Optimale Inflation: Warum hat die EZB 2 Prozent gewählt?

Optimale Inflation: Warum hat die EZB 2 Prozent gewählt?
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Als Verbraucher freut man sich natürlich über niedrige Preise. Bei geringen Lebenshaltungskosten bleibt mehr vom Geld übrig. Schließlich nagt die Inflation auch am Ergebnis jeder Geldanlage. Das aber ist zweischneidig. Denn Zuwächse durch Wirtschaftswachstum gehen in der Regel mit steigenden Einnahmen und Ausgaben einher.

Was ist die optimale Inflation?

Niedrige Zinsen bringen keine Zinserträge und fehlende Lohnzuwächse bremsen die Konsumfreude, was sich letztlich auf die Aktien der Unternehmen auswirkt. Ist die Inflation zu hoch, droht der Effekt wiederum zu verkippen. Die Zinsen steigen massiv, das Geld wird für alle teurer.

Doch was ist die optimale Inflation? In der Eurozone lag sie 2020 aufgrund der Corona-Pandemie im Durchschnitt bei 0,3 %. In den Monaten August bis Dezember 2020 war sogar eine Deflation von -0,3 % zu beobachten. Seit Januar 2021 steigt die Inflationsrate in der Euro-Zone wieder an und betrug im Mai 2021 2 %. Nach der ausgeprägten konjunkturellen Krise durch die Corona-Pandemie kommt die Wirtschaft langsam wieder in Fahrt. Dennoch: der aktuelle Wert gilt als gerade ausreichend und im Jahresmittel weiterhin zu niedrig.

Das gilt auch für Deutschland, wo die Inflation im Jahr 2020 ähnlich wie in der Euro-Zone nur um 0,5 % stieg. Seit Anfang 2021 ist allerdings in Deutschland ein gegenläufiger Trend erkennbar. Im Mai und Juni 2020 lag die Inflationsrate bei 2,5 % bzw. 2,3 %. Vor allem die höheren Energiepreise für Benzin, Öl und Gas sorgen für gestiegene Preise.

Die aktuellen Inflationsraten in der Euro-Zone und in Deutschland sind nach Ansicht der EZB optimal. Seit Jahren propagiert die Europäische Zentralbank ein Inflationsziel knapp unter 2 Prozent. 2021 sprach die aktuelle EZB-Chefin Christine Lagarde von einem symmetrischen Inflationsziel von 2 Prozent. Dies bedeutet für die Praxis, dass moderate und vorübergehende Abweichungen vom 2-Prozent-Ziel aus Sicht der EZB zielführend sind, solange diese nicht dauerhaft und signifikant sind. Die EZB ist als oberster Währungshüter für das Thema zuständig, denn das vordergründige Ziel einer Notenbank ist die Preisstabilität. Was aber nicht bedeutet, dass die Preise auf Dauer quasi unverändert gleichbleiben. Es kommt aufs Gesamtgefüge und die volkswirtschaftliche Entwicklung an.

Tiefstand nach Finanzkrise und Ölpreis-Crash

Als die Inflation in der Finanzkrise 2009 auf Nullkomma-Werte sank, machte plötzlich das Gespenst der Deflation die Runde. Wenn sich alle zurückhalten und warten bis alles noch billiger wird, droht eine Abwärtsspirale. Die EZB versuchte, die Inflation anzuheizen und begann mit der Politik des billigen Geldes. Vor allem in Deutschland wurden sofort Bedenken laut.

Zu sehr hat sich die Hyperinflation von 1923, als ein Frühstücksei, dass über Nacht mehrere Mio. Reichsmark kostete, ins kollektive Gedächtnis eingegraben. Doch mit der Flutung der Märkte lag die EZB letztlich genauso richtig wie etwa die Fed in den USA. Die Börsen waren im Aufwind, die Wirtschaft zog an. 2011 wurde in Deutschland eine Inflation von 2,1 % erreicht. Dass sie 2015 wieder auf Finanzkrisen-Niveau absackte, lag an den rapide gesunkenen Preisen für Öl und Rohstoffe.

Erneut musste die Zentralbank auf ihre optimale Inflation hinarbeiten. Die Zinsen blieben historisch niedrig. Ziel war Preisstabilität bei maximaler Beschäftigung. Das Kalkül: Bei einer leichten Teuerungsrate entsteht ein Anreiz Geld auszugeben bevor es noch teurer wird. Steigen die Preise hingegen zu sehr, droht die Inflation sozusagen davonzulaufen.

Puffer gegen Deflation

Eine als optimal empfundene Inflation wird zudem als ein gewisser Puffer gegen Nullinflation, Nullzins und Deflation gesehen. Nachdem die Gefahr einer Deflation gebannt scheint, ist das Ende der Nullzinsen als Stimulation für die Wirtschaft bereits in Sicht. Vom Sparer bis zu Banken und Versicherungen leiden viele unter den extrem niedrigen Zinsen.

So nachvollziehbar die Argumentation der EZB auch sein mag, es gibt keine zuverlässigen Daten, die eine Preisstabilität bei „nahe 2 %“ ergeben. Vor 2003 noch wurde sie bei einem Anstieg des Verbraucherindex um „weniger als 2 %“ definiert. Der frühere Korridor erlaubte ein deutlich flexibleres Agieren der Notenbank.

Schließlich ist ein Punktziel mit geldpolitischen Maßnahmen nur sehr schwer anzusteuern. Viel eher verleitet es zu ständigem Aktionismus, während etwas Gelassenheit für alle Beteiligten gut wäre.