Volkswagen: China-Problem wird immer größer

Schlechte Nachrichten für die Wolfsburger: Wenige Tage vor der Präsentation der Q1-Bilanz sorgt ein negativer Analystenkommentar für Aufsehen. Die US-Großbank Morgan Stanley hat das Kursziel für die im Dax gelistete VW Vorzugsaktie in der vergangenen Woche drastisch reduziert – von 170 auf nur noch 154 Euro.
Absatzerholung in Q1 – aber Alarmsignale aus China
Damit reagierten die Experten auf die jüngsten Absatzzahlen. Demnach hat Volkswagen in den ersten 3 Monaten des Jahres zwar mehr als 2 Millionen Fahrzeuge an seine Kunden übergeben und damit den weltweiten Absatz im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um 7,5 Prozent gesteigert. Doch ausgerechnet in China stockt das Geschäft.
Während sich die Lage im Westen spürbar erholte – in Westeuropa legten die Verkaufszahlen in Q1 um knapp 27 Prozent zu, in Nordamerika um mehr als 22 Prozent – gerät Volkswagen in der Volksrepublik zunehmend unter die Räder. Eigentlich sind die Modelle aus Wolfsburg in China äußerst beliebt: Seit den 1980er Jahren war Volkswagen mit seiner Kernmarke Marktführer am größten und wachstumsstärksten Autoabsatzmarkt der Welt.
VW nicht mehr stärkster Hersteller
Doch damit ist nun Schluss: Im Auftaktquartal wurde VW erstmals überholt – von BYD, einem chinesischen Hersteller, der mit modernen Elektrofahrzeugen den Geschmack der chinesischen Kundschaft treffsicherer bedient als die westliche Konkurrenz. BYD weitete seinen Marktanteil in China im 1. Quartal auf 11 Prozent aus und überholte Volkswagen damit erstmalig.
Konkurrenz belebt bekanntlich das Geschäft, doch in Wolfsburg ist man alarmiert: Immerhin erwirtschaftet der Konzern rund ein Drittel seiner Umsätze im Reich der Mitte. Gerade im Segment der Elektro- und Plug-in-Hybrid-Fahrzeuge spielt Volkswagen aber bislang so gut wie keine Rolle am chinesischen Markt. Der wird stattdessen dominiert von Tesla und eben chinesischen Anbietern, die sich zum Teil in hipper Start-up-Manier einen beachtlichen Teil vom Kuchen sichern.
Was will der chinesische Kunde?
Die E-Modelle von Volkswagen wirken brav und ein bisschen langweilig neben den High-End-Entertainment-Systemen, auf die chinesische Kunden Wert legen. Auch die Vertriebswege sind angestaubt. Um die Bedürfnisse der fernöstlichen Kundschaft besser kennenzulernen und flexibler reagieren zu können, hat Volkswagen im Rahmen der Automesse in Shanghai eine Investitionsoffensive angekündigt.
Rund 1 Milliarde Euro will der Konzern in ein neues Entwicklungszentrum stecken, das bereits im kommenden Jahr den Betrieb aufnehmen soll. Die frühzeitige und engere Kooperation mit lokalen Zulieferfirmen soll die Entwicklung vor Ort beschleunigen.
Analysten skeptisch – Aktie schwächelt
Ob das aber ausreicht, um das Ruder noch einmal herumzureißen und am chinesischen Elektroautomarkt eine signifikante Rolle zu spielen, bleibt abzuwarten. Analysten zeigten sich zuletzt vermehrt skeptisch, unter anderem die Schweizer UBS oder auch die US-Investmentbank Goldman Sachs raten derzeit lediglich zum Halten der VW Vorzugsaktie – wenngleich sie mit Kurszielen von 130 beziehungsweise 150 Euro noch Aufwärtspotenzial sehen.
Anleger halten sich ebenfalls zurück: Auf Jahressicht hat die VW Vorzugsaktie mehr als 15 Prozent eingebüßt. Seit Beginn des Jahres beläuft sich das Kursplus auf magere 5 Prozent – zum Vergleich: Mercedes-Benz konnte im gleichen Zeitraum bereits zweistellig zulegen, die BMW Aktie notierte Ende April ein Fünftel höher als noch zum Jahresauftakt.
China-Strategie dringend gesucht
Bewegung in die Aktie könnten nun die Termine bringen, die für Anfang Mai im Kalender stehen: Am Donnerstag (4. Mai) stellt Volkswagen seine Bilanz für das Auftaktquartal vor, in der folgenden Woche lädt der Konzern dann zur Hauptversammlung.
Anleger und Analysten werden in beiden Fällen genau die Ohren spitzen, welche strategischen Ziele der Vorstand mit Blick auf das schwächelnde China-Geschäft auserkoren hat. Verliert Volkswagen hier den Anschluss, sieht es langfristig düster aus. Der chinesische Absatzmarkt ist für die Wolfsburger schlichtweg too big to fail.