Anlagestrategien bei gehobenen und gesenkten Leitzinsen

Anlagestrategien bei gehobenen und gesenkten Leitzinsen
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Inhaltsverzeichnis

Das Wichtigste in Kürze

  • Zentralbanken prüfen in regelmäßigen Abständen, ob eine Änderung der Leitzinsen notwendig ist.
  • Zinserhöhungen gibt es beim Leitzins meistens bei einer relativ hohen Inflationsrate.
  • Der Leitzins wird oft von Notenbanken gesenkt, wenn die Wirtschaft angekurbelt werden soll. 
  • Für Anleger ist es wichtig, in beiden Fällen eine passende Anlagestrategie zu haben.
  • Die Auswirkungen eines angehobenen und gesenkten Leitzins auf die Märkte sind gänzlich unterschiedlich.

Wenn vom Leitzins gesprochen wird, dann ist damit in der Regel der Hauptrefinanzierungsatz gemeint, auch wenn es streng genommen mehrere Leitzinsen gibt. Für gewöhnlich steuert die Zentralbank (zum Beispiel EZB) ihre Zinspolitik vor allen Dingen mit dem Leitzins, um eine Preisniveaustabilität zu erreichen. Deshalb kommt es häufiger vor, dass die Zentralbank entweder Erhöhungen oder Senkungen beim Leitzins vornimmt. 

In unserem Beitrag erfahren Sie, was Leitzinsanhebungen und Leitzinssenkungen jeweils für die Märkte bedeuten. Ferner gehen wir darauf ein, wie Privatanleger reagieren können, ob es entsprechende Strategien gibt und wie sich die Leitzinsentwicklung in den letzten Jahren dargestellt hat.

Was bedeutet eine Leitzinsanhebung für die Märkte?

Wenn die Europäische Zentralbank Zinserhöhungen beim Leitzins vornimmt, dann wirkt sich das auf die Märkte in verschiedenen Bereichen aus. Betroffen sind zum Beispiel Kredite, denn diese werden für gewöhnlich teurer, weil die Banken nach einer Erhöhung der Leitzinsen auch ihre Darlehenszinsen anheben. Darüber hinaus sind insbesondere Anleger von Leitzinserhöhungen betroffen, nämlich in Form der folgenden Märkte:

  • Verzinsliche Geldanlagen
  • Aktienmärkte
  • Immobilienmärkte
  • Devisenmärkte

Generell hat eine Erhöhung der Leitzinsen die Auswirkung, dass es für Kreditinstitute teurer wird, sich bei der Notenbank Geld zu leihen. Deshalb erhöhen die Banken ihrerseits die Darlehenszinsen, andererseits allerdings auch meistens die Zinsen für verzinsliche Geldanlagen. Das wiederum führt oft dazu, dass Anleger vermehrt ihr Kapital in sichere und verzinsliche Anlageformen investieren, insbesondere:

  • Spareinlagen
  • Tagesgeld
  • Festgeld
  • Anleihen

Für die Aktienmärkte hat eine Leitzinsanhebung durch die Notenbank – zumindest theoretisch, aber oft auch praktisch – eher negative Auswirkung. Da sichere Geldanlagen mit einer festen Verzinsung wieder attraktiver werden, ziehen manche Anleger ihr Kapital aus den Aktienmärkten zurück. Das kann für fallende Kurse an der Börse sorgen, zumindest für einen bestimmten Zeitraum.

Die Immobilienmärkte sind ebenfalls von einer Leitzinsanhebung betroffen, wenn die Auswirkungen auch nicht immer sofort zu erkennen sind. Normalerweise lässt die Nachfrage nach Betongold nach, weil aufgrund der Leitzinserhöhung die Banken ihre Darlehenszinsen anheben, somit auch die Bauzinsen. Es wird demnach für Investoren teurer, sich Geld zu leihen und diese zum Beispiel zum Kauf oder Bau einer Immobilie zu verwenden. Für Immobilienanleger bedeutet das, dass durch die gestiegenen Kosten die Rendite des Investments sinkt.

Was bedeuten Leitzinssenkungen für die Märkte?

Im Grunde haben seit Leitzinssenkungen in allen zuvor angesprochenen Bereichen die exakt gegenteilige Auswirkung. Lassen Sie uns das an dem folgenden Schema verdeutlichen:

  • Verzinsliche Anlageformen → Zinsen sinken → nachlassende Attraktivität für Anleger
  • Aktienmärkte → Aktien werden als Alternative attraktiver → steigende Kurse
  • Immobilienmärkte → Finanzierungen werden durch niedrigere Kreditzinsen günstiger → steigende Immobilienpreise 

Diese Auswirkungen einer Leitzinssenkung sind nicht immer sofort zu spüren und manchmal sogar nur in der Theorie vorhanden. So werden zum Beispiel die Kurse an den Börsen von zahlreichen, weiteren Faktoren beeinflusst und nicht nur von den Leitzinsen. Trotzdem sollten Anleger eine mögliche Anlagestrategie an den theoretischen Auswirkungen ausrichten, da diese relativ häufig eintreffen, wenn die Europäische Zentralbank den Leitzins um einige Prozentpunkte senkt oder erfolgt.

Info: Die meisten Auswirkungen von Leitzinsänderungen sind eindeutig und von der Europäischen Zentralbank so gewollt. In der Praxis muss das allerdings nicht immer 1:1 so aussehen, sodass eine Erhöhung oder Senkung des Leitzinses manchmal auch komplett an den Märkten vorbeigehen kann.

