Deutsche Post: Streetscooter vor Börsengang?

Klappern gehört zum Handwerk. Werden die richtigen Töne angeschlagen, hören auf einmal alle hin. So sorgte unlängst Post-Vorstandsmitglied Jürgen Gerdes für Aufmerksamkeit, als er einen „Börsengang von Streetscooter“ ansprach. Damit bezog er sich auf die Post-Tochter, die als GmbH bei Aachen vollelektrische Kleintransporter produziert. Derzeit sind sie gefragte Renner.
Erfolgreiche Elektroautos von Streetscooter und Börsengang – die Kombination setzte erwartungsgemäß die Presse unter Strom. Delivery Hero, Noratis oder Healthineers – IPOs beflügeln natürlich die Anlegerfantasie. Konnten doch deren Aktien bislang im zweistelligen Bereich zulegen.
E-Lieferwagen Streetscooter: Erfolgsmodell ist einfach und funktional
Auch dem Papier der Post könnte bei entsprechendem Streetscooter-Erfolg und angemessener Eigenbeteiligung eine Ausgliederung guttun. Doch Gerdes sprach anlässlich der Eröffnung eines zweiten Produktionswerks im vollen Wortlaut von einem „theoretisch denkbaren Börsengang“, und das in einigen Jahren. Theoretisch denkbar ist vieles. Was hier reizt, ist eher der allgemeine Hype um E-Fahrzeuge.
Dabei ist Streetscooter durchaus gut zu Wege. Derzeit schnurren rund 6.000 Wagen durch Deutschland und stellen Post zu. Zusteller wie UPS hingegen nutzen nur Dieselfahrzeuge. Angesichts von absehbaren Einschränkungen für Diesel liegt der Gedanke nahe, dass auch andere Logistiker beim Streetscooter zugreifen. Die britische Milk & More hat bereits 200 Stromer von der Post gekauft. Auf der Insel erlebt die traditionelle Milchlieferung vor die Haustür ein Comeback.
Mit der Nachfrage nach dem Fahrzeug hat sich die ursprüngliche Projektidee einer Forschungsinitiative der RWTH Aachen als serientauglich erwiesen. Es ging um den Beweis, dass Elektroautos für den Stadtverkehr günstig und einfach herzustellen sind. Und zwar ohne aufwendige Strukturen wie bei BMW, Daimler oder VW. Vorgestellt wurde das Modell im Jahr 2012.
Der Rahmen des Wagens besteht aus Alurohren und einer Außenhaut aus Thermoplast. Eine moderne Version des legendären Trabis. Die Batteriemodule allerdings kommen dann doch vom BMW-Kompetenzzentrum in Dingolfing. Die Post erkannte das Potenzial für ihre Flotte und übernahm Streetscooter 2014.
Börsengang von Streetscooter: derzeit eine riskante Vorstellung
Künftig will sie bis zu 20.000 Streetscooter vom Band rollen lassen. Bei entsprechender Nachfrage seien sogar 100.000 Fahrzeuge denkbar. Ob dies jedoch ausreicht, eine eigene Aktiengesellschaft mit Zukunftspotenzial auf die Beine zu stellen, sei dahingestellt. Sobald die eigene Flotte von 50.000 Wagen ausgetauscht ist, müssen große Nachbestellungen von anderen Logistikern vorliegen.
Dass Streetscooter noch nicht richtig profitabel arbeitet, mag sich ändern. Auch lassen sich bestimmt Kinderkrankheiten wie die eingeschränkte Batterieleistung im Winter beheben. Doch die Konkurrenz schläft nicht. So will etwa Amazon mit elektrischen Daimler-Transportern Bestellungen zunächst im Ruhrgebiet ausliefern. Und für welche Konzepte sich UPS oder FedEx irgendwann entscheiden, wird sich zeigen müssen.
Ein erfolgreiches Konzept mit schlanken Strukturen findet aller Erfahrung nach schnell Nachahmer. Und wenn etwa BMW schon die Batterien liefert, müsste sich der Autohersteller notfalls nur überlegen, in welcher Nische seiner Markenwelt ein solches Angebot sinnvoll unterzubringen wäre.
Als eigener Konzern kann sich Streetscooter auf Dauer nicht allein auf Lieferwagen konzentrieren. Kleinwagen-Prototypen mit Teilen aus dem 3D-Drucker gibt es zwar, doch auch hier sind bereits klassische Hersteller wie Renault und andere unterwegs. Bislang wäre ein Börsengang also eher ein riskantes Abenteuer – was sich aber durchaus noch ändern kann.