Was Sie über Short-Attacken wissen sollten
- Verteidigung gegen Short-Attacken kaum möglich
- Hilft der Bundesanzeiger?
- Besonders dreister Hedgefonds attackierte Aurelius
- Shortie Gotham City: Schnell rein, schnell raus mit hohem Gewinn
- Das Wichtigste noch einmal kurz zusammengefasst
- Short-Attacken: Auch vom Konzern schwer zu verteidigen
- Hedgefonds sitzen Aurelius weiter „in Nacken“
- Wo bleibt die BaFin?
- Ein letztlich „sinnfreier“ Rat der BaFin
- Short-Attacken machen Aktien lange Zeit unattraktiv
Seit Anfang des Jahres 2016 bringt sich eine bestimmte Anleger-Gruppe am deutschen Aktienmarkt selbst in Verruf: die Hedgefonds.
Anders als die bekannten Investmentfonds verfolgen Hedgefonds sehr spekulative Strategien:
Zur Erreichung der Gewinnziele werden gehebelte Derivate wie Optionen, Optionsscheine, Zertifikate oder auch leerverkaufte Aktien eingesetzt.
Die 3 Aktiengesellschaften Wirecard, Stroer und Aurelius sind die wohl prominentesten Firmen, die seither sogenannten „Short-Attacken“ zum Opfer fielen.
Das Problem:
Verteidigung gegen Short-Attacken kaum möglich
Als Aktionär gibt es für Sie so gut wie keine Verteidigung gegen diese Abzock-Methode.
Denn zunächst gehen einige Hedgefonds Short-Positionen in Gestalt von leerverkauften Aktien einer Gesellschaft ein.
Anschließend wird der Kurs mit gegen die Firma gerichteten Manipulations-Vorwürfen oder sehr negativen Einschätzungen unter Druck gesetzt.
Derartige Aussagen verunsichern natürlich die Aktionäre, die daraufhin ihren Aktienbestand verkaufen. Kurs-Einbrüche von -25% bis -40% innerhalb weniger Minuten sind dann die Regel.
Die Hedgefonds verdienen dann, indem sie die teurer leerverkauften Aktien eindecken, also günstiger kaufen.
Denn selbst wenn Sie als erfahrener Aktionär die Vorwürfe schnell als Manipulations-Versuch enttarnen und darum nicht mit einem Verkauf reagieren, verbleiben – leider! – noch genügend andere, weit weniger besonnene Anleger, die ihre Anteile auf den Markt werfen.
Als betroffener Aktionär sind Sie also so oder so „in der Box“– entweder aufgrund realisierter Verluste oder in Form von Buchverlusten.
Hilft der Bundesanzeiger?
Eine – je nach gehaltenem Portfolio allerdings durchaus aufwändige – Verteidigungs-Möglichkeit wäre der morgendliche Blick in die Daten des Bundesanzeigers.
Dieser wird vom Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz herausgegeben.
Denn Netto-Leerverkaufs-Positionen (die Zahl der von einem Marktteilnehmer verkauften Aktien übersteigt die der gehaltenen Aktien des Konzerns) müssen bis 15.30 Uhr des nächsten Handelstages nach ihrer Entstehung gemeldet werden, wenn sie 0,20% oder mehr des ausgegebenen Aktien-Kapitals betragen.
Bei Netto-Leerverkaufs-Positionen von 0,50% oder mehr des Streubesitzes einer Aktiengesellschaft werden diese im Bundesanzeiger offengelegt.
Wenn Sie dort also für eine Ihrer Aktien eine ungewöhnliche Erhöhung der Leerverkaufs-Positionen feststellen, könnte dies ein Indiz für eine mögliche, bevorstehende „Short-Attacke“ sein.
Allerdings: Was bitte ist eine ungewöhnliche Erhöhung der Leerverkaufs-Positionen: 0,40%, 0,50%, 0,80% oder 1,00%?
