Politik zu langsam: Mercedes-Benz baut eigene Ladesäulen
- Elektrifizierung in vollem Gange
- Kundenansturm auf E-Autos 2022
- Subventionen zum Jahreswechsel stark gekürzt
- Steigende Kaufpreise dämpfen Kundeninteresse
- Knackpunkt Ladeinfrastruktur
- Immer mehr E-Autos pro Ladestation
- Großer Bedarf an Schnellladesäulen
- Auch Bundesregierung investiert weitere Milliarden
Mit der Verkehrswende ist es so eine Sache. Viele Komponenten sollen dazu beitragen, die Verkehrsinfrastruktur in Deutschland und Europa deutlich umweltfreundlicher zu machen. Neben einem Ausbau und einer Förderung des ÖPNV – Stichwort 49-Euro-Ticket – bilden elektrisch betriebene Fahrzeuge einen wichtigen Baustein auf dem Weg zur nachhaltigen Reduktion von Treibhausgasen.
Elektrifizierung in vollem Gange
Tatsächlich haben etliche Hersteller ihre Produktion inzwischen entsprechend umgestellt beziehungsweise Strategien auf den Weg gebracht, um im Laufe des Jahrzehnts ihre Flotte zu elektrifizieren. Manche Autobauer streben bereits zur Mitte des Jahrzehnts einen weitgehenden Umstieg auf E-Fahrzeuge an, andere wollen sich bis in die 2030er Jahre Zeit lassen, ehe sie sich vom Verbrenner verabschieden.
Deutsche Hersteller haben in Sachen E-Mobilität allerdings ein Imageproblem. An die Innovationskraft von Tesla oder chinesischen Konkurrenten reichen sie noch nicht heran. Bislang können sie sich zwar einigermaßen am Markt behaupten, ihre marktführende Stellung vergangener Jahrzehnte könnte jedoch akut gefährdet sein, schätzen Branchenexperten.
Kundenansturm auf E-Autos 2022
Im vergangenen Jahr gab es hierzulande einen Kundenansturm auf Elektroautos. Das lag wohl nicht zuletzt an den staatlichen Förderprogrammen, die die Anschaffung von Elektrofahrzeugen bis zum Jahresende noch großzügig bezuschussten. Insgesamt rund 3,2 Milliarden Euro an Subventionen für Elektrofahrzeuge hat der Bund im vergangenen Jahr ausgeschüttet an die Käufer der rund 640.000 Nicht-Verbrenner.
In den zurückliegenden drei Jahren konnten Kunden dank der Subventionsprogramme von besonders hohen staatlichen Förderungen profitieren, entsprechend stark stiegen seit 2020 die Verkaufszahlen für Batterie- und Brennstoffzellenautos sowie Plug-in-Hybride, die sowohl über elektrische wie auch klassische Verbrennermotoren verfügen.
Subventionen zum Jahreswechsel stark gekürzt
Mit dem Jahreswechsel nun gibt es einen erheblichen Einschnitt, der die Nachfrage vor allem im Auftaktquartal schmälern dürfte, da hier der Kontrast zu den vorangegangenen Förderungen besonders stark auffällt: Konnten Käufer vollelektrischer Fahrzeuge bei einer Zulassung bis inklusive Dezember 2022 noch mit 6.000 Euro Förderung rechnen, sind es jetzt nur noch 4.500 Euro für Fahrzeuge unter 40.000 Euro Nettolistenpreis. Auch für das teurere Segment bis 65.000 Euro sinkt die Fördersumme von 5.000 auf 3.000 Euro. Plug-in-Hybride werden überhaupt nicht mehr gefördert.
Für die Kunden bedeutet das: Die Anschaffungskosten steigen – aber auch die Nutzung wird teurer. Die immens gestiegenen Strompreise in Europa und vor allem in Deutschland machen Privatverbrauchern schon zuhause das Leben schwer, machen aber auch vor der Ladesäule nicht Halt. Experten rechnen zudem damit, dass sich die Strompreise absehbar noch auf längere Zeit auf hohem Niveau bewegen werden. Billiger wird es also wohl erst einmal nicht mehr.
Steigende Kaufpreise dämpfen Kundeninteresse
Der Kaufpreis dürfte aus Kundensicht nicht nur wegen der wegfallenden oder gekürzten staatlichen Subventionen höher ausfallen, sondern auch wegen weiter steigender Preise auf Seiten der Hersteller: Die Produktionskosten für Autos im Allgemeinen und Elektrofahrzeuge im Speziellen sind ebenfalls gestiegen. Zugleich ist die Kaufkraft vieler Privathaushalte wie auch Unternehmen durch die Inflation der vergangenen Monate deutlich zurückgegangen, sodass größere Investitionen wie die Anschaffung eines Neuwagens oder einer Dienstwagenflotte nicht unbedingt weit oben stehen auf der Prioritätenliste.
