Ölpreis im freien Fall: Zinsschritte der Notenbanken schüren Rezessionsängste

Anfang des Monats kamen die Ölförderstaaten und ihre Verbündeten im Rahmen der Opec+ zusammen und verkündeten dabei gleich zwei aufsehenerregende Beschlüsse.
Erstens: Russland bleibt vorerst Teil der Opec+ Allianz. Zuvor hatte man offenbar in Erwägung gezogen, Russland wegen seines Angriffs auf die Ukraine und die damit verbundenen geopolitischen Verwerfungen und wirtschaftlichen Sanktionen des Westens aus dem Bündnis auszuschließen. Dies ist aber nun wohl bis auf Weiteres vom Tisch.
Opec+ fördern künftig deutlich mehr Öl als bisher
Die zweite Entscheidung der Opec+ war nicht minder überraschend: Demnach sollen im Juli und August täglich jeweils 648.000 Barrel zusätzlich gefördert werden. Damit erhöht das Kartell seine Produktionskapazitäten deutlich stärker als in der Vergangenheit. Ursprünglich war eine entsprechende Ausweitung erst für September geplant gewesen. In den vergangenen Monaten hatten die Öl exportierenden Staaten der Opec+ ihre Produktion um jeweils rund 400.000 Barrel täglich ausgeweitet.
Wegen der stark gestiegenen Energiekosten, die nicht unwesentlich zur hohen Inflation beitragen, waren in den vergangenen Wochen die politischen Forderungen immer lauter geworden, die Opec und ihre Verbündeten sollten ihre Förderung stärker erweitern. Vor allem Saudi Arabien hatte entsprechende Aufforderungen jedoch stets zurückgewiesen.
Ölpreis steigt zunächst an – dreht dann aber deutlich ins Minus
Nun also die Kehrtwende, begründet unter anderem damit, dass in chinesischen Wirtschaftsmetropolen wie Shanghai die wochenlangen Lockdown-Maßnahmen ausliefen und außerdem saisonbedingt erhöhter Bedarf bestehe.
In Folge der Ankündigungen war der Ölpreis zunächst weiter gestiegen. Am 8. Juni kosteten sowohl die Nordseesorte Brent wie auch die US-Sorte WTI mehr als 120 Dollar je Barrel. Zuletzt jedoch ging es ziemlich deutlich abwärts: Auf Wochensicht gab der Preis je Barrel für die Sorte Brent um 7,5 Prozent nach auf rund 113 Dollar, während sich WTI im gleichen Zeitraum um mehr als 9 Prozent verbilligte auf knapp unter 110 Dollar.
Zinspolitik der Notenbanken schürt Rezessionsängste – droht ein Überangebot am Ölmarkt?
Hintergrund des jüngsten Preisverfalls ist nicht zuletzt die Geldpolitik der Notenbanken: Sowohl die Federal Reserve als auch die Europäische Zentralbank haben zuletzt Zinsschritte vollzogen beziehungsweise in Aussicht gestellt. Zudem haben die Währungshüter eine deutliche Straffung ihrer Geldpolitik auch für die kommenden Monate angekündigt. So rechnet die Fed nach ihrer jüngsten Zinsanhebung um 0,75 Prozent mit einem Zinsniveau von bis zu 4 Prozent bereits im kommenden Jahr.
Beobachter fürchten, die Schritte der Notenbanken zur Bekämpfung der Inflation könnten die Wirtschaft in eine Rezession stürzen. Das würde den Ölbedarf deutlich dämpfen – und das zu einem Zeitpunkt, wo endlich wieder mehr gefördert werden soll. Auch die Internationale Energieagentur (IEA) rechnet für das zweite Halbjahr tendenziell mit einem Überangebot, nachdem das erste Halbjahr eher durch einen Mangel geprägt war. Dementsprechend geriet der Ölpreis nach der Sitzung der Fed in der zurückliegenden Woche erneut verstärkt unter Druck.