RWE-Aktie: Imageverlust durch die Macht der Bilder?

Wer im September 2015 an den Turnaround der RWE-Aktie glaubte und beim Tiefstand von 9,6 Euro zugriff, konnte seinen Einsatz bis heute mehr als verdoppeln. Dem Versorger gelang es, den Atomausstieg zu ordnen und schickt sich nun an, Europas Nummer drei in Sachen erneuerbare Energien zu werden.
Die Aktie von RWE profitiert dabei von der Neuordnung am deutschen Strommarkt. Der einstige Rivale Eon wird künftig zum Partner und verlagert sich auf den Schwerpunkt der Netzversorgung.
Den Kohleausstieg torpedieren
Derweil bemüht sich RWE zu betonen, dass bald 60 % des Stroms aus umwelt- und klimafreundlichen Quellen stammen wird. Das kommt auch bei Privatanlegern gut, deren Engagement bei BMW, Daimler oder VW durch den gesellschaftlichen Druck auf den Ausstieg aus CO2-produzierenden Verbrennungsmotoren und die Querelen um Feinstaub produzierende Dieselmodelle belastet wird.
Was weniger gut kommt, ist die Verbissenheit, mit der aktuell um den Ausbau der Braunkohleförderung gekämpft wird, Stichwort: Hambacher Forst. Während die Kohlekommission der Regierung einen für alle Seiten verträglichen Ausstieg aus der Kohle vorbereiten soll, schafft RWE Tatsachen, die das Image vom künftigen Energie-Saubermann untergraben. Braunkohle verursacht wesentlich mehr CO2 als Steinkohle und trägt nebenbei erheblich zur regionalen Feinstaubbelastung bei.
Dass der Vorstand für seine Räumungsaktion Aspekte wie Recht und Ordnung sowie gefährdete Arbeitsplätze ins Feld führt, schafft den Widerspruch des Vorhabens nicht aus der Welt. Im Gegenteil: Das Thema beherrscht die Schlagzeilen, selbsternannte Aktivisten erhalten öffentliche Präsenz und RWE gerät zunehmend in Verdacht, mit gezielter Eskalationstaktik die Kohlekommission in Berlin zu sprengen. Gelänge dies, wäre keine Einigung möglich und der Kohleausstieg würde auf unbekannte Zeit verschoben.
Kommunalverband stößt RWE-Aktien ab
Derweil befürwortet der Landschaftsverband Westfalen-Lippe, sich von Anteilen am Konzern zu trennen. Der Kommunalverband hält RWE-Aktien im Wert von 147 Mio. Euro. Andere Kommunen verteidigen ihr Engagement umso vehementer. Die Fronten verhärten sich. Umwelt und Gesundheit vs. Arbeitsplätze und Profitabilität. Wer RWE-Aktien hält, musste aber unlängst erkennen, dass selbst das eingespielte Geschäft mit der Braunkohle schwächelt. Das erste Halbjahr verlief enttäuschend.
Doch selbst ein Verschieben des Kohleausstiegs wäre keine Garantie für den Fortbestand des Tageabbaus in der geplanten Form. Auch nicht die Unterstützung durch das Land und die Polizei. Das kompromisslose Vorgehen bewirkt als erstes einen Reputationsverlust. Dazu werden die Bilder beitragen, wenn der Hambacher Wald von schwerem Gerät plattgemacht wird. Der mediale Effekt auf eine in Sachen Umwelt sensibilisierte Gesellschaft dürfte für erheblichen Wirbel sorgen.
Die Macht der Bilder schafft eigene Fakten
Wenn die Bäume fallen, wird auch das Image von RWE angesägt. Zwischen Fakten und Emotionen wird dann kaum noch unterschieden. Was Symbolkraft bewirken kann, zeigt die Vergangenheit: Whyl, Wackersdorf, Gorleben – die Atomkraftwerke und Endlagerstätten wurden letztlich begraben. Die Macht der Bilder und der Mangel an gesellschaftlicher Akzeptanz haben Konzernen immer wieder erheblich zugesetzt.
Spätestens wenn Staat und Unternehmen nicht mehr nur Berufsdemonstranten gegenüberstehen, sondern ganzen Familien mit Kindern, die von den Bäumen gerissen werden müssen, kommen die Presseabteilung und der Vorstand in Erklärungsnot. Und auf politischer Seite wird das Thema Emissionen und Kohleausstieg wahrscheinlich erst recht hochgekocht. RWE scheint das Empörungspotenzial einer von Feinstaub und Klimaschutz geplagten Gesellschaft zu unterschätzen.
Wieviel vergebliche Mühe, Energie und Ressourcen es kostet, sich gegen ein Stigma als Umweltsünder zu wehren, zeigt nicht nur die Geschichte. Die Autohersteller können ein Lied davon singen.