Lärm durch Kinder oder psychisch kranke Mieter – so gehen Sie richtig vor

Was Sie als Vermieter bei Kinderlärm und psychisch kranken Mietern akzeptieren müssen - und was nicht
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Lärmstörungen, die von Kindern oder von einem Mieter unverschuldet aufgrund einer psychischen Erkrankung verursacht werden, stellen in der Praxis eine besondere Herausforderung dar. Sowohl von Ihnen als auch von den übrigen Hausbewohnern wird diesen Personengruppen gegenüber eine erhöhte Toleranzbereitschaft gefordert. Ist jedoch durch extreme Störungen das Maß des Zumutbaren überschritten, müssen Sie zum Schutz der übrigen Hausbewohner tätig werden und dürfen das Mietverhältnis der störenden Mietpartei notfalls kündigen.

Wo Kinder leben, geht es meistens etwas lauter zu. Rennen, Schreien, Stampfen, Toben – das gehört zum Leben von Kindern und zu deren natürlicher Entwicklung dazu. Kinder lassen sich auch zu den Ruhezeiten nicht auf Knopfdruck leise stellen.

Kinderlärm ist sozialüblich und daher meist hinzunehmen

Die Rechtsprechung ist hier ganz klar: Lärm, der durch ein altersgerechtes und übliches kindliches Verhalten verursacht wird, ist grundsätzlich hinzunehmen (BGH, Urteil v. 29.04.15, Az. VIII ZR 197/14).

Urteil zu Kinderlärm

Das Baby schreit jede Nacht, das 4-jährige Kind rennt und hüpft durch die Wohnung, gelegentlich knallt eine Tür oder Bauklötze poltern auf den Boden. Das müssen Mitbewohner ertragen und dürfen die Miete nicht kürzen (LG Berlin, Urteil v. 08.01.19, Az. 63 S 303/17).

Höhere Toleranz bei schuldlos verursachtem Lärm

Nicht nur Kindern gegenüber ist eine größere Lärmtoleranz aufzubringen. Auch im Zusammenleben mit behinderten oder psychisch kranken Menschen wird von Mitbewohnern, Nachbarn und auch von Ihnen als Vermieter ein erhöhtes Maß an Toleranz gefordert. Dies wird letztlich auf die Wertentscheidungen des Grundgesetzes und dessen Regelung zurückgeführt, dass niemand wegen seiner Behinderung benachteiligt werden darf (Art. 3 Abs. 3 S. 2 GG).

Doch auch für diese erhöhte Toleranzanforderung gegenüber Kindern und gehandicapten Menschen gibt es Grenzen, ab denen Lärm nicht mehr als sozialüblich angesehen werden kann und von den Nachbarn nicht mehr hingenommen werden muss.

Das Schwierige in der Praxis besteht darin, dass diese Grenzen in jedem Einzelfall individuell zu bestimmen sind.

Bei Störungen durch Ihre Mieter sind Sie verantwortlich

Fühlen sich Mieter durch lärmende Mitbewohner gestört, ist es für Sie zunächst wichtig, sich ein genaues Bild von den behaupteten Beeinträchtigungen zu machen. Lassen Sie sich diese so genau beschreiben, dass für Sie klar wird,

  • um welche Art von Beeinträchtigungen es geht, zum Beispiel Partygeräusche, Musik, Kindergeschrei, Türenschlagen aus der Wohnung, Toben im Treppenhaus,
  • zu welchen Tages- oder Nachtzeiten die Störungen auftreten,
  • über welche Zeitdauer sie anhalten, also etwa über wenige Minuten oder mehrere Stunden,
  • wie häufig sie ungefähr auftreten, mehrmals am Tag oder nur einmal pro Monat, erst seit Kurzem oder bereits über mehrere Jahre,
  • welche Intensität und Auswirkungen der Lärm hat, mäßig laut, laut oder sehr laut, und ob beispielsweise Mieter aus nächtlichem Schlaf gerissen oder am Arbeiten im Homeoffice gehindert werden.

In der Praxis stellt sich meistens schnell heraus, ob an den Beschwerden des Mieters etwas dran ist. Handelt es sich um übliche Lebensäußerungen von Kindern, machen Sie dem Mieter deutlich, dass diese von ihm und allen Mitbewohnern ohne Mietminderung hinzunehmen sind.

