaftlicher Theorien, welche sich mit dem Handeln des wirtschaftlichen Menschen befassen. Obwohl es aufgrund des Eigennutzes und des Rationalprinzips umstritten ist, gilt es als Meilenstein der klassischen liberalen Wirtschaftstheorie und wird noch im Wirtschaftsdiskurs verwendet.

Was ist die liberale Wirtschaftstheorie?

Die liberale Wirtschaftstheorie stammt vom schottischen Philosophen und Ökonomen Adam Smith. Die Theorie beschreibt, dass eine Entfaltung der Freiheit eines Menschen nur dann stattfinden kann, wenn er in seinen privaten Angelegenheiten nicht vom Staat beeinflusst wird. Das bedeutet, dass eine Regulation von Angebot und Nachfrage innerhalb des Marktes und eine Zusammenführung von Konsument und Produzent stattfindet. Die Entscheidungsalternativen bleiben unverändert.

Das Ziel der Produzenten ist hierbei einen größtmöglichen Gewinn zu erzielen. Das Ziel des Konsumenten ist es, einen möglichst niedrigen Preis der Güter, welche er bezahlen muss, zu erreichen.

Die Theorie des Wirtschaftsliberalismus geht von einem rational agierenden Menschen aus, welcher seine Entscheidungen frei und ohne staatliche Eingriffe treffen kann. Die Aufgabe, die dem Staat zukommt, ist die Sicherstellung des militärischen Schutzes und der Infrastruktur.

Unterscheidung menschlicher Grundtypen

In seinem Buch „Lebensformen“ von 1914 geht Eduard Spranger auf die verschiedenen Menschentypen ein und beschreibt sie. Das Buch beschäftigt sich mit der Frage, wodurch Menschen motiviert werden und was sie darin bewegt, zu handeln, wie sie es tun. Spranger stellte fest, dass es sechs Grundtypen von Menschen gibt, die sich in Werten, Interessen und Einstellungen unterscheiden. Zu diesen Grundtypen gehören:

GrundtypEigenschaften
sozialer MenschUneigennützig, sieht seinen Nutzen darin, anderen zu helfen; nicht an Macht oder Geld interessiert; empathisch
ästhetischer

Mensch

Sieht den höchsten Wert in Harmonie und Form; Interesse an allem, was kunstvoll ist
theoretischer MenschInteressiert an objektivem Wissen; kognitive Herangehensweise; intellektuell
religiöser MenschSieht den größten Wert in der Religion; richtet sein Leben nach Moral und Vorstellungen seiner Religion aus
MachtmenschSieht eine umfassende Kontrolle und das Erlangen von Macht als größte Priorität an; oft politisch motiviert
ökonomischer Mensch/ Homo oeconomicusAusschließlich an Nutzenmaximierung interessiert; handelt egoistisch und emotionslos

Annahmen zum Homo oeconomicus Modell

Im Modell des Homo oeconomicus wird angenommen, dass der Homo oeconomicus über einige Eigenschaften verfügt.

Grundsätzliche Annahmen für das Homo oeconomicus Modell:

  • Keine persönlichen Vorlieben oder Abneigungen
  • Umfassende Kenntnis über alle Märkte und Güter
  • Umfassende Kenntnis über mögliche Konsequenzen seines Handelns
  • Umfassende Kenntnis über alle Handlungsmöglichkeiten

Diese Annahmen verdeutlichen die Rolle des Homo oeconomicus als wirtschaftlichen Idealtypen. Er lässt sich nicht durch persönlich Empfindungen leiten und befindet sich in einer allwissenden Position was Märkte, Güter, das eigene Handeln und dessen mögliche Konsequenzen betrifft. Er kann somit sorgfältig abwägen, wie er Entscheidungen treffen sollte, um zum gewünschten Ziel zu gelangen.

