Polen vergrault Investoren – bietet aber großes Potenzial
Rein den Zahlen nach zeigt sich jenseits von Oder und Neiße ein Bild, das es nahe legt in Polen zu investieren. Spätestens seit seinem EU-Beitritt hat das Land eine eindrucksvolle Entwicklung durchgemacht inklusive Liberalisierung und Deregulierung der einst staatlichen Wirtschaftsstruktur.
Die Bruttowertschöpfung erfolgt mittlerweile zu 63 % im Dienstleistungssektor, 34,2 % entfallen auf Industrie plus Baugewerbe und 2,8 % auf die Landwirtschaft.
In Polen investieren – die Zahlen sind nicht schlecht
Die vergangenen Jahre waren von einem durchgängig positiven Wirtschaftswachstum geprägt. Etwas stärker als im Jahr zuvor legte 2015 das Bruttoinlandsprodukt (BIP) um 3,6 % zu. Die Prognose für 2016 musste nach unten korrigiert werden, doch ein Wachstum von 3,2 % nimmt sich immer noch gut aus. Für dieses Jahr wird gar von 3,8 % ausgegangen.
Ein weiterer Grund in Polen zu investieren: Es ist eine der am stärksten wachsenden Volkswirtschaften Europas und weltweit die Nummer 34 der größten Märkte. Zudem steht es mit einer Arbeitslosenrate von 10 % besser da als etwa Spanien oder Italien. Die Löhne steigen schneller als die niedrige Inflation, was eine höhere Kaufkraft mit sich bringt.
Der Vorteil aus deutscher Sicht: Die Lohndifferenz liegt bei 1:5, was etliche Unternehmen anlockt. Miele etwa investiert 45 Millionen in ein Werk in Polen, Daimler baut Produktionsstätten für PKW-Motoren, und die Lufthansa sowie GE Aviation, der Flugzeugableger von General Electric, wollen ein Wartungszentrum für Triebwerke errichten.
Deutschland ist der mit Abstand größte Handelspartner Polens mit 27 % der polnischen Exporte und 23 % der Importe des Nachbarlandes. Doch bei aller Nähe des EU-Partners, neuerdings sind die Hürden unerwartet erhöht worden.
Nationalistische „Repolonisierung“ schreckt Anleger ab
Dabei gibt sich Polen offen für ausländische Investoren und hat letztes Jahr einen ehrgeizigen Plan ausgearbeitet, der das Land an die Spitze in Europa bringen soll. Die Schwerpunke liegen auf Strukturstärkung, Innovation, Kapitalisierung und Reindustrialisierung. Unter der rechtsgerichteten Pis-Partei aber bedeutet das in erster Linie Repolonisierung.
So meint Wirtschaftsminister Morawieckie eine „Dominanz ausländischen Kapitals“ feststellen zu müssen und klagt über angeblich „horrende Summen“, die fremde Firmen aus dem Land holten, eine „neokoloniale Rente“ sei das.
Vor allem Banken und Medien sollen wieder von Polen kontrolliert werden. Dass dies dem Prinzip freier Märkte widerspricht und gegen EU-Recht verstößt, stört die Regierung wenig. Sie hat bereits das Verfassungsgericht entmachtet und gezeigt, was sie vom Rechtsstaat hält.
Und nun gibt es für Nichtpolen Sondersteuern auf Bankgeschäfte oder Handelsgeschäfte. Die trifft etwa Handelsketten aus Deutschland oder Frankreich. Ein destruktives Doppelspiel mit Investoren, von denen man zugleich neue Jobs erwartet. Viel weiter wird Polen kaum gehen können. Um ausländische Investoren etwa aus den Banken herauszukaufen, fehlt schlicht das Geld.
Behörden misstrauen Unternehmern
Zudem hat der polnische Zloty seit Ende 2016 gut 10 % an Wert verloren, was Auslandskredite verteuert und das Haushaltsloch vergrößert. Polens Kreditwürdigkeit ist mittlerweile herabgestuft, bei Standard & Poor´s auf BBB+ – Aussicht negativ. Entsprechend zurückhaltend sind ausländische Banken mit finanziellen Engagements.
Dabei war es schon vor den neuen Strafsteuern nicht einfach, mal eben in Polen zu investieren. Die Behörden erscheinen oft willkürlich, die Struktur starr und verkrustet. Das Steuersystem ist kaum durchschaubar und von grundsätzlichem Misstrauen gegenüber Unternehmern geprägt.
Wer es dennoch schafft, steht vor der Tatsache, dass gerade junge qualifizierte Arbeitskräfte scharenweise ins Ausland abgewandert sind, wo sie mehr verdienen. Das beschert Fluktuation am Arbeitsplatz, wobei die Mobilitätsbereitschaft vergleichsweise gering ist.
All das hat eine positive Kehrseite: Sollte sich das politische Klima normalisieren, gibt es viel Raum für Reformen und Potenziale. Wer als Anleger zeitig davon profitieren will, kann in einen ETF auf den MSSCI Poland von iShares investieren. Seit einem Jahr geht er wieder nach oben – mit 23 %.