Diese Länder profitieren am meisten von der Globalisierung

Als Anleger möchte man verzweifeln: Da läuft die Weltwirtschaft wie selten zuvor, die Arbeitslosenzahlen sind gesunken, die Aktien fortlaufend gestiegen – trotzdem haben populistische Heilsversprecher immer noch Zulauf – und bedrohen die Börsen.
Gleich ob die Brexit-Protagonisten oder Donald Trump, sie bestechen mit scheinbar einfachen Antworten auf eine als kompliziert und ungerecht empfundene Welt.
Wer profitiert von Globalisierung am meisten?
Verbreitet heißt es, Protektionismus und der Rückzug ins Nationale bedienten Wähler, die sich als Verlierer der Globalisierung sehen. Ist dem wirklich so? Und wer profitiert denn von der Globalisierung?
Anhaltspunkte bietet der jüngste Globalisierungsreport der Bertelsmann Stiftung. Er zeigt die Einkommensgewinne pro Einwohner, also die BIP-Zuwächse pro Kopf, die auf die Globalisierung zurückzuführen sind. Ausgewertet wurden die Daten zwischen 1990 und 2016.
Den Zahlen nach sind es hauptsächlich Industrieländer, die von der Globalisierung profitieren. Spitzenreiter ist die Schweiz mit einem Einkommensgewinn von 1.913 Euro. Am unteren Ende rangieren mit Zuwächsen um die 20 Euro vorwiegend Schwellenländer wie China oder Indien. Der Grund: Dort gab es zu Beginn der Messung im Jahr 1990 ein erheblich niedrigeres Ausgangsniveau des BIP, weshalb die absoluten Zahlen geringer sind als in den klassischen Industrienationen.
Kleinere Industrieländer an der Spitze
Dass die USA auf Rang 25 relativ schlecht abschneiden, liegt daran, dass dort bereits zu Beginn des Betrachtungszeitraums das Globalisierungs- und Einkommensniveau sehr hoch war. Ähnliches gilt für Großbritannien, das auf Platz 20 landet. Auffallend: Kleinere Länder wie die Schweiz, Finnland, Irland oder Griechenland rangieren an der Spitze. Das erklärt sich mit deren überschaubaren Binnenmärkten, was zwangsläufig mehr Handel mit dem Ausland zur Folge hat.
Deutschland liegt mit 1.151 Euro Zuwachs im oberen Mittelfeld auf Platz sechs und gehört zu den Ländern, die am stärksten von der Globalisierung profitieren.
Im Ergebnis zeigt sich, dass es eigentlich überall Zugewinne gibt, wenn auch mit ungleicher Dynamik. Interessanterweise schreien die Kritiker und Protektionisten in den Gewinnerländern am lautesten. Im Gegensatz zu den aufholenden Schwellenländern ist hier der Anspruch auf eine gleichmäßigere Verteilung des Wohlstands in der Gesellschaft höher. Je ausgewogener die Sozialsysteme sind, desto geringer ist der Druck aus den Verliererschichten, die wie in den USA Donald Trump gewählt haben.
Lieferketten längst global verteilt
Den Dauerarbeitslosen im Rostgürtel Amerikas ist es gleich, ob das Beschäftigungsniveau in den USA Rekordstände verzeichnet. Doch mit Besitzstandswahrung auf Basis kaum wettbewerbsfähiger Industriezweige und Abschottung kommt kein Land weiter. Die Uhr lässt sich nicht zurückdrehen. Auch wenn Billigkonkurrenten wie China als Bedrohung empfunden werden, so nützt es am Ende erst recht nichts, wenn importierte Produkte, die für Niedrigverdiener noch erschwinglich sind, auf einmal viel teurer werden.
Davon abgesehen sind die Lieferketten weltweit verteilt. Apple fertigt in China – ebenso wie BMW und Daimler aber auch VW. Sie produzieren auch in den USA. China wiederum fertigt Autobatterien in Kalifornien – die Liste ließe sich beliebig fortsetzen. Große Konzerne sind eben global tätig. Bei Pharmafirmen wie Novartis, Roche oder Sanofi fällt dies in der Globalisierungsdebatte nur weniger auf. International aufgestellt verteilen sie Risiken und machen sich von regionalen Konjunktureinflüssen unabhängig.
Proaktiv gestalten statt blockieren
Doch bei aufgewiegelten Wählerschichten treten rationale Argumenten schnell in den Hintergrund. Dabei heißt es jetzt umso mehr aufzupassen. Während etwa Trump destruktiv mit Handelskrieg an allen Fronten reagiert, bemüht sich China, die real existierende Globalisierung nach seinen Regeln umzugestalten – vom Handelsnetz über Verhaltensregeln bis zum Finanzierungssystem.
Hier ist auch Europa gefordert. Nur als EU-Wirtschaftsblock hat es die Chance, dem Bestreben eigene Vorstellungen entgegenzusetzen. Und wer gegen Trumps Globalisierungsfeindlichkeit wettert, sollte nicht vergessen, dass sie auch hierzulande bis zu seiner Amtsübernahme eine Art Volkssport war. Wie sinnvoll eine nachgebesserte Neuauflage von TTIP wäre, zeigt sich jetzt.
Klagen ist eine Sache. Eine ganz andere sind konstruktive Lösungen. Die Globalisierung lässt sich nicht gewaltsam aus der Welt schaffen. Ähnlich wird es in Zukunft mit der Digitalisierung sein. Auch hier gilt es, Kompetenzen aufzubauen und aktiv mitzugestalten. Wenn nicht wird sich die Frage, wer von der Digitalisierung profitiert und wer nicht, recht früh beantworten.