Die Eigenschaften des Homo oeconomicus

Der Homo oeconomicus zeichnet sich durch bestimmte Eigenschaften aus. Diese beinhalten die

ausnahmslose Rationalität seines Handelns, sein Bestreben einer Nutzen- und Gewinnmaximierung, seine festgelegten Präferenzen und sein komplettes Wissen im Bezug auf Güter und Märkte. Diese Eigenschaften machen ihn zum Prototypen des maximal wirtschaftlich handelnden Menschen.

Homo Oeconomicus Merkmale

 

Rationalität im Handeln

Der Homo oeconomicus zeichnet sich durch ein rationales Handeln aus. Er lässt sich in keinem Fall von Emotionen beeinflussen, sondern verlässt sich komplett auf seinen Verstand. Er kann genau einschätzen, welches Handeln ihn an das gewünschte Ziel bringt, da er über eine komplette Kenntnis des Marktes verfügt und entsprechend seiner festgelegten Präferenzen handeln kann. Ohne dieses umfassende Wissen wäre kein objektiv rationales Handeln möglich.

Was ist die Nutzen- & Gewinnmaximierung?

Der Homo oeconomicus handelt prinzipiell auf eine Art und Weise, dass eine Nutzen- und Gewinnmaximierung sichergestellt ist. Er wird durch ein wirtschaftliches Denken geleitet, welches auf den größtmöglichen monetären Erfolg ausgerichtet ist.

Wichtig ist, dass mit dem kleinstmöglichen Einsatz der größtmögliche Gewinn gemacht werden soll. Die Theorie des Homo oeconomicus geht davon aus, dass die menschlichen Bedürfnisse nicht vollständig erfüllt werden können. Der Mensch befindet sich somit in einem andauernden Versuch, den eigenen Nutzen weiter zu steigern.

Festgelegte Präferenzen

Der Homo oeconomicus handelt nach festgelegten Präferenzen, die der Nutzen- und Gewinnmaximierung entsprechen. Die Präferenzen sich unabhängig von der Meinung anderer, von Emotionen oder persönlichem Empfinden, sondern werden rational und egoistisch festgelegt.

Der Homo oeconomicus lässt sich von nichts anderem beeinflussen als von seiner rationalen Denkweise. Er schafft es, äußere Einflüsse und persönliche Neigungen auszublenden. Wichtig ist, zwischen den festgelegten Präferenzen und den außen vor gelassenen persönlichen Vorlieben des Homo oeconomicus zu unterscheiden.

Was sind vollständige Informationen?

Die vollständigen Informationen, nach denen sich der Homo oeconomicus richtet, machen ihn zu einem allwissenden Idealtypen des wirtschaftlich agierenden Menschen. Er ist im kompletten Bewusstsein darüber, wie die Begebenheiten des Markts sind und wie sich dementsprechend sein Handeln auswirken wird.

Er besitzt eine komplette Marktinformation, die es ihm ermöglicht, rational nach eigenen Präferenzen zu handeln. Ohne diese vollständigen Informationen wäre keine rationale Vorgehensweise möglich.

Unterscheidung vom Homo cooperativus

Der Begriff des Homo cooperativus stellt einen alternativen Menschentypen zum Homo oeconomicus dar. Er stammt vom Wirtschaftswissenschaftler Holger Rogall. Der Homo cooperativus unterscheidet sich insofern vom Homo oeconomicus, als dass er das tatsächliche Verhalten des Menschen und dessen Denken und Handeln miteinbezieht.

Er handelt nicht wie der Homo oeconomicus ausschließlich motiviert durch den eigenen Nutzen, sondern verfügt über andere Eigenschaften wie Fairness, Verantwortungsbewusstsein, Hilfsbereitschaft usw. Er bezieht Faktoren wie Empathie und den Willen zur Kooperation in sein Handeln ein. Somit stellt er ein Modell dar, das dem Denken und Handeln des echten Menschen näherkommen soll als das des Homo oeconomicus.

Homo oeconomicus Beispiel

Jeder Mensch, der versucht, mit einem möglichst geringen Einsatz den größtmöglichen Ertrag zu erlangen, handelt im Prinzip des Homo oeconomicus. Beispiele dafür gibt es somit zahlreiche. Zu finden sind sie im alltäglichen Leben, beispielsweise beim Kauf von günstigen Produkten, bei berühmten fiktiven Figuren wie Dagobert Duck oder in den Führungspositionen von Unternehmen, wie beispielsweise Ex-General Electric Manager Jack Welch.

