Überraschender Boom: Bernstein überholt Gold
Bei Schmuck als Wertanlage denkt man in der Regel zunächst an Gold, Silber oder Diamanten. Bernstein hingegen wird eher mit älteren Damen und der Mode vergangener Tage in Zusammenhang gebracht – irgendwo liegen doch noch ein paar gute Stücke im Nachlasskästchen.
Die allerdings sollte man schleunigst aus dem Dornröschenschlaf erwecken.
Bernstein als Geldanlage – Chinesen treiben den Preis
Bernstein als Geldanlage ist gefragt wie lange nicht. Während Gold in der Anlegergunst und im Preis sinkt, steigt das mattgelbe Fossilharz aus der Tiefe der Ostsee zu ungeahnten Höhen auf. Ein echter Geheimtipp ist es zwar nicht mehr, denn seit einigen Jahren schon hat der Preis um mehrere Hundert Prozent zugelegt. Doch der Trend ist ungebrochen.
Wie so oft, spielen wohlhabende Asiaten die entscheidende Rolle. Vor allem in China ist Bernstein als Geldanlage ganz groß angesagt. Das erklärt sich mit einer kulturellen Besonderheit. In Asien spielen auch immaterielle Werte eine große Rolle. Bernstein wird eine heilende Wirkung nachgesagt. Er gilt als einer der sieben Steine, die Glück bringen und folgt im Rang gleich nach Jade, dem Sonderfall unter den Edelsteinen schlechthin.
Für die Chinesen ist Jade seit jeher die Verkörperung von Leben, Tod und universeller Ordnung. Da aber die Jadevorkommen langsam erschöpft sind, rückt Bernstein auf und damit sein Preis.
Form, Farbe und Zustand des Bernstein entscheiden
Kostet Gold derzeit ca. 37 € pro Gramm, bringt geschliffener Bernstein zwischen 50 € und 60 €. Allerdings kommt es ganz auf Form und Farbe an. In der Spitze werden sogar bis zu 400 € fürs Gramm erzielt. Vor rund 20 Jahren gab es gerade mal eine D-Mark.
Dabei ist die Nachfrage aus dem Ausland nicht einheitlich. Chinesen bevorzugen mattes Honiggelb als Farbe des Wohlstands. Araber hingegen sind von dunklen Ockertönen begeistert. Europäer und Amerikaner wiederum suchen eher klare, transparente Steine.
Bernstein ist gepresstes fossiles Harz von Nadelwäldern aus dem Tertiär vor gut 50 Mio. Jahren. Immer wieder finden sich eingeschlossene Fossilien wie etwa Insekten, sogenannte Inklusen. In Sammlerkreisen werden für die seltenen Stücke bis zu 1.000 € bezahlt, mit Urzeit-Skorpionen oder Flohkrebsen durchaus mehr. Auch weißer Bernstein ist extrem teuer und bringt bis zu 2.000 €.
Die Ostsee versorgt die Welt
Die Vorkommen sind vermutlich über die ganze Welt verstreut, doch Funde im großen Stil und organisierter Abbau beschränken sich traditionell und derzeit noch auf wenige Regionen. Eine kleinere, aktive Lagerstätte befindet sich in der Nordukraine. Etwas größer ist die Förderung beim Braunkohletagebau bei Bitterfeld, wo schon zu DDR-Zeiten gut 10 % des Weltbedarfs produziert wurde.
Das klassische Bernsteingebiet aber ist die Ostsee. Um gestrandete Steine reißen sich die Hobbysammler. Aus dem ehemaligen Ostpreußen jedoch, an der Samlandküste vor Königsberg/Kaliningrad stammen mindestens 80 % der Weltproduktion.
Hier kommt eine meterdicke Bernsteinschicht an die Oberfläche, die ihren Anfang in den Tiefen der Ostsee zwischen Lübeck und Rostock hat. Die Russen schätzen die Vorkommen allein in ihrem Bereich auf noch 600.000 Tonnen.
Von dort stammte auch das Material für das legendäre Bernsteinzimmer des Preußenkönigs Friedrich Wilhelm I, der es später Zar Peter dem Großen für sein Schloss in St. Petersburg schenkte. 1941 holte es die Wehrmacht als Beute nach Königsberg, wo es in den Wirren des Krieges verschwand – noch heute wird fieberhaft danach gesucht. Die offizielle Wertschätzung von bis zu 300 Mio. € dürfte sehr konservativ angesetzt sein.
Nur weniges verkauft sich gut
Wer nun vermutet, dass er Bernstein zur Geldanlage besitzt, sollte zunächst prüfen, ob es sich auch um Roh- oder Naturbernstein handelt. Letzterer ist bearbeiteter und geschliffener Rohbernstein. Dann am besten beim Fachmann schätzen lassen. Nur wenige Steine eignen sich für den lukrativen Weltmarkt. Für die meisten Fundstücke bekommt man nur 60 Cent pro Gramm.
Echt ist ein Bernstein, wenn er sich mit einer Flamme entzünden lässt oder, wenn er im Salzwasser schwimmt. Zudem ist er etwa so weich wie Gold. Allerdings ist das spezifische Gewicht von Gold gut 19 Mal so hoch. Für 60 € in gefragtem Zustand muss ein Bernsteinstück mindestens einen Kubikzentimeter groß sein.
Insgesamt mag Bernstein im Aufwind sein, doch sobald neue rentable Vorkommen gefunden werden, dürften die Preise nachgeben, spätestens wenn sich der Boom in Asien legt. Bis dahin kann man die Zeit nutzen. Langfristig aber ist Bernstein als Geldanlage weniger beständig als Gold.