Undurchschaubar – so hält sich Nordkorea über Wasser
Als Anleger ist man gewohnt, bei internationalen Investments auf einigermaßen zuverlässige Länderanalysen und Wirtschaftsdaten zurückgreifen zu können. Einige Länder jedoch erscheinen wie ein weißer Fleck auf der Weltkarte. Wie funktioniert zum Beispiel die Wirtschaft in Nordkorea?
Wichtige Daten sind entweder nicht zugänglich, veraltet oder stimmen nicht. Das Land unter Diktator Kim Jong-Un ist abgeschottet und lässt sich nicht in die Karten schauen. Die staatlich gelenkte Wirtschaft Nordkoreas erscheint so marode und hoffnungslos veraltet wie die Infrastruktur. Theoretisch müsste das Land mit seinen über 24 Mio. Einwohnern zahlungsunfähig sein.
Nordkoreas Wirtschaft schwer berechenbar
Dass es dennoch ein Drittel seiner Wirtschaftsleistung fürs Militär, Nuklear- und Raketenprogramme ausgeben kann, hat einen Grund: Kim Jong-Un hat zielstrebig parallele Geld- und Warenströme aufgebaut, die sich den offiziellen Statistiken entziehen.
Deshalb sind auch Angaben zum Bruttoinlandsprodukt (BIP) mit Vorsicht zu genießen. Sie beruhen auf unterschiedlichen Schätzungen und rangieren für 2016 zwischen ca. 14 Mrd. US-$ und über 20 Mrd. US-$. Das entspricht einer Bandbreite, die sich grob zwischen der Wirtschaftsleistung von Simbabwe und Papua-Neuguinea bewegt. Dazu trägt der Industriesektor ca. 46% bei, Dienstleistungen über 32% und die Landwirtschaft 21,6%.
Vom Handel mit Bodenschätzen ist vorwiegend der mit hochwertiger Kohle bekannt. Hauptabnehmer ist neben Russland China mit über 87%. Seltsamerweise konnte aber auch ein jüngerer Importstopp aus dem Nachbarland dem Regime in Pjöngjang wenig anhaben. Viele Geschäfte laufen unter der Hand über die weitgehend durchlässige fast 1.400 Kilometer lange Grenze.
Wenn Privatleute in Scharen schmuggeln, schauen die Wachposten gezielt weg. Auch der Staat selbst operiert verdeckt. Zum Beispiel beim Verkauf des Rohstoffs Seltene Erden. Die Ressourcen, die für Elektronik und Militärtechnik unerlässlich sind, werden auf einen Wert in Höhe von gut 6 Bio. US-$ geschätzt.
Verdeckte Geldströme
Zu den staatlichen illegalen Geschäften gehören auch geschmuggelte Drogen oder Falschgeld. Devisen besorgt sich das Regime auch ebenso die Vermittlung von Arbeitskräften, die in Russland, China oder auch im Nahen Osten regelrecht ausgebeutet werden. Und über Stellvertreterfirmen werden gerade in China Restaurants, Handels- und Dienstleistungsunternehmen betrieben, deren Einnahmen zum Kauf chinesischer Technologie vor Ort dienen.
Als weitere Einnahmequelle haben sich in den letzten Jahren Hackerangriffe auf ausländische Banken erwiesen. Für Schlagzeilen sorgte der Cyber-Übefall auf die Zentralbank von Bangladesch, bei dem über 100 Mio. US-$ verschwanden. Mit derartigen Aktionen versucht das Regime, Ausfälle zu kompensieren, die durch ausländische Sanktionen entstanden sind. So hatte Südkorea 2016 die Sonderwirtschaftszone Kaesong geschlossen, die Nordkorea im Jahr ca. 110 Mio. US-$ einbrachte.
Privatwirtschaftliche Ansätze
Und China verhängte jüngst ein Ölembargo. In der Folge stiegen die Benzinpreise um fast das Doppelte. Bei der Gelegenheit zeigte sich, dass die Zahl privater Fahrzeuge erheblich gestiegen ist. Weitgehend unbemerkt hat längst eine vorsichtige Öffnung hin zu etwas mehr Privatwirtschaft stattgefunden.
Insidern zufolge ist der Mittelstand gewachsen. Selbst Bauern dürfen einen Teil ihrer Erzeugnisse mit Profit auf Märkten verkaufen und das alte Klassensystem wird durchlässiger. Dies ist nicht nur die Beobachtung des Schweizers Felix Abt, der als erster Privatunternehmer die Business School in Pjöngjang betreiben konnte. In seinem Buch „A Capitalist in North Korea“ beschreibt er den schleichenden Wandel in Nordkorea.
In Sachen Wirtschaft und Finanzen unterscheidet sich Machthaber Kim Jong-Un von seinen Vorgängern. Mit List versucht er, Sanktionen zu umgehen, während er offiziell an der Planwirtschaft festhält, aber parallel die Entwicklung einer Art Marktwirtschaft zulässt.
Dass für einen eventuellen Wandel hin zu einer moderneren Volkswirtschaft eine Demokratie nicht zwingend Voraussetzung ist, haben schon andere Länder vorgemacht. Allen voran China.