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Spekulationen mit Phantomgeschäften: Finanzskandale der ʹ80er und ʹ90er Jahre

Inhaltsverzeichnis

Filme, wie Wall Street und American Psycho, oder Büchern, wie Jeff Stewarts The Den of Thieves, werden heute noch sehr oft geschaut. Die Zuschauer bekommen dadurch immer wieder Einblicke in die Welt von Börsenspekulanten wie beispielsweise Ivan Boesky und Co.

Einer der berühmtesten Skandale betraf die Investmentbank Kidder, Peabody & Co. Ende der ʹ80er Jahre und zog sich bis in die ʹ90er.

Kidder, Peabody & Co. – Der erste Finanzskandal

Die 1980er endeten nicht gerade glücklich für Kidder, Peabody & Co.: Ihr Star Banker Marty Siegel stand gemeinsam mit Ivan Boesky und Michael Milken im Mittelpunkt der Skandale um Insidergeschäfte, die 1987 ans Licht kamen.

Der damalige US-Staatsanwalt Rudy Giuliani forderte eine Geldstrafe von 26 Millionen Dollar.

General Electric (NYSE: GE), bis dahin Hauptanteilseigner von Kidder, Peabody & Co., übernahm Zahlung der Geldstrafe und integrierte die Investmentbank so in ihren Konzern.

Unter dem Management von Silas Cathcart und seinem Nachfolger Mike Carpenter wurde GE schnell wieder ertragsfähig.

Joseph Jett – der neue Star am Aktienhimmel?

Allerdings war das noch nicht das Ende der Schwierigkeiten mit Kidder, Peabody & Co. Joseph Jett, MIT-Absolvent und MBA der Harvard Business School, wurde 1991 als Anleihenhändler im Bereich Staats- und Regierungsanleihen eingestellt.

Durch seine Abschlüsse hatte man hohe Erwartungen an Jett, die er auch mehr als erfüllte. Schnell wurde er zum Manager des Jahres und bekam neue Ressorts zugeteilt.

Dabei bestand sein Job hauptsächlich darin, Profite von „Plain-Vanilla“-Staatsanleihen und Nullkupon-Anleihen von den jeweiligen Preisunterschieden abzugrenzen.

Fehler im System und Phantomgeschäfte

Zu seinen Aufgaben zählte es, Anleihen auseinander zu nehmen und/oder wieder zusammen zu setzen, um von Arbitrage-Situationen zu profitieren zu können.

Bei seinen Kalkulationen entdeckte er einen Fehler im Computersystem des Unternehmens: Es handelte bereits im Vorfeld alle Tauschgeschäfte von Nullkupons mit richtigen Anleihen als Kauf/Verkauf („forward deals“).

Dabei hielt das System die Gewinne fest, auch wenn die Geschäfte nach Abschluss wertlos waren. Manche dieser Strips und Rekonstitutionen passierten bereits fünf Tage voraus.

Solche Termingeschäfte stehen zwar im Bereich Staatsanleihen an der Tagesordnung, jedoch nicht für Rekonstitutionen (da eine Rekonstitution kein Handel ist, sondern eine Reihe von Anpassungen an Indexzahlen).

Das Computerprogramm von Kidder, Peabody & Co. war darauf angelegt, Profite zu notieren und gleichzeitig Zeit zu gewinnen, bis die Geschäfte geregelt waren.

Indem Joseph Jett seine Geschäfte immer weiter im Voraus abhandelte, war er in der Lage, auch immer weiter Gewinne abzuschöpfen.

Die tatsächlichen Transaktionen wurden jedoch immer weiter nach hinten verschoben und würden natürlich Verluste im Wert der von Jett abgeschöpften Gewinne einfahren.

Eine aktualisierte Version des Programms enthielt noch immer denselben Systemfehler, so dass Jett seine Phantomgeschäfte fortführen konnte.

Verraten und verkauft – Der zweite Skandal

GE fiel jedoch auf, dass das Portfolio von Kidder, Peabody & Co. zunehmend aus Anleihen bestand und Kidder mehr Kapital einsetzte, als vom Vorstand vorgesehen war und drohte, ihre Anteile zu veräußern.

Kidder, Peabody & Co. mussten reagieren. Erst recht, da die Verluste, die durch Joseph Jetts Phantomgeschäfte entstanden waren, sich mittlerweile auf eine Summe von 350 Millionen Dollar beliefen.

Um der Sache näher auf den Grund zu gehen, wurden interne Ermittlungen eingeleitet und Joseph Jett flog auf.

Auch der SEC (Securities & Exchange Commission) war mittlerweile aufgefallen, dass Jett erstaunlich hohe Prämien gezahlt wurden (insgesamt eine Summe von 8 Millionen Dollar), so dass nun auch externe Ermittlungen gegen ihn angestellt wurden.

Doch Joseph Jett drehte den Spieß um und beschuldigte Kidder, Peabody & Co., die Transaktionen wissentlich unterstützt zu haben.

Laut Jett wollten Kidder durch weitere Gewinne ihre Anteile von GE zurückkaufen, um sich von der neuen Muttergesellschaft schnell wieder lösen zu können.

Das Urteil und die Folgen

Zahlreiche Aufnahmen von Telefonaten zwischen Jett und dem Kidder, Peabody & Co.-Management wurden vor Gericht zugelassen und als Beweisstücke gewertet.

Joseph Jett wurde daher freigesprochen, musste später jedoch aufgrund der Hinweise auf Betrug durch eine fehlerhafte Buchführung eine Geldstrafe von 8 Millionen Dollar zahlen.

GE trennte sich von Kidder, Peabody & Co. und verkauften die Investmentbank an Paine. Es ist stark anzunehmen, dass die Größenordnung der beiden Skandale um Kidder langsam zu viel für GE wurde und sie sich deshalb von der Tochtergesellschaft lossagten.