Euronext übernimmt Borsa Italiana für 4,325 Mrd. Euro
Bereits vor einigen Wochen habe ich Ihnen berichtet, dass es Gerüchte um den Verkauf der italienischen Börse (Borsa Italiana) gibt. Am vergangenen Freitag war es dann soweit: Die Londoner Börse LSE (London Stock Exchange) gab bekannt, dass sie ihre italienische Tochter an die Mehrländerbörse Euronext verkauft hat.
Damit gewinnt Euronext das Rennen um die lukrative Mailänder Börse. Zuvor hatten auch die Deutsche Börse und die Schweizer Börse SIX ihr Interesse an einer Übernahme der Borsa Italiana bekundet.
Verkauf soll Zustimmung für den Refinitiv-Deal absichern
Die LSE trennt sich nur schweren Herzens von ihrer lukrativen italienischen Tochter. Doch durch den Verkauf der italienischen Börse wollen die Briten die europäischen Wettbewerbsbehörden beschwichtigen und damit die Zustimmung zu einem anderen Übernahmegeschäft forcieren.
So hatte die LSE im August 2019 eine Mehrheitsbeteiligung am New Yorker Wirtschaftsinformationsdienst Refinitiv von der Investmentgesellschaft Blackstone erworben. Dieser Deal kam allerdings bei den europäischen Aufsichtsbehörden nicht gut an. Sie leiteten eine vertiefte Prüfung der Refinitiv-Übernahme ein.
Grund für diese intensive Überprüfung ist eine vermutete Monopolstellung der LSE im Bereich des Handels mit Staatsanleihen. So hatten die Londoner bereits in 2007 die Mailänder Börse und deren Staatsanleihen-Handelsplattform MTS für 1,6 Mrd. Euro übernommen.
Durch die Refinitiv-Übernahme hat LSE in 2019 auch die Refinitiv-Tochter Tradeweb, eine zweite führende Handelsplattform für europäische Staatsanleihen, unter seine Kontrolle gebracht.
Der Verkauf der Borsa Italiana und ihrer Handelsplattform MTS dürfte die EU-Wettbewerbshüter laut LSE jetzt beruhigen. „Wir glauben, dass der Verkauf der Borsa Italiana-Gruppe wesentlich dazu beitragen wird, die Wettbewerbsbedenken der EU auszuräumen“, so David Schwimmer, CEO der LSE.
Verkauf an einer Bedingung geknüpft
Da aber nicht ganz sicher ist, dass die Wettbewerbshüter den Refinitiv-Deal nach dem Verkauf der Borsa Italiana sowie MTS an Euronext durchwinken, haben die Vertragsparteien den Verkauf an eine Bedingung geknüpft. Der Deal kommt nur dann zustande, wenn die Europäische Kommission auch den Refinitiv-Verkauf an die LSE genehmigt.
Die LSE will den Nettoerlös aus der Transaktion zur Rückzahlung von Schulden im Zusammenhang mit der Refinitiv-Transaktion und für allgemeine Unternehmenszwecke verwenden. Euronext will die Übernahme durch eine Kapitalerhöhung und Fremdkapital finanzieren.
Euronext will sich breiter aufstellen
Die Amsterdamer Euronext NV, die die Börsen in Amsterdam, Brüssel, Dublin, Lissabon und Paris betreibt, will durch die Übernahme der Mailänder Börse weiter expandieren. Dies bestätigte auch Stéphane Boujnah, CEO und Vorstandsvorsitzender von Euronext:
„Dank dieser Transaktion wird Euronext seinen Einkommensmix und seine geografische Ausdehnung erheblich diversifizieren, indem es die Börseninfrastruktur Italiens, eines G7-Landes und der drittgrößten Volkswirtschaft Europas, willkommen heißt.“
Kursreaktionen unterschiedlich
Die Reaktion der Anleger auf das Bekanntwerden des Deals fiel unterschiedlich aus. Der Euronext-Kurs konnte am Freitagmorgen zunächst leichte Gewinne verzeichnen, gab aber im Verlauf des Handelstags deutlich nach.
Beim Erklingen des Schlussgangs an der Amsterdamer Börse waren Euronext-Aktien nur noch 98,00 Euro wert; ein Verlust von satten -4,39% im Vergleich zum Vortag. Es deutet also vieles darauf hin, dass die Investoren dem sehr kostenintensiven Deal skeptisch gegenüberstehen.
Der Kurs der LSE-Aktie hingegen legte an der Londoner Börse leicht zu. Er stieg am Freitag auf 88,79 Britische Pfund, ein Gewinn von +0,29%. Die Anleger glauben offensichtlich daran, dass der Verkauf der Borsa Italiana das Zustandekommen des Refinitiv-Deals positiv beeinflussen wird.
Wie es weitergehen kann
Der vereinbarte Deal bedarf noch der Zustimmung der Aktionäre von Euronext und LSE. Auch die Aufsichtsbehörden von Italien, Großbritannien, den USA, Belgien und Frankreich, Deutschlands und auch die Europäische Kommission müssen noch grünes Licht für die Transaktion geben.
Hinzu kommt noch, dass die EU-Kommission den Refinitiv-Deal frei geben muss. Aufgrund der vielen Hürden, die der Deal noch zu überwinden hat, scheint der geplante Abschlusstermin, das Closing wird für die erste Hälfte des Jahres 2021 erwartet, schon ein wenig optimistisch terminiert zu sein.