Neue Zuckermarkt-Regulierung: Chance für Unternehmen wie Südzucker?
Einer der Grundstoffe, ohne den die Lebensmittelindustrie nicht auskommt, ist Zucker. Die Vorliebe für Süßes ist eine menschliche Veranlagung. Denn entwicklungsgeschichtlich signalisiert der Geschmack das Vorhandensein von Energiezufuhr, die direkt ins Blut geht. Was Zucker für Anleger interessant macht: Die weltweite Nachfrage steigt ungebremst.
Die größten Produzenten sind Brasilien, Indien, China und die USA. In Europa folgt Deutschland auf Frankreich, hat aber mit der Südzucker AG den größten Hersteller. Die im Mdax notierte Aktie konnte seit zehn Jahren stets zulegen, die letzten zwölf Monate sogar über 60 %.
Wegfall der Zuckermarkt-Regulierung mit Chancen und Risiken
Mit Blick auf die Zukunft macht sich allerdings Unsicherheit breit. Zum 1. Oktober fällt die bisherige EU-Zuckermarkt Regulierung. Ob Chancen oder Risiken überwiegen werden, ist umstritten.
Sah die Branche vor zwei Jahren noch düstere Wolken aufziehen, konzentriert sie sich mittlerweile auf neue Chancen am Zuckermarkt. Die Regulierung wird auf einige Kernelemente reduziert und öffnet den bislang stark geschützten europäischen Markt. Weil zugleich Produktionsbeschränkungen entfallen, sieht Südzucker die Möglichkeit, verstärkt im Ausland aktiv zu werden, wo die Nachfrage stärker wächst.
Der Kleinere Mitbewerber Nordzucker indes ist schon vorsichtiger und spricht von einem „neuen Marktgleichgewicht“, das sich einspielen müsse. Zu sehr ist noch die letzte Lockerung der Zuckermarktverordnung von 2006 in Erinnerung. Nachdem bis zu 20 % des EU-Zuckerbedarfs durch Importe gedeckt werden durften, schlossen 70 Zuckerfabriken und 120.000 Landwirte stellten den Anbau von Zuckerrüben ein, aus denen zuvor jedes Zuckerstück in der EU bestand.
Kern der Verordnung ist seit jeher der Schutz der Zuckerrübe. Sie ist das Rückgrat der europäischen Produzenten, während andernorts Zucker aus Zuckerrohr hergestellt wird. Ihr Anbau geht auf die Napoleonischen Kriege zurück. Als 1806 durch die britische Seeblockade kein Zuckerrohr mehr nach Europa kam, entdeckte ein Berliner Chemiker, dass die die heimische Runkelrübe mit einem Zuckergehalt von 22 % mindestens ebenbürtig ist. Fortan war Europa unabhängig.
Ein weiterer Schritt zur Liberalisierung
Die bis Herbst gültige EU-Zuckermarktverordnung schützt die Produzenten durch ein Binnenmarktpreisniveau. Für die Tonne Weißzucker erhalten sie nie weniger als 404 €. Auf dem Weltmarkt dagegen schwankten die Preise in den letzten acht Jahren zwischen 200 € und 600 €.
Dafür dürfen EU-Produzenten höchstens 13,3 Mio. Tonnen Zucker herstellen, was 80 % des europäischen Verbrauchs entspricht. Der Rest sind streng regulierte Importe. Das sollte stabile Preise garantieren. Künftig jedoch muss sich die EU dem internationalen Handel und Wettbewerb öffnen.
Allerdings sieht das neue Regelwerk keine vollständige Liberalisierung vor. Zwar werden Mindestpreise und Quoten entfallen, doch der „Außenschutz“ bleibt bestehen. Vorgesehen sind Präferenzeinfuhren, darunter zollfreie Importe aus wenig entwickelten Ländern. Der bisherige feste Referenzpreis wird durch eine Referenzschwelle flexibilisiert. Beihilfen zur Lagerhaltung gibt es weiterhin.
Mehr Marktanteile für die Großen der Branche
Dennoch, es wird langfristig zu einem Preisverfall kommen. Um rentabel zu wirtschaften, muss zum einen die Effizienz gesteigert werden. Zwar bieten sich Zusammenschlüsse und Zukäufe an, doch die sind mitunter kartellrechtlich heikel. Größere Chancen bietet das EU-Ausland. Südzucker kann sich ein Engagement in Brasilien vorstellen, Nordzucker in Asien oder Nordafrika. Zum anderen können künftig auch diese Märkte mit europäischem Zucker beliefert werden, wo die Nachfrage stärker steigt.
Günstig: Der Weltmarktpreis liegt seit geraumer Zeit über dem europäischen Niveau und dürfte weiter zulegen. Abgesehen davon werden die großen Produzenten ihre Marktanteile innerhalb Europas vergrößern, wenn auch dieses Mal kleinere Mitbewerber aufgeben. In der neuen Situation wird auch strukturell und vertraglich die gesamte Lieferkette vom Acker bis zum Kunden optimiert werden.
Nicht nur das: Eines der neuen Risiken ist der Import von Stärkezucker aus Mais oder Weizen, der vor allem in den USA hergestellt wird, und zwar günstiger als Rübenzucker. Getränkeriesen wie Coca Cola warten nur darauf. Die Zuckerindustrie muss sich notfalls auf neue Herstellungsverfahren einstellen, will sie nicht wichtige Kunden und Umsatzbringer verlieren. Andererseits haben Rüben einen höheren Süßungsgrad. Und der Geschmack ist anders.
Auf jeden Fall werden nur die Größten überleben. Da der Markt international stark fragmentiert ist, bieten sich in der unvermeidlichen Konsolidierung neue Chancen. Die Produzenten stehen von großen Aufgaben.