Intel: Milliardenschwere Subventionen besiegelt
- Subventionen aufgestockt – Investitionsvolumen gesteigert
- Geopolitische Ziele: Unabhängigkeit von Asien
- Vollständige Entflechtung unrealistisch
- Aufwertung ostdeutscher Standorte durch Ansiedelung attraktiver Arbeitgeber?
- Intel investiert umfassend in Europa
- Intel Aktie auf Erfolgskurs – 30 Prozent Plus seit Jahresbeginn
Hoher Besuch zum Wochenauftakt in Berlin: Pat Gelsinger, Chef des US-Chipherstellers Intel, kam am Montag mit Bundeskanzler Olaf Scholz und weiteren Vertretern der Bundesregierung zusammen, um die Milliardeninvestition in Magdeburg zu besiegeln.
Subventionen aufgestockt – Investitionsvolumen gesteigert
Beide Seiten greifen für den neuen Intel-Standort tiefer in die Tasche als zunächst geplant: Die in Aussicht gestellten staatlichen Subventionen wurden von 6,8 auf 9,9 Milliarden Euro angehoben, insgesamt stieg das Investitionsvolumen für die neue Chipfabrik auf rund 30 Milliarden Euro.
Intel hatte zuvor bereits angekündigt, mehr Geld in die Hand zu nehmen, da sich die Kosten für Baumaterial und Energie im vergangenen Jahr erhöht hätten und außerdem modernere Chips als anfangs geplant in Magdeburg gefertigt werden sollen. Um die eigene Produktionsstätte herum soll ein Technologiepark entstehen, der die Ansiedelung von Zulieferern und weiteren Partnern anregen und insgesamt mehrere zehntausend Arbeitsplätze in der Region neu entstehen lassen soll.
Geopolitische Ziele: Unabhängigkeit von Asien
Mit der Ausweitung der öffentlichen Förderung konnte sich Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) gegen Finanzminister Christian Lindner (FDP) durchsetzen, der in den vergangenen Wochen immer wieder auf fehlende finanzielle Spielräume im Bundeshaushalt verwiesen und sich gegen eine Erhöhung der Subventionssumme gestemmt hatte. Zur finalen Besiegelung fehlt noch die Zustimmung aus Brüssel. Die gilt allerdings als Formsache: Denn genau wie die Bundesregierung verfolgt auch die Europäische Union nicht zuletzt geopolitische Ziele mit der Ansiedelung internationaler Technologiekonzerne wie Intel.
Deutschland und Europa wollen unabhängiger werden von Zulieferungen aus Fernost. Damit ziehen die Verantwortlichen die Konsequenzen aus den Krisen der vergangenen Jahre: Die Lockdowns während der Pandemie haben die Störanfälligkeit der weltumspannenden Lieferketten offengelegt, auch nach der Wiederaufnahme der Lieferungen dauerte es noch etliche Monate, bis die Rückstände aufgeholt werden konnten. Autos, Computer, Smartphones – wo immer Halbleiter gebraucht wurden, standen wegen des Chipmangels zeitweise die Bänder in den Produktionsstätten still.
Vollständige Entflechtung unrealistisch
Hinzu kommt seit dem Angriffskrieg Russlands in der Ukraine das zunehmende Bewusstsein für wirtschaftliche Abhängigkeiten: Das Ende russischer Energielieferungen nach Westen hat vor allem die Bundesrepublik hart getroffen. Die Einstellung der meisten Wirtschaftsbeziehungen zu Russland war für die Konzerne schmerzhaft, aber verkraftbar. Sollte es zu einem vergleichbaren Bruch mit China kommen, dürften die Auswirkungen deutlich verheerender ausfallen. Angesichts des schwelenden Konflikts um Taiwan erscheint es nicht unwahrscheinlich, dass es in den kommenden Jahren zu einer weiteren Verschärfung der geopolitischen Rivalitäten zwischen dem Reich der Mitte und der Europäischen Union kommen kann.