Mein Tipp: Protokoll durch Mieter

Sind die Lärmstörungen, über die Ihr Mieter sich beschwert, nicht von der Hand zu weisen, machen Sie ihm deutlich, dass Sie nur wirklich durchgreifen können, wenn Ihnen ein Lärmprotokoll vorliegt.

Nicht jeder Kinderlärm ist hinzunehmen

Welcher Kinderlärm von den übrigen Hausbewohnern hinzunehmen ist, hängt vor allem ab von:

  • Alter und Entwicklungsstand des Kindes
  • Gesundheitszustand
  • Art, Dauer und Häufigkeit der Geräuschentwicklung
  • Tages- oder Nachtzeit
  • Ort der Störung
  • Vermeidbarkeit, etwa durch objektiv gebotene erzieherische Einwirkung der Eltern

Nächtliches Schreien eines Babys etwa ist zu dulden, doch wird Schreien oder Türenknallen bei Schulkindern zum täglichen Dauerzustand, braucht das niemand zu akzeptieren.

Auch dürfen das Treppenhaus, der Aufzug, der Dachboden oder Fahrradkeller nicht als Spielplätze missbraucht werden. Auf den gemeinschaftlichen Außenanlagen dürfen Kinder mit ihren Freunden jedoch spielen, grundsätzlich auch sonntags und in den Ruhezeiten. Die Eltern müssen jedoch darauf hinwirken, dass ihre Kinder auf die übrigen Hausbewohner Rücksicht nehmen und beispielweise während der Ruhezeiten ruhiger spielen, soweit dies aufgrund des Alters und Verständnisses der Kinder zumutbar ist.

Danach ist gelegentliches Rennen und Springen von Kindern selbst in Altbauten zu tolerieren, auch wenn durch die verursachten Schwingungen Gläser in den Schränken klirren. Ebenso sind vereinzelte Lärmspitzen, etwa bei einem Kindergeburtstag, als sozialadäquat hinzunehmen (LG Berlin, Urteil v. 08.01.19, Az. 63 S 303/17).

Die Grenze des Zumutbaren dürfte aber deutlich überschritten sein, wenn über Monate hinweg massive Lärmstörungen durch heftiges Stampfen, Springen, Poltern sowie durch Schreie und lautstarke familiäre Auseinandersetzungen auftreten, bisweilen mehrmals am Tag, und die Störungen größtenteils zwischen einer und 4 Stunden andauern (BGH, Beschluss v. 22.08.17, Az. VIII ZR 226/16).

Mein Tipp: Eltern ansprechen

Wenden Sie sich bei unzumutbarem Kinderlärm immer an die Eltern. Diese sind verantwortlich dafür, erzieherisch auf ihre Kinder einzuwirken und sie zu Ruhe und Rücksichtnahme anzuhalten. Sie als Vermieter oder Verwalter dürfen die Kinder weder beschimpfen noch bestrafen.

Überschreitet der Lärm des störenden Kindes die Grenze des Hinnehmbaren, sind die übrigen Mieter, die in ihrem berechtigten Ruhebedürfnis unzumutbar beeinträchtigt werden, zur Mietminderung berechtigt. Für Ihre Mieteinbußen können Sie von der störenden Mietpartei Schadenersatz verlangen. Außerdem können und sollten Sie dann zum Schutz der übrigen Mieter und Ihrer eigenen finanziellen Interessen die störende Mietpartei abmahnen. Dauern die unzumutbaren Störungen trotz Abmahnung und Hinweis der Eltern auf ihre erzieherischen Pflichten an, dürfen Sie das Mietverhältnis schließlich auch kündigen (§§ 543 Abs. 1, 569 Abs. 2, 573 Abs. 1 und Abs. 2 Ziff. 1 BGB).

Kündigung psychisch Kranker: umfassende Interessenabwägung

Lebt ein psychisch kranker, verhaltensauffälliger, möglicherweise schuldunfähiger Mieter in Ihrer Hausgemeinschaft, sollten Sie – soweit Ihnen die Einschränkungen bekannt sind – von vornherein mit Verständnis und erhöhter Toleranz auf die Störungen reagieren und zugleich mit Fingerspitzengefühl bei den übrigen Hausbewohnern auf eine erhöhte Toleranzbereitschaft hinwirken.