Um dies zu verdeutlichen, eignet sich folgendes Beispiel: Beim Kauf eines neuen Handys achtet der Homo oeconomicus darauf, zu einem möglichst geringen Preis das Produkt zu finden, welches ihm in seinen Eigenschaften am vielversprechendsten erscheint. Er lässt sich nicht von Emotionen leiten, würde sich nicht für ein teures Modell entscheiden, dessen Marke besonders beliebt ist, sondern achtet auf seine festgelegten Präferenzen.

Ist er beispielsweise viel unterwegs und benötigt eine lange Akkulaufzeit, sollte das Handy diese Eigenschaft besitzen. Persönliche Vorlieben wie die Farbe des Gerätes sind unwichtig. Der Homo oeconomicus hat viel recherchiert, um alle Angebote zu berücksichtigen und aus diesen die beste Möglichkeit auszuwählen.

Homo Oeconomicus Beispiel

 

Kritik: Wie realistisch ist das Modell des Homo oeconomicus?

Der Begriff des Homo oeconomicus stammt aus dem 19. Jahrhundert und wird heute noch in der Wirtschaftslehre benutzt. Trotzdem gibt es immer wieder Kritik an dem Modell, die die Idee vom wirtschaftlichen Idealmenschen als realitätsfern bezeichnet.

Verschiedene Punkte werden kritisiert:

  • Nicht der Realität entsprechend, da der Mensch nicht ausschließlich rational handelt
  • Ein vollständiges Wissen des Marktes ist schwer sicherzustellen
  • Emotionen werden komplett außer Acht gelassen
  • Persönliche Vorlieben und Abneigungen werden nicht berücksichtigt
  • Soziales und rationales Handeln stimmt nicht immer überein
  • Entwicklungen des Marktes können unvorhersehbar sein
  • Relevanz nicht empirisch belegt
  • Egoistisches Menschenbild

Ausgelöst durch diese aufkehrende Kritik entstanden Alternativmodelle zum Homo oeconomicus. Alternativen wie der Homo cooperativus werden zunehmend in die Wirtschaftslehre miteinbezogen. Sie gehen von einem weniger egoistischen Menschen aus, der sich durch andere Faktoren wie beispielsweise persönlichen Vorlieben und Abneigungen sowie Mitgefühl beeinflussen lässt.

Die Geschichte des Homo oeconomicus

Zum ersten Mal wurde die Idee des Homo oeconomicus von John Kells Ingram verwendet, der in seinem Buch „A History of Political Economy“ vom economic man sprach. Im Jahre 1906 wurde dann erstmals der lateinische Begriff homo oeconomicus benutzt, in Vilfredo Paretos Werk „Manuale d’economia politica“.

Doch erst durch Eduard Spranger und die Verwendung des Begriffs in seinen Beschreibungen der menschlichen Grundtypen wurde der Homo oeconomicus genauer definiert. Angeblich war es John Stuart Mill, der den Begriff des Homo oeconomicus dann in die ökonomische Lehre aufnahm. Seitdem gehört das Modell des Homo oeconomicus zu einem der bekanntesten der Wirtschaftstheorie, auf dem viele andere Wirtschaftsmodelle basieren.

Fazit zum Homo oeconomicus

Obwohl der Begriff des Homo oeconomicus schon seit Langem in der Wirtschaftslehre verwendet wird, ist er heutzutage noch von großer Relevanz. Kritiker bemängeln jedoch, dass der Homo oeconomicus ein realitätsfernes Modell ist, welches mit dem realen menschlichen Handeln nur wenig übereinstimmt. Trotz dieser Kritik und verschiedenen Alternativmodellen ist der Homo oeconomicus immer noch der bekannteste Entwurf vom wirtschaftlichen Idealmenschen.