Ocado: Online-Supermarktbetreiber treibt mit Robotik-Übernahmen Automatisierung voran
Dieses Jahr ist das Jahr der Online-Geschäftsmodelle. Durch die Corona-Pandemie änderte sich das Einkaufsverhalten vieler Menschen grundlegend: Während auf der einen Seite Lebensmittelgeschäfte weltweit mit schwindenden Vorräten kämpften, wandten sich Millionen von Menschen dem Online-Einkauf zu. Hiervon profitierte auch der Online-Supermarktbetreiber Ocado, bei dem die Nachfrage förmlich durch die Decke ging.
Den gestiegenen Aktienkurs nutzte der Konzern gezielt, um weiteres Kapital bei seinen Anlegern einzusammeln. So spülte die letzte Kapitalerhöhung im Juni rund 1 Milliarden Dollar in die Kassen. Dieses Geld nutzt der britische Online-Supermarkt jetzt für weitreichende Zukäufe. Gerade erst streckte Ocado die Fühler in die USA aus, um zwei Robotik-Firmen zu schlucken.
Wer hinter Ocado steckt
Auch wenn hierzulande Ocado den wenigsten bekannt sein dürfte, in Großbritannien ist das Unternehmen mittlerweile bekannt wie ein bunter Hund. Dabei ist das Geschäft zweigeteilt: Zum einen ist da Ocado Retail, das Lebensmittel und andere Supermarkt-Produkte online an Verbraucher verkauft. Der zweite Bereich ist Ocado Solutions, das Technologie für den Online-Betrieb großer globaler Supermärkte wie Kroger in den USA, Sobeys in Kanada und Waitrose in Großbritannien bereitstellt. Im zurückliegenden Geschäftsjahr gingen bei Ocado 1,8 Milliarden Pfund an Umsätzen durch die Bücher.
Ocado setzt voll auf Automatisierung
Mit den im Sommer eingesammelten Mitteln treibt Ocado seine Expansionsstrategie mit Hochdruck voran. Dabei sollen die beiden jüngsten Zukäufen vor allem die Liefergeschwindigkeit erhöhen und weitere Innovationen sichern. Für Kindred aus San Francisco legt der Konzern 262 Millionen Dollar auf den Tisch. Für den Roboter-Arm-Designer Haddington Dynamics aus Las Vegas werden noch einmal 25 Millionen Dollar fällig.
Hoher Kaufpreis für strategische Akquisition
Auf den ersten Blick erscheint der Zukauf von Kindred kein Schnäppchen zu sein. Im nächsten Geschäftsjahr rechnet die Firma erst mit 35 Millionen Dollar Umsatz. Auf der Gegenseite zählt die Gesellschaft Kunden aus dem Textileinzelhandel wie American Eagle und Gap zu ihrem Kundenkreis. Damit würde sich Ocado mit seinen Dienstleistungen über den Online-Lebensmitteleinzelhandel hinaus bewegen. Das Sortieren von Paketen für Postdienste könnte ein weiterer Bereich für die Erweiterung sein.
Ocado geht davon aus, dass sich mit dem Zukauf die jährlichen Kommissionierkosten in Höhe von 7 Millionen Pfund trotz des bereits hohen Automatisierungsgrades noch einmal deutlich reduzieren lassen. Da weltweit zahlreiche Lager für Unternehmen wie Kroger in den USA und Groupe Casino in Frankreich gebaut werden, könnten sich die Einsparungen zu einer ernsthaften Summe summieren.
Einstieg ins Vertical Farming
Mit den Zukäufen setzt Ocado seine Einkaufstour ungebremst fort. Im Mai erwarb der Konzern eine 18%-Beteiligung an Karakuri, einem Unternehmen, dass Maschinen zur Zubereitung von Fertiggerichten entwickelt. Zudem ist Ocado mit einer 58%igen Beteiligung an der Jones Food Company (JFC) bei Europas größtem vertikal operierenden landwirtschaftlichen Betrieb eingestiegen. Die Anlage von JFC produziert derzeit Blattgrün und Kräuter für britische Kunden und ihre Kapazität wird voraussichtlich auf 420 Tonnen pro Jahr anwachsen. Mit einer Produktionsfläche von mehr als 5.000 Quadratmetern und 12 Kilometern LED-Lampen ist JFC in der Lage, das ganze Jahr über konsistente Ernteerträge zu erzielen, und plant die Ausweitung der Pflanzenarten und der Produktion in ganz Großbritannien.
Mit dem Einstieg beim Robotik-Start-Up Myrmex expandiert Ocado darüber hinaus im Bereich Click-and-Collect-Lösungen, an die sich Lebensmittelhändler zunehmend wenden, um ihre Effizienz zu steigern und ihre Gewinne zu erhöhen.
Ob sich all die Investitionen auszahlen, wird sich erst noch zeigen müssen. Zumindest erfreute Ocado vor wenigen Tagen seine Anleger mit einer Anhebung des Gewinnziels. Das bereinigte operative Ergebnis wird nun bei 60 Millionen Pfund erwartet. Bislang war der Online-Lebensmittelspezialist nur von 40 Millionen Pfund ausgegangen.