Eine vollständige wirtschaftliche Entflechtung halten Wirtschaftsexperten wie Politiker zwar für realitätsfern und auch nicht zielführend. Doch ein bisschen mehr Unabhängigkeit von asiatischen Zulieferern wünscht man sich in Berlin und Brüssel spätestens seit Beginn der Pandemie vor rund 3 Jahren.
Aufwertung ostdeutscher Standorte durch Ansiedelung attraktiver Arbeitgeber?
Für die Bundesregierung steht daneben eine Aufwertung des ostdeutschen Wirtschaftsstandorts im Fokus. Gut 30 Jahre nach der Wiedervereinigung haben viele Nachwuchskräfte die Region verlassen, es gibt Ortschaften mit leergefegten Straßenzügen. Ostdeutsche Städte wie Magdeburg, Brandenburg, Leipzig oder Dresden haben sich in den vergangenen Jahren als wissenschaftlich und wirtschaftlich attraktive Standortalternativen einen Namen gemacht. Der neue Intel-Standort mit angeschlossenem Technologiepark soll der Entwicklung weiteren Auftrieb verschaffen – so zumindest die Hoffnung der Bundesregierung.
Branchenexperten zweifeln hingegen an der Bereitschaft hochqualifizierter Nachwuchsfachkräfte, ihre Zukunft massenhaft im Raum Magdeburg zu suchen. Angesichts der hohen Konzerngewinne von Intel, die durch die neu entstehenden Werke noch steigen dürften, halten Kritiker verschiedener Wirtschaftsforschungsinstitute die geplanten Subventionen – zumal in der nun angestrebten Höhe von fast 10 Milliarden Euro – für eine Verschwendung von Steuergeldern, die im Bereich Forschung und Entwicklung von ansässigen Unternehmen und Hochschulen ihrer Einschätzung nach besser aufgehoben wären.
Intel investiert umfassend in Europa
Intel selbst plant seine Aktivitäten in Europa insgesamt auszubauen. So wurde in der vergangenen Woche bekannt, dass neben Magdeburg auch im polnischen Breslau ein neuer Standort entstehen soll, dessen Schwerpunkt die Produktion in der sachsen-anhaltinischen Landeshauptstadt ergänzen soll. Gut 4 Milliarden Euro sollen in das Werk fließen, in dem Endmontage und Testungen der in Magdeburg hergestellten Chips erfolgen sollen.
Am Montag folgte ein weiterer Paukenschlag: Mit rund 25 Milliarden Dollar will Intel bis 2027 seine Präsenz in Israel ausbauen, angelockt nicht zuletzt wohl durch dort gewährte Steuererleichterungen. Auch in Magdeburg soll die Halbleiterproduktion 2027 aufgenommen werden. Zusammen mit dem in Breslau neu entstehenden Werk würde Europa damit noch vor Ende des Jahrzehnts weitgehend unabhängig von asiatischen Lieferketten bei der Beschaffung wichtiger Halbleiter.
Intel Aktie auf Erfolgskurs – 30 Prozent Plus seit Jahresbeginn
Der Chipmarkt wird Prognosen zufolge in den kommenden Jahren auf knapp 1,4 Billionen Dollar wachsen, die Nachfrage in etlichen Branchen ist groß – und nimmt immer weiter zu. Ein Trend, der sich gerade mit der Elektrifizierung und Automatisierung am Automobilmarkt weiter beschleunigen dürfte.
Intel ist relativ spät auf den Zug aufgesprungen und versucht nun, im Wettlauf mit der Konkurrenz Boden gut zu machen. Die Milliardeninvestitionen in Europa sollen dabei helfen. Anleger sehen den US-Konzern auf einem guten Weg: Seit Beginn des Jahres hat der Kurs der Intel Aktie um rund ein Drittel zugelegt und konnte zuletzt ein Sechsmonatshoch erklimmen.