Mehrplatzbörse Euronext will Allfunds übernehmen
In der vergangenen Woche hat eine Nachricht den europäischen Finanzsektor wachgerüttelt: Europas größter Börsenbetreiber Euronext will seine führende Position auf dem europäischen Finanzmarkt weiter ausbauen und hat der britischen Fondsplattform Allfunds am Mittwoch Nachmittag ein unaufgefordertes Übernahmeangebot unterbreitet.
Wenig später bestätigte die in London ansässige Fondsplattform Allfunds Group plc in einer kurzen Pressemitteilung, ein unaufgefordertes, indikatives und bedingtes öffentliches Angebot von Euronext N.V. für das gesamte ausgegebene und ausstehende Aktienkapital erhalten zu haben.
Kombination aus Barangebot und Aktientausch
Während die in Amsterdam beheimatete Euronext keine Angaben zum gebotenen Preis machte, ließ Allfunds in seiner Pressemitteilung die Katze aus dem Sack: die Mehrländerbörse Euronext will satte 5,5 Mrd. Euro in bar und Aktien für die Übernahme des größten Fondsvertriebsunternehmens Europas auf den Tisch blättern.
Euronext bietet in Summe 8,75 Euro für jede Allfunds-Aktie. Davon will Euronext 5,69 Euro pro Aktie in bar bezahlen und den Rest der Summe mit 0,04059 neuen Euronext-Aktien abgelten. Bei knapp 630 Mio. ausgegebener Allfunds-Papiere summiert sich die Euronext-Offerte somit nach Adam Riese auf etwa 5,5 Mrd. Euro.
Die beiden Unternehmen im Kurzporträt
Auch wenn die beiden Unternehmen nicht ganz unbekannt sein dürften, möchte ich Sie Ihnen in einem kurzen Porträt vorstellen. Allfunds ist laut eigenen Angaben eines der führenden globalen Vermögensverwaltungsunternehmen mit einem auf Fondshäuser und Vertriebsgesellschaften zugeschnittenen Dienstleistungsangebot.
Allfunds bietet mit seiner Plattform das größte Fondsvertriebsnetz mit Zugang zum weltweit umfassendsten Universum an Investmentfonds, ETFs und alternativen Anlagen. Darüber hinaus bietet das Unternehmen u.a. Dienstleistungen in den Bereichen Vermögensverwaltung, Bankgeschäfte und Investitionen an.
Laut eigenen Angaben verwaltet das im Jahr 2000 gegründete Unternehmen ein Vermögen von mehr als 1,3 Mrd. Euro und arbeitet mit fast 3.000 Fondsgruppen zusammen. Im Geschäftsjahr 2021 erwirtschaftete Allfunds einen Umsatz von 2,67 Mrd. Euro. Der operative Gewinn (EBIT) lag bei knapp 90 Mio. Euro.
Euronext betreibt die führenden Börsen in Belgien, Frankreich, Irland, Italien, den Niederlanden, Norwegen und Portugal. Darüber hinaus betreibt Euronext einen der führenden elektronischen Märkte für den Handel mit festverzinslichen Wertpapieren in Europa und ist das weltweit größte Zentrum für die Notierung von Anleihen und Fonds.
Die Marktkapitalisierung aller an den Euronext-Börsen gelisteten knapp 2.000 Unternehmen belief sich Ende 2022 auf rund 6,3 Bio. Euro. In 2021 erwirtschaftete Euronext einen Jahresumsatz von 1,29 Mrd. Euro. Der operative Gewinn (EBIT) lag bei 620 Mio. Euro.
Euronext hat in den letzten Jahren durch zahlreiche Zukäufe, darunter die Übernahme der Mailänder Börse in 2021 für 4,4 Mrd. Euro, der Dubliner Börse in 2018 für 137 Mill. Euro und der Osloer Börse in 2019 für rund 690 Mio. Euro, einen strammen Expansionskurs gefahren.
So reagierte die Börse
Die Anleger reagierten auf die Veröffentlichung des unverbindlichen Angebots sehr unterschiedlich. Während der Kurs der Allfunds-Papiere wahre Freudensprünge hinlegte, brach der Euronext-Kurs deutlich ein.
Konkret legte die Allfunds-Aktie am 22.02.2023 an der Amsterdamer Börse stolze 17,2% zu und ging mit 8,60 Euro in den Feierabend. Damit lag der Kurs nur noch leicht unter den von Euronext gebotenen 8,75 Euro. Die Investoren sind offensichtlich davon überzeugt, dass es zu einer Übernahme kommen wird.
Ganz anders war es beim Kurs der Euronext-Aktie. Dieser verlor am vergangenen Mittwoch an der Pariser Börse stolze 7,4% und lag beim Erklingen der Schlussglocke bei 71,12 Euro. Die Investoren sind offenbar der Ansicht, dass die gebotenen 5,5 Mrd. Euro zu hoch ausgefallen sind.
Euronext führt Gespräche mit Großaktionären von Allfunds
Euronext hat erklärt, dass es bereits Gespräche mit den Großaktionären von Allfunds über einen möglichen Verkauf ihrer Aktienpakete führt. Konkret geht es dabei um die Private-Equity-Gesellschaft Hellman & Friedman und der französischen Bank BNP Paribas, die zusammen 46,4% der Aktien von Allfunds besitzen.
Wie es weitergehen kann
Beide Parteien betonen in ihren kurzen Pressemitteilungen, dass es sich bisher um ein unverbindliches Angebot handelt und es nicht sicher ist, ob es zu Verhandlungen bzw. einem verbindlichen Übernahmeangebot kommen wird.
Der Vorstand der Allfunds Group plc teilte weiter mit, dass er das Angebot prüfe. Euronext behält sich derweil das Recht vor, die Bedingungen noch zu ändern.
Das Handelsblatt spekuliert darauf, dass noch weitere Bieter ihre Hüte in den Ring werfen könnten und nennt explizit die Deutsche Börse. Ein mögliches Bietergefecht würde den Kaufpreis sicherlich noch in die Höhe treiben können.