Teslas umstrittene Wachstumsstrategie: Koste es, was es wolle

An Tesla scheiden sich die Geister. Das war schon immer so. Ob es um die Produktaufstellung ging, um den schillernden Chef oder um die Aktie – über Tesla konnten sich Experten und Beobachter schon immer trefflich streiten.
Vom unterschätzten Pionier zum starken Konkurrenten
Kaum jemand hatte dem Elektroautopionier mit seinen paar tausend Fahrzeugen, die auch noch in der Luxusklasse angesiedelt waren, zugetraut, es ernsthaft mit den alteingesessenen Herstellern und ihrer jahrzehntelangen Erfahrung aufnehmen zu können. Inzwischen sind diese Stimmen weitgehend verstummt. CEO Elon Musk hat Tesla in den vergangenen Jahren unbeirrt vorangepeitscht, die Fahrzeuge begegnen einem auch in Deutschland immer häufiger im Stadtbild. Die Absatzzahlen sind massiv gewachsen – insbesondere, seit auch die gehobene Mittelklasse mit Tesla-Modellen bedient wird.
Totgesagt wurde die Tesla Aktie schon oft, doch statt einer „Flat Line“ zeigt sich der Kurs, ganz im Gegenteil, äußerst lebendig und volatil. Wer Glück hat beim Timing, konnte hier immer wieder satte Gewinne einfahren – wer hingegen kein glückliches Händchen hatte, konnte ebenso gut ein Vermögen verbrennen.
Tesla Aktie: Nichts für schwache Nerven
Die Tesla Aktie ist seit jeher ein Spiel mit dem Feuer und nichts für risikoscheue Anleger. Musk selbst ist zudem nicht gerade Anlegers Liebling. Der exzentrische Manager polarisiert mit seinen Meinungsäußerungen und kann es sich als einer der vermögendsten Menschen auf dem Planeten finanziell locker leisten, wenn die Aktie nach einer mutmaßlich unbedachten Äußerung für eine Zeit lang in den Keller rauscht. Anders als die meisten anderen CEOs ist Musk keineswegs auf Schönheitspflege des Aktienkurses bedacht. Ihn treiben ganz andere Visionen um, wie auch im Rahmen seiner sonstigen Tätigkeiten – SpaceX oder Twitter, um nur zwei zu nennen – deutlich wird.
In der Vergangenheit hat sich Musk mit der US-Börsenaufsicht FTC angelegt oder darüber sinniert, Tesla von der Börse zu nehmen (was bekanntlich nicht geschah). Verglichen damit wirkt der neueste Aufreger geradezu harmlos, denn es ist eine strategische Entscheidung, die zwar unter Anlegern und Analysten umstritten ist, aber nicht per se falsch sein muss.
Absatzwachstum um jeden Preis
Musk hat sich Ende vergangenen Jahres dazu entschlossen, auf die zunehmende Konkurrenz mit aggressiver Preispolitik zu reagieren. Zunächst in China, später nahezu weltweit wurden die Verkaufspreise für Tesla-Fahrzeuge zusammengestrichen und Kunden hohe Rabatte gewährt. Die Strategie geht auf, wenn man von der Prämisse ausgeht, dass Absatzwachstum um jeden Preis das erklärte Ziel des Unternehmens ist.
Tatsächlich konnte Tesla im Auftaktquartal mehr als 422.000 Fahrzeuge ausliefern und sicherte sich in Deutschland die Spitzenposition im Elektroautosegment. Mit weiteren Preisnachlässen, die Musk bereits in Aussicht gestellt hat, könnte die Nachfrage zusätzlich angekurbelt werden.
Chinesische Hersteller setzen Tesla unter Zugzwang
Relevant ist das vor allem im stark wachsenden chinesischen Automarkt: Dort streben zunehmend ortsansässige Hersteller das Elektroautosegment und verdrängen westliche Autobauer durch speziell auf chinesische Kundenwünsche zugeschnittene Fahrzeugausstattungen und Vertriebswege. Gerade die erstarkende Konkurrenz im Reich der Mitte setzt Tesla unter Zugzwang. Preisnachlässe sind dabei durchaus ein probates und wirksames Mittel, um potenzielle Kunden vom Kauf eines neuen Tesla zu überzeugen.
Die aggressive Preispolitik kann Tesla sich aufgrund seiner bereits starken Position zwar leisten – doch Beobachter reagierten alarmiert angesichts der Bruttomarge, die in der Q1-Bilanz mit 19,3 Prozent ausgewiesen wurde. Noch Anfang des Jahres hatte das Unternehmen betont, die 20-Prozent-Schwelle nicht unterschreiten zu wollen. Dass dies nun doch unmittelbar geschehen ist, lässt die kritischen Stimmen wieder lauter werden.
Anleger und Analysten besorgt um Bruttomarge und Gewinn
Unter anderem hat das US-Analysehaus Jefferies die Kaufempfehlung kassiert, die Tesla Aktie auf Halten heruntergestuft und das Kursziel drastisch von 230 auf 185 Dollar abgesenkt. Die Priorisierung der Absatzzahlen zu Lasten von Marge und Gewinn bewerten die Experten skeptisch.
Auch Anleger sehen eine solche Entwicklung nicht gern. Kurzfristig könnte die strategische Neuausrichtung negative Auswirkungen auf die Gewinnentwicklung der kommenden Quartale haben. Ob sich diese Durststrecke auf lange Sicht auszahlt durch eine Ausweitung der eigenen Marktanteile zum Leidwesen konkurrierender Hersteller, wird sich erst in der Rückschau zeigen. Bislang sind Musks umstrittene Tesla-Wetten meist aufgegangen, früher oder später. Der Weg dahin ist jedoch für Anleger, die die Tesla Aktie halten, stets ein wilder Ritt.
So auch diesmal: Die Tesla Aktie, die im vergangenen Jahr dramatisch abgestürzt war, ist schwungvoll ins Jahr gestartet, hat zuletzt aber wieder deutlich Federn lassen müssen. Doch wer auf dieses Papier setzt, weiß, was ihn erwartet.