GBL übernimmt Mehrheit an Canyon Bicycles
Der Bieterwettstreit um den Koblenzer Fahrrad- und E-Bike-Hersteller Canyon Bicycles GmbH hat in der vergangenen Woche ein überraschendes Ende gefunden. Nicht die großen US-Investmentgesellschaften KKR und Carlyle haben das Rennen um den deutschen Fahrradproduzenten gewonnen, sondern die belgische Investmentholding Group Bruxelles Lambert (GBL) erhielt den Zuschlag.
Begonnen hatte der Bieterwettkampf um Canyon Bicycles bereits im September 2020. Da war in einer Pressemitteilung vom 16.09.2020, in dem es eigentlich über den Führungswechsel im Koblenzer Unternehmen ging, mehr oder weniger beiläufig angemerkt worden, dass der Koblenzer Fahrradproduzent „einen weiteren Eigenkapital-Partner“ sucht.
GBL wird Mehrheitsgesellschafter…
Zukünftig wird die belgische Investmentholding GBL das Steuer bei Canyon Bicycles in der Hand haben. Als Co-Investor steigt zudem Tony Fadell, ehemaliger Vizepräsident der iPod Abteilung von Apple, in das florierende Fahrradgeschäft ein. Fadel ist leidenschaftlicher Radfahrer und investiert mit seiner Firma Future Shape in nachhaltige Wirtschaftsunternehmen.
Der Unternehmensgründer und bisherige Mehrheitseigentümer von Canyon, Roman Arnold, wird auch weiterhin mit 40% der Anteile an dem Koblenzer Unternehmen beteiligt sein. Was GBL und Tony Fadell für ihre Anteile bezahlt haben, wurde nicht veröffentlicht. Im Rahmen des Bieterwettbewerbs soll der Unternehmenswert von Canyon laut Insidern auf 800 Mio. Euro (inklusive Schulden) angestiegen sein.
…und ist in Deutschland kein Unbekannter
Die in Brüssel ansässige Holdinggesellschaft GBL ist aber auch keine kleine Nummer im Investmentgeschäft. So sind die Belgier nach dem schwedischen Investor AB immerhin die zweitgrößte börsennotierte Beteiligungsgesellschaft in Europa. Das Unternehmen hat einen Börsenwert bzw. Marktkapitalisierung von 14,75 Mrd. Euro.
Bereits seit Jahren ist GBL auch in deutsche Unternehmen investiert. So besaßen die Belgier bis 2006 eine 25,1%-Beteiligung am Gütersloher Medienkonzern Bertelsmann. Aktuell hält GBL 7,5% der Adidas AG aus Herzogenaurach.
Canyon profitiert vom Fahrrad-Boom
Die Fahrradbranche ist bekanntlich ein Profiteur der Corona-Pandemie. Laut aktuellen Zahlen des Zweirad-Industrie-Verbandes konnte die deutsche Fahrradindustrie in 2020 stolze 5,04 Mio. Fahrräder verkaufen. Dies bedeutete eine Steigerung von +16,9% gegenüber dem Vorjahr. Der Umsatz mit Fahrrädern und E-Bikes erreichte im Jahre 2020 den Wert von 6,44 Mrd. Euro, ein sagenhaftes Plus von 60,9% zum Jahr 2019.
Auch Canyon profitierte von diesem Boom: In den vergangenen 7 Jahren lag das durchschnittliche Wachstum der GmbH bei starken 25%. Im Geschäftsjahr 2020 lag der Canon-Umsatz erstmals über 400 Mio. Euro. Für 2020 erwartet Canyon einen Gewinn von 54 Mio. Euro.
US-Investor TSG schied im vergangenen Jahr aus
Ein wichtiger Grund für die Suche nach einem neuen Investor war dadurch bedingt, dass der US-amerikanische Private-Equity-Fonds TSG Consumer Partners seine Minderheitsbeteiligung an dem Koblenzer Unternehmen in 2020 wie geplant beendet hat. Durch diese Partnerschaft konnte die Expansion von Canyon in den Vereinigten Staaten vorangetrieben werden.
Heute betreibt das Unternehmen neben der Europa-Zentrale in Koblenz auch eine US-Niederlassung im kalifornischen Carlsbad, dass etwa 30 km nördlich von San Diego liegt. Insgesamt beschäftigt Canyon 900 Mitarbeiter in 35 Ländern. Laut eigenen Angaben ist der Koblenzer Fahrradhersteller weltweit führend im Onlineverkauf von Fahrrädern und E-Bikes.
Wie es weitergeht
Auch nach dem Verkauf der Mehrheitsanteile wird Canyon-Gründer Arnold seinen Posten als Beiratsvorsitzender aufrechterhalten und einen großen Teil der Erlöse in Canyon reinvestieren.
Es wird erwartet, dass die Transaktionen im Laufe des ersten Quartals 2021 abgeschlossen sein werden, sobald die erforderlichen behördlichen Genehmigungen vorliegen.