Im nachfolgenden Beispiel hätten bereits 0,61% ausgereicht:
Besonders dreister Hedgefonds attackierte Aurelius
Der Fall Aurelius zeigte im Frühjahr 2017 einen besonders dreisten Ablauf:
Der Hedgefonds Gotham City Research hatte am Freitag, den 24. März 2017 eine Leerverkaufs-Position aufgebaut (Quelle: Bundesanzeiger).
Nur 4 Tage später veröffentlichte der Hedgefonds eine Liste mit Betrugs-Vorwürfen und kam darin zu einer „Wert“-Einschätzung der Aurelius-Aktie von gerade einmal 8,56 €.
Die Notierung der Aktie brach daraufhin am 28. März 2017 von 65,10 € auf bis zu 44,10 € ein – ein herber Tagesverlust von in der Spitze -32,3%!

Aurelius-Aktie leidet noch immer unter den Shorties
Shortie Gotham City: Schnell rein, schnell raus mit hohem Gewinn
Der Hedgefonds Gotham City machte hier in nur 6 Tagen eine verdammt gute Rendite:
- Eröffnung der Leerverkaufs-Position am 24. März in Höhe von 0,61% des Streubesitzes des Finanz-Dienstleisters zu Kursen zwischen 66,23 € und 67,00 €
- Aufstockung der Leerverkaufs-Poosition am 28. März 2017 auf 0,80% des Streubesitzes zu Kursen zwischen 65,45 € und 44,10 €
- Eindeckung der leerverkauften Aktien (also Glattstellung durch Kauf der Anteile) und Gewinn-Mitnahme am 30. März 2017 zu Kursen zwischen 35,60 € und 44,10 €
Im Folgenden erfahren Sie, warum Aurelius noch immer unter Druck steht (Stand: 13. Juli 2017).
Außerdem werden Sie sehen, wie die Wertpapier-Aufsichtsbehörde auf die Vorgänge reagiert und was die Short-Attacken bei den betroffenen Aktien(-gesellschaften) noch so auslösen.
Das Wichtigste noch einmal kurz zusammengefasst
Also noch einmal: Wirecard und Stroer im Jahr 2016, Aurelius im März 2017: Alle 3 deutschen Aktien wurden von Hedgefonds für eine üble Abzockerei ins Visier genommen.
Die Methode ist, wie oben gesehen, relativ simpel: Die Hedgefonds verkaufen Aktien einer Gesellschaft leer.
D. h.: Sie leihen sich die Anteile beispielsweise von Investmentfonds gegen Zahlung einer Gebühr und verkaufen sie anschließend an der Börse.
Dann werden gegen die Firma gerichtete Manipulations-Vorwürfe oder negative Einschätzungen zur Aktie veröffentlicht.
Das wiederum verunsichert die Aktionäre, die daraufhin in Panik ihre Anteile auf den Markt werfen.
Short-Attacken: Auch vom Konzern schwer zu verteidigen
Die Kurs-Einbrüche von nicht selten -40% innerhalb kurzer Zeit nutzen die Hedgefonds dann zum Kassemachen:
Die zuvor teurer verkauften Aktien können nun mit einem ebenso hohen wie schnellen Profit günstig gekauft werden.
Das Fatale an dieser Abzockerei ist:
Umgehende Dementis der attackierten Aktiengesellschaften und Nachweise, dass die Vorwürfe völlig haltlos sind, führen bestenfalls zu einer teilweisen Kurs-Erholung, wie das Beispiel Aurelius zeigt:
Der Finanz-Dienstleister wehrte sich zusätzlich zum Dementi mit einer zügig umgesetzten Neuauflage des Aktienrückkauf-Programms sowie einer kräftigen Dividenden-Anhebung.
Das führte in Summe von April bis Mitte Juni 2017 vorübergehend zu einer Kurs-Erholung von etwa 40,00 € auf knapp 54,00 €.