Wie sollten Privatanleger auf Erhöhungen oder Senkungen beim Leitzins reagieren?

Sowohl nach einer Leitzinserhöhung als auch einer Leitzinssenkung gibt es für Anleger keinen Anlass, umgehend aktiv zu werden. Meistens sind sowohl Senkungen als auch Anhebungen der EZB-Leitzinsen in mehreren Schritten üblich, sodass die EZB beispielsweise nicht den Zinssatz direkt um einen oder gar mehrere Prozentpunkte verändert. Anleger sollten daher zunächst die Entwicklung näher betrachten und darauf anschließend eventuell reagieren, beispielsweise nach dem 2. Zinsschritt in Folge. 

Sollte die EZB zum Beispiel das erste Mal seit langer Zeit eine Leitzinserhöhung und damit einen deutlichen Zinsschritt von beispielsweise 0,5 Prozent machen, können Privatanleger darauf durchaus bereits vielleicht reagieren. Sinnvoll wäre es dann, zum Beispiel einen Teil des Vermögens vermehrt in sichere und verzinsliche Geldanlagen zu investieren, weil zum Beispiel die Tages- oder Festgeldzinsen wieder attraktiver werden

Das gilt insbesondere unter der Voraussetzung, dass die Zentralbank die Leitzinsen in der Vergangenheit schon mehrfach erhöht hat. Kreditnehmer hingegen würden in dem Fall relativ zügig nach noch günstigen Darlehen suchen, wenn zum Beispiel ohnehin in nächster Zeit einer Baufinanzierung geplant ist.

Bei Zinssenkungen hingegen verhalten sich Privatanleger normalerweise anders. Die Reaktion würde so aussehen, dass vermehrt Gelder aus verzinslichen Anlageformen abgezogen werden, sondern stattdessen zum Beispiel in die folgenden Anlageprodukte fließt: 

  • Aktien
  • Aktienfonds & ETFs
  • Sachanlagen wie Edelmetalle oder Immobilien

Gibt es für Anleger gute Strategien?

Eine Strategie für Anleger, mit der auf Veränderungen der Leitzinsen reagiert wird, sind die zuvor bereits angesprochenen Umschichtungen. Das bedeutet, dass Sie zum Beispiel nach einer Leitzinserhöhung Kapital von den Aktienmärkten abziehen und vermehrt in verzinsliche Anlageformen investieren. Natürlich sollten Sie dabei berücksichtigen, ob Sie nicht durch den Verkauf von Aktien Verluste generieren würden. Dann wäre es auch nach einer Leitzinserhöhung sinnvoll, die Wertpapiere weiterhin im Depot zu halten und nicht nur wegen der Zinsänderung zu reagieren. 

Eine andere Strategie besteht darin, die Reaktion auf Leitzinsänderungen den Profis zu überlassen. Das ist zum Beispiel möglich, wenn Sie sich für die folgenden Finanzprodukte / Aktivitäten entscheiden:

  • Vermögensverwaltung nutzen
  • Aktiv gemanagte Mischfonds wählen
  • Vermögensberatung in Anspruch nehmen

Eine gute Grundlage ist generell eine Diversifikation Ihres Kapitals. So können Sie nach einer Leitzinsänderung relativ schnell reagieren, indem Sie Umschichtungen vornehmen. Das kann zum Beispiel nach mehreren Zinssenkungen so aussehen, dass Sie etwas Vermögen von Ihrem Tages- oder Festgeldkonto abziehen und dafür Aktien oder Fondsanteile erwerben. Auf diese Weise lassen sich teilweise sehr individuelle Anlagestrategien umsetzen.

Info

Strategien, mit denen Sie auf Leitzinsänderungen reagieren können, sollten möglichst individuell sein. Vor allem Anlageziele und Anlegertyp sollten dabei unbedingt berücksichtigt werden, ebenso Sicherheitsbedürfnis und Renditeerwartungen.

Wie war die Leitzinsentwicklung der EZB in den letzten Jahren und was ist zu erwarten?

In den letzten Jahren war die Entwicklung der Leitzinsen durch zwei Phasen geprägt. Bis Mitte 2022 lag der EZB-Leitzins zuvor über sechs Jahre auf einem Niveau von 0,0 Prozent. Die EZB hatte vorher den Leitzins immer weiter in Schritten gesenkt, da dadurch die schlechte Wirtschaftslage verbessert werden sollte.

Die sogenannte Zinswende gab es Mitte 2022, als die EZB den Leitzins das erste Mal nach über sechs Jahren wieder anhob. Grund war vorrangig die wachsende Inflationsrate, denn der Zielwert der EZB beträgt lediglich zwei Prozent. Da die Inflationsrate jedoch immer weiter stieg, folgten noch weitere Zinsschritte der Notenbank in die gleiche Richtung, also Leitzinsanhebungen. Insgesamt stieg der EZB-Leitzins zwischen Juli 2022 und September 2023 von 0,0 auf 4,5 Prozent in mehreren Schritten an.

Ob die Europäische Zentralbank weitere Zinsschritte in Form einer Leitzinserhöhung vorgenommen wird, ist unter Experten umstritten. Immerhin ist die Inflationsrate in Deutschland und im europäischen Raum in der jüngeren Vergangenheit (im Laufe des Jahres 2023) wieder gesunken. Zudem ist die Wirtschaft nach wie vor relativ schwach, was eigentlich eher für Zinssenkungen sprechen würde.