Nachdem 2022 nach zwei Jahren mit rückläufigen Verkaufszahlen wieder mehr Neuwagen in Deutschland zugelassen wurden, könnte es für die Branche im neuen sowie im kommenden Jahr schwieriger werden, Käufer zu finden. Noch immer sind die Zulassungszahlen außerdem weit entfernt vom vorpandemischen Niveau. So wurden in 2022 insgesamt rund 2,65 Millionen Neuwagen in Deutschland zugelassen und damit 1,1 Prozent mehr als im Vorjahr. In 2019 waren es allerdings noch 3,6 Millionen Fahrzeuge gewesen.
Knackpunkt Ladeinfrastruktur
Produktionsengpässe aufgrund fehlender Bauteile und Materialien sorgten für einen Angebotsmangel bei hoher Nachfrage. Von den aufgestauten Auftragsbeständen können die Hersteller noch eine Weile zehren, danach allerdings dürfte sich das Verhältnis wieder umkehren und die Zeiten schwieriger werden.
Neben den höheren Herstellerpreisen und wegfallenden Subventionen gibt es einen weiteren Faktor, der Kunden bislang von reinen Elektrofahrzeugen fernhält: die Ladeinfrastruktur. Mit dem Ausbau der erforderlichen Ladesäulen kommt Deutschland bislang kaum hinterher. Tatsächlich hat sich das Verhältnis von E-Fahrzeugen zu Ladesäulen zuletzt sogar noch verschlechtert.
Immer mehr E-Autos pro Ladestation
Nach Berechnungen des Verbands der Automobilindustrie (VDA) kamen vor zwei Jahren noch 14 E-Fahrzeuge auf einen Ladepunkt, inzwischen sind es 23. Die Nachfrage seitens der Autokäufer ist zuletzt demnach stärker angestiegen als die Politik den Ausbau der notwendigen Infrastruktur vorangetrieben hat.
Dieses Missverhältnis wollen sich die Autobauer offenbar nicht mehr tatenlos mit anschauen. Mehrere Hersteller kooperieren untereinander oder auch mit Energiekonzernen, um eigenständig Ladenetze aufzubauen. So hat jüngst Mercedes-Benz bekanntgegeben, in den kommenden Jahren einen einstelligen Milliardenbetrag aufwenden zu wollen, um insgesamt 10.000 Ladepunkte zu installieren. Wie viele davon in Deutschland positioniert werden sollen, blieb dabei zunächst noch unklar.
Großer Bedarf an Schnellladesäulen
Fest steht: Der Bedarf ist riesig – und er wächst stetig weiter. Zudem geht es nicht nur um das Aufladen an sich, sondern auch um die Ladedauer, die erforderlich ist, um eine brauchbare Reichweite zu erreichen. Schnellladepunkte der stärksten Art – mit einer Leistung von mehr als 300 Kilowatt – brauchen etwa eine halbe Stunde, um einen Akku von 10 auf 80 Prozent aufzuladen. Da müssen bei längeren Strecken die Pausen gut getaktet werden – und dann muss an den jeweiligen Raststätten eine Schnellladesäule vorhanden und frei sein.
In Deutschland gibt es bisher rund 72.000 Ladepunkte – lediglich 12.000 davon sind Schnellladestationen. Die Definition für Schnellladepunkte beginnt zudem bereits bei allem über 22 Kilowatt – das ist von der Leistung der zuvor genannten 300er-Stecker noch weit entfernt.
Erschwerend kommt hinzu, dass sich bis dato kein einheitliches Zahlungssystem durchgesetzt hat. Alle Anbieter kochen ihr eigenes Süppchen, wenn es um die Nutzung und Bezahlung der Ladesäulen geht: Bei den einen braucht es eine Kundenkarte, bei anderen eine App auf dem Smartphone.
Auch Bundesregierung investiert weitere Milliarden
Der Weg hin zu einer breiten Akzeptanz ist somit noch weit: Teure Anschaffungskosten und ebenfalls kostspielige Aufladung in einem ebenso unübersichtlichen wie dünnem Ladenetzwerk sorgt eher für Abschreckung der Kunden. So steigt zwar der Anteil der Elektrofahrzeuge seit Jahren an, dennoch bilden sie weiterhin eine klare Minderheit am Gesamtmarkt in Deutschland.
Ob es unter diesen Voraussetzungen gelingen kann, bis 2030 ganze 15 Millionen E-Fahrzeuge auf Deutschlands Straßen zu bringen und die Mobilität auch nach dem Abschied vom Verbrennungsmotor in den 2030er Jahren sicherzustellen, scheint fraglich.
Immerhin: Nicht nur die Autobauer selbst stellen fest, dass es ihnen zu langsam geht mit dem Ausbau der Infrastruktur. Auch die Bundesregierung hat im Herbst noch einmal eine Beschleunigung des Vorhabens beschlossen und dafür einen Finanzrahmen von 6,3 Milliarden Euro bewilligt.