Exportüberschüsse in Deutschland: Geht das wirklich auf Kosten anderer?

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Gleich ob Maschinenbau, Industrieanlagen oder der Automobilsektor, die stabilen Erträge freuen jeden Anleger. Und Deutschland hat es wieder mal geschafft: Mit über 1,2 Bio. € wurde 2016 mehr exportiert als je zuvor. Auch die Importe sind gestiegen, auf rund 954 Mrd. €. Unterm Strich ergibt sich einmal mehr ein Exportüberschuss.

Exportüberschuss: Auswirkungen nicht politisieren

Die Auswirkungen werden sofort kontrovers diskutiert. Umso mehr als es gelungen ist, China wieder auf Platz zwei zu verweisen, gefolgt von Japan. Das Ausfuhr-Trio wird seit langem fast rituell kritisiert – und nun offen von Trump angefeindet. Kein Wunder, denn das amerikanische Defizit beläuft sich auf 478 Mrd. US-$. Dabei argumentiert er genauso einseitig wie viele andere Kritiker.

So werden beim Exportüberschuss die Auswirkungen schnell auf die Verteilung von Kapitalströmen, Leistung und Verschuldung reduziert: „Die Exportmeister verbrauchen weniger als sie produzieren und ausführen, während das Ausland sich dafür verschuldet.“ Der Gedanke taugt aber kaum für Bereicherungsvorwürfe. Jeder Volkswirtschaftler weiß: Überschüsse sind per se weder gut noch schlecht. Es kommt auf den Umgang damit an. Dafür muss man sie im Kontext erkennen.

Wertschöpfungsanteile relativieren das Bild

Beispiel USA: Bei genauer Betrachtung trägt das Land selbst zu den Überschüssen etwa Chinas bei. Dies wird deutlich, wenn man nicht nur die bilateralen Daten und einfachen Bruttoströme anschaut, sondern zugleich den ausländischen Wertschöpfungsanteil. Im Fall der USA wären das beispielsweise importierte Vorleistungen wie Elektrotechnik oder Software. Rechnet man die heraus, fällt der Überschuss schon spürbar niedriger aus.

Transnationale Wertschöpfungsketten mit Auslandsanteilen spielen auch im Verhältnis zu Deutschland eine Rolle. Allein der wichtige Bereich Dienstleistungen und Software, welcher die Warenproduktion ermöglicht, fällt zugunsten der USA aus. Ebenso übrigens Finanzdienstleistungen. Der Vorwurf einer unfairen Übervorteilung relativiert sich in dem Moment erheblich.

Exportüberschüsse verzeichnet Deutschland genauso innerhalb der EU. Einfuhren in Höhe von 632,5 Mrd. € stehen Ausfuhren von insgesamt 707,9 Mrd. € gegenüber. Auch hier die Kritik, dass sich die Deutschen an anderen „bereichern, indem sie die Märkte mit Produkten überschwemmen und selbst nur sparen“. Der Überschuss von 8,7 % des Bruttoinlandsprodukts gefährde das Gleichgewicht in der EU. Das aber ist ebenso kurz gegriffen wie Lösungsvorschläge zu mehr Investitionen im eigenen Land.

Keine Einbahnstraße

Zunächst: Deutschland profitiert von seiner starken Wirtschaft genauso wie seine Handelspartner. Es ist weltweit drittgrößter Exporteur, zugleich aber auch Importeur. Es sorgt mit Direktinvestitionen für Millionen von Arbeitsplätzen – nicht nur in Europa. Im Inland selbst sind die Löhne stärker als das Produktivitätswachstum gestiegen, was den Konsum spürbar belebt. Die Prognosen zeigen einen neuen Trend: Der Bilanzüberschuss wird geringer.

Gleichzeitig macht das Gleichgewicht in der Eurozone Fortschritte. Allein die Reformen und Erholung der spanischen oder irischen Wirtschaft bremsen den deutschen Überschuss. Abgesehen davon geht ein Großteil von ihm auf Exporte in Schwellenländer zurück.

Und öffentliche Investitionen? Der Blick in die Statistik zeigt für 2016 einen Anstieg um ganze 7,7 %: Forschung, Bildung, Infrastruktur – viel mehr als zuvor. Auch wenn die hohe Zuwanderung und Wohnungskrise ihren Anteil haben. Wer etwa ein Superprogramm à la Trump fordert, muss sich fragen, wie viele Importe dafür überhaupt nötig wären.

Dass es übrigens mit den Straßensanierungen, Brücken etc. nicht so offensichtlich vorangeht, hat einen vielfach übersehenen Grund: Die Baukosten sind erheblich gestiegen. Zudem fehlen an allen Ecken Planer und Ingenieure.

Das System ist ausgedünnt, seitdem der letzte große Boom nach der deutschen Wiedervereinigung abgeebbt ist. Damals übrigens hatte Deutschland zehn Jahre lang mehr ein- als ausgeführt, um die marode DDR zu sanieren. Das Defizit hatte niemanden veranlasst zu behaupten, Deutschland werde von seinen Handelspartnern ausgebeutet.

Als Anleger profitieren

Aktuell stehen die Zeichen in Europa auf wirtschaftliche Erholung und damit auf Ausgleich. Die Eurozone selbst hat einen Exportüberschuss von 400 Mrd. €.  Und im Verhältnis zu den USA darf man nicht übersehen: Die US-Wirtschaft wächst viel schneller und stärker. Trump beklagt zwar einen Zusammenhang zwischen deutschen Exporterfolgen und zu schwachem Euro. Doch als der stärker war, kauften die Amerikaner genauso Produkte von Siemens, BMW oder Daimler.

Zudem werden die Erlöse deutscher Exporteure zum Teil in US-Investments angelegt. Der Überschuss besteht letztlich darin, dass der deutsche Investor eine Forderung in den USA hat. Das wiederum nennt sich Kapitalexport. Auch darin ist Deutschland Weltmeister.

Als Anleger jedenfalls kann man die Potenziale der deutschen, europäischen sowie amerikanischen Wirtschaft ins Depot holen. Beispielsweise mit drei ETFs, jeweils auf den Dax bzw. Mdax, Eurostoxx 50 oder Dow Jones.