Die Beendigung eines Mietverhältnisses mit einem psychisch kranken Mieter ist schwer – aber nicht unmöglich. Letztlich geht es hier immer um eine Einzelfallentscheidung: Die Belange des Mieters, des Vermieters und der übrigen Hausbewohner sind gegeneinander abzuwägen, wobei die Wertentscheidungen des Grundgesetzes und die besondere Schutzbedürftigkeit des kranken Mieters zu berücksichtigen sind.

Folgende Aspekte spielen bei der Abwägung häufig eine Rolle:

  • Art, Dauer und Häufigkeit der Störung
  • Tages- oder Nachtzeit
  • (Etwaiges) Verschulden des Störers
  • Erfolgte Abmahnungen
  • Maß der Beeinträchtigung der übrigen Hausbewohner
  • Beeinträchtigung für den Vermieter, auch finanzieller Art
  • Dauer des (störungsfreien) Mietverhältnisses
  • Wahrscheinlichkeit zukünftiger Verbesserung der Situation
  • Folgen von Kündigung und Umzug für den kranken Mieter

Die Verpflichtung zur Toleranz endet jedenfalls, wo durch das Verhalten des psychisch erkrankten Mieters die Gesundheit anderer Mieter im Haus ernsthaft gefährdet wird, etwa wenn nächtlicher Lärm über Monate hinweg zu andauernden Schlafstörungen bei den Bewohnern benachbarter Wohnungen führt (LG Frankfurt/Main, Beschluss v. 28.12.15, Az. 2-11 S 248/15).

Eine Grenze ist ebenfalls erreicht, wenn massive Lärmstörungen zu Tages- und Nachtzeiten trotz mehrfacher Abmahnungen fortgesetzt werden mit der Folge, dass andere Mieter wegen dieser Störungen kündigen, eine Neuvermietung angrenzender Wohnungen nicht möglich ist und der Vermieter dadurch zusätzliche finanzielle Verluste erleidet (VerfGH Sachsen, Beschluss v. 30.08.23, Az. Vf. 40-IV-23 (HS).

Übersicht: In diesen Fällen war die Kündigung des psychisch kranken Mieters erfolgreich

Der psychisch kranke, schuldunfähige Mieter verursacht wiederholt massive Lärmstörungen zu Tages- und Nachtzeiten. Andere Mieter kündigen wegen dieser Störungen und eine Neuvermietung der angrenzenden Wohnung ist dem Vermieter nicht möglich.VerfGH Sachsen, Beschluss v. 30.08.23, Az. Vf. 40-IV-23 (HS)
Der psychisch kranke Sohn des Mieters schreit über Wrchen teilweise täglich lautstark, wirft schwere Gegenstände in der Wohnung umher, droht anderen Mietern an, sie „abzustechen“, und verängstigt dadurch erheblich die Kleinkinder einer Mitmieterin.LG Saarbrücken, Beschluss v. 12.05.23, Az. 10 S 3/23
Die schuldunfähige, psychisch kranke Mieterin stört über einen längeren Zeitraum den Hausfrieden, dann zieht sie eine Nachbarin an den Haaren, drückt sie an die Wand und sprüht ihr Pfefferspray ins Gesicht.LG Hamburg, Beschluss v. 23.06.21, Az. 316 T 24/21
Der an einer posttraumatischen Belastungsstörung leidende Mieter stört die Hausgemeinschaft durch rücksichtslos lautes Musikhören, nahezu täglich jeweils nachmittags über mehrere Stunden. Mieter ziehen wegen des Lärms aus. Ein Schichtarbeiter kann selbst mit Ohrstöpseln tagsüber nicht schlafen.AG Peine, Urteil v. 07.08.19, Az. 16 C 284/17
Aufgrund einer psychischen Erkrankung fängt die inzwischen 88-jährige Mieterin nachts an zu schreien, sodass die über ihr wohnenden berufstätigen Mieter seit inzwischen mehr als 2 Jahren nachts zwischen 23 und 3 Uhr aus dem Schlaf gerissen werden, mit der Folge, dass deren Gesundheit ernsthaft gefährdet ist.LG Frankfurt/Main, Beschluss v. 28.12.15, Az. 2-11 S 248/15