Mit aktuell 47,23 € (Stand: 13. Juli 2017) notiert die Aurelius-Aktie indes noch immer weit unter dem Jahreshoch von 67,32 € (-30%).
Hedgefonds sitzen Aurelius weiter „in Nacken“
Weiter oben hatte ich bereits geschrieben, dass Sie als Aktionär kaum eine Verteidigung gegen diese Abzock-Methode besitzen:
Denn leider gibt es immer genügend unerfahrene und unbesonnene Anleger, die diese Bauernfängerei nicht durchschauen und in Panik verkaufen.
So ist es im März 2017 bei Aurelius erneut geschehen. Wobei sich in diesem Fall die Dinge auf eine interessante Art und Weise weiterentwickelt haben:
Der Initiator der Short-Attacke, der Hedgefonds Gotham City Research, war nämlich bereits nach knapp 1 Woche mit sattem Profit wieder komplett aus dem Spiel.
Doch seit dem 29. März 2017 ist die Zahl der beteiligten Hedgefonds von 4 auf 6 gestiegen.
Die Summe der insges. gehaltenen Netto-Leerverkaufs-Positionen in Aurelius hat sich gar von 2,30% auf 7,04% des Streubesitzes mehr als verdreifacht (Quelle: Bundesanzeiger; Stand 12. Juli 2017)!
Offensichtlich rechnen die engagierten Hedgefonds also mit weiteren Aurelius-Kursverlusten.
Größter „Shortie“ ist übrigens die Jericho Capital Asset Management LP mit einer Netto-Leerverkaufs-Position von 3,15%!
Wo bleibt die BaFin?
„Diese Short-Attacken „riechen“ doch sehr nach gezielter Manipulation“, werden Sie nun sagen. Dem kann ich nur zustimmen.
„Dann müsste aber doch die Wertpapier-Aufsichtsbehörde BaFin (Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht) hier einschreiten?“, werden Sie fragen.
Auch darin stimme ich mit Ihnen überein – und das tut die BaFin wohl auch.
Allerdings: Rechtlich muss erst einmal der Nachweis einer Finanz-Manipulation erbracht werden.
Das ist zum einen nicht ganz einfach und zum anderen sehr zeitaufwändig.
Ein letztlich „sinnfreier“ Rat der BaFin
Immerhin nahm die BaFin am 15. Mai 2017 ausführlich zum Thema Shot-Attacken Stellung. Ihre Empfehlung:
„Die BaFin rät Anlegern daher, vor der Veräußerung oder dem Erwerb von Finanzinstrumenten sehr genau zu prüfen, wie seriös die Angaben in den verbreiteten Stellungnahmen sind. Sie sollten sich über die betroffenen Finanzinstrumente auch aus anderen, verlässlichen Quellen informieren, bevor sie ihre Anlageentscheidung treffen.“
Wie eingangs bereits von mir dargelegt, ist diese gut gemeinte Empfehlung aber letztlich sinnfrei:
Es gibt (leider!) immer genügend Aktionäre, die diese Empfehlung aus Unkenntnis und Unerfahrenheit nicht befolgen: Ein Kurs-Einbruch ist somit quasi unausweichlich.
Short-Attacken machen Aktien lange Zeit unattraktiv
Die von mir dargestellten, ohnehin schon außerordentlich unbefriedigenden, Erkenntnisse sind noch durch eine letzte unvermeidliche Konsequenz zu ergänzen:
Eine Short-Attacke macht die angegriffene Aktie für eine lange Zeit zu einem unattraktiven Investment.

Wirecard-Aktie: Erst nach 13 Monaten aus dem „Short-Attacke-Loch“
Wie Sie im Chart sehen, benötigte die Wirecard-Aktie etwas mehr als 1 Jahr, um das vor der Short-Attacke markierte Allzeithoch bei 48,96 € zu überwinden.