First State Investments wird MVV-Großaktionär
Der australisch-japanische Investor First State Investments International Limited (First State) hat über eine deutsche Tochter 45,1% des Mannheimer Energieunternehmens MVV Energie AG erworben und wird damit zum größten Minderheitsaktionär der MVV.
Gekauft hat First State die Anteile von der Karlsruher EnBW AG, die zuvor 28,8% der MVV-Anteile hielt, und der Kölner RheinEnergie AG, die 16,3% der MVV-Papiere ihr Eigen nannte. Der Deal erfolgte in Abstimmung mit der MVV und der Stadt Mannheim als Mehrheitsaktionärin.
Mehrheitseigentümerin bleibt die Stadt Mannheim, die 50,1% der Anteile besitzt. 4,8% der MVV-Anteile befinden sich in Streubesitz. Dies teilten die beteiligten Unternehmen und die Stadt Mannheim am vergangenen Donnerstagabend nach Unterzeichnung der Kaufverträge in einer gemeinsamen Presseerklärung mit.
First State zahlt 753 Mio. Euro
First State hat den Energieversorgern EnBW und RheinEnergie 25,34 Euro je MVV-Aktie gezahlt. Das macht unter dem Strich einen Kaufpreis von knapp 753 Mio. Euro. EnBW erhält davon gut 480 Mio. Euro, RheinEnergie bekommt etwas mehr als 270 Mio. Euro.
First State ist erst der zweite Finanzinvestor, der in ein deutsches kommunales Energieunternehmen investiert hat. Bereits im Dezember 2019 war der französische Investor Ardian mit 26% der Anteile bei der Oldenburger EWE AG eingestiegen.
Tragfähige Zukunftslösung
Der MVV-Vorstandsvorsitzende, Dr. Georg Müller, begrüßte den erfolgreichen Verkauf an den Investor. „Mit dem einvernehmlichen Vorgehen ist es gelungen, eine für alle Beteiligten tragfähige und zukunftsgerichtete Lösung zu finden.“
Auch EnBW und RheinEnergie äußerten sich positiv über den Verkauf ihrer Anteile. „Wir freuen uns über den erfolgreichen Abschluss des gemeinsamen Verkaufsprozesses“, so EnBW-Finanzvorstand Thomas Kusterer. „Mit First State Investments ist es gelungen, einen Käufer zu finden, der langfristig bei der MVV engagiert bleiben möchte.“
„Wir sind sehr zufrieden, dass der mit der Stadt Mannheim und der MVV Energie auf den Weg gebrachte Verkauf unserer MVV-Anteile zusammen mit der EnBW erfolgreich abgeschlossen werden konnte“, so Dr. Dieter Steinkamp, Vorstandsvorsitzende der RheinEnergie.
EnBW und RheinEnergie wollen in eigene Portfolios investieren
Sowohl EnBW als auch RheinEnergie gaben an, dass sie den Verkaufserlös in die Entwicklung ihres eigenen Portfolios stecken wollen. Die Karlsruher wollen mit dem Geld ihren Konzern weiter um- und ausbauen. Die Kölner wollen die Mittel für den Ausbau ihrer energiewirtschaftlichen Kooperationen im Rheinland sowie ihrer Erneuerbaren Energien, die Stärkung der Infrastruktur sowie den Aufbau neuer Geschäftsfelder nutzen.
Reibereien im Hintergrund
Laut Presseinformationen sollen aber auch noch andere Gründe verantwortlich dafür sein, dass MVV und die Stadt Mannheim die bisherigen Minderheitseigner zum Verkauf ihrer Anteile motiviert haben. So hat die EnBW vor drei Jahren ihre MVV-Anteile auf 28,8% aufgestockt und dadurch eine Sperrminorität erreicht.
Mit dieser konnten die Karlsruher theoretisch wichtige Entscheidungen auf der MVV-Hauptversammlung blockieren. Da beide Unternehmen zumindest in Teilbereichen Wettbewerber sind, versuchte MVV die Aufstockung vor Gericht zu verhindern und schaltete auch die Landespolitik ein.
Ende 2019 einigten sich beide Parteien schließlich darauf, dass EnBW ihre Anteile verkaufen würde. Auch die RheinEnergie schloss sich dieser Einigung an, da sie ihre Beteiligung an MVV als reine Finanzbeteiligung verstand.
First State ist lachender Dritte
Von diesen Reibereien profitierte der Finanzinvestor First State, der seinen Hauptsitz in Australien hat und sich seit 2019 im Besitz der japanischen Mitsubishi UFJ Trust and Banking Corporation befindet. Das Unternehmen verwaltet ein Vermögen von rund 150 Mrd. Euro, wovon rund 8 Mrd. Euro im europäischen Infrastruktursektor angelegt sind. So ist First State langfristig unter anderem an mehreren Betreibern von Stromverteilungs-, Gas- und Fernwärmenetzen sowie Windparks beteiligt.
First State setzt auf Nachhaltigkeit
In der gemeinsamen Presseerklärung betont Niall Mills, für Infrastrukturinvestments verantwortlicher Partner bei First State, dass das Investment auf Dauer ausgelegt ist: „Wir freuen uns über die langfristige Partnerschaft mit der MVV und schätzen die Unterstützung unseres Investments durch den Vorstand der MVV und die Stadt Mannheim als Mehrheitsgesellschafter sehr. Wir sind beeindruckt von den großen Fortschritten des Unternehmens beim Übergang zu erneuerbaren Energien sowie von der exzellenten Position entlang der gesamten energiewirtschaftlichen Wertschöpfungskette.“
Im Rahmen des Anteilserwerbs hat First State auch eine strategische Vereinbarung mit der Stadt Mannheim unterzeichnet. Darin bekräftigen die beiden Hauptaktionäre die hohe Bedeutung und die verpflichtende Beibehaltung der Börsennotierung der MVV im Prime Standard der Frankfurter Wertpapierbörse.
Übernahmeangebot an MVV-Aktionäre
Da First State durch den Erwerb von mehr als 30% der MVV-Anteile die Kontrollübernahme-Grenze überschritten hat, muss das Unternehmen laut Wertpapiergesetz (§ 31 WpÜG) ein freiwilliges öffentliches Übernahmeangebot für die verbleibenden Aktien der MVV unterbreiten.
Der Angebotspreis wird dabei dem volumengewichteten Durchschnittskurs der letzten drei Monate vor Bekanntgabe dieser Entscheidung entsprechen und etwa bei 26,99 Euro je Aktie liegen. Die beiden Großaktionäre und MVV haben das gemeinsame Ziel, einen Streubesitz möglichst im bisherigen Umfang zu erhalten.