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Türkei: Aktien sind zum Risiko geworden

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Während der Bosporus die Grenze zwischen Europa und Asien markiert, ist Istanbul eine prosperierende Drehscheibe und das Sprungbrett in den Nahen Osten. Schon deswegen zieht es viele Unternehmen in die Türkei. Aktien des Landes selbst erleben seit geraumer Zeit einen schier ungebremsten Auftrieb, der vor gut einem Jahr einsetzte.

Der Leitindex ISE (Istanbul Stock Exchange), der die 100 größten Konzerne listet, legte mit über 41 % nahezu doppelt so stark zu wie der Dax. Selbst der Dow Jones nimmt sich mit einem Jahresplus von 23,4 % dagegen bescheiden aus. Derart ernorme Kurszuwächse von Aktien aus der Türkei gab es zuletzt im Jahr 2012 bevor es dann fast zwei Jahre lang eher seitwärts lief.

Türkische Aktien sind vom Staat getrieben

Um es auf den Punkt zu bringen: Die Konjunktur läuft trotz und wegen Erdogan. Für den Staatsführer, der im Sommer 2016 auf einen autoritären Kurs einschwenkte, stehen und fallen die Chancen auf eine Wiederwahl mit der Wirtschaft. Um den Aufschwung nicht abflauen zu lassen, erhöht er den Druck auf die heimischen Banken, die Zinsen zu niedrig zu halten.

Entsprechend fallen die Zuwachsraten der im Leitindex führenden Bankentitel von Garantibank International oder der Akbank mit ca. 15 % eher zurückhaltend aus. Anders das Bild bei, Telekommunikationsriesen Turkcell, dem Mischkonzern Sabanci oder Koç Holding, die es wie etliche andere auf Werte bis 40 % bringen.

Der Öl- und Raffineriekonzern Turpas kommt gar auf ein Jahresplus von 87,5 %, wobei eine neue Pipeline aus dem Irak das Geschäft beflügeln dürfte. Und Turkish Airlines erfreut ihre Anleger mit einem Zuwachs von fast 140 %. Das Fluggastaufkommen ist trotz verschiedener Reisewarnungen gestiegen. Neben einem Ansturm russischer Touristen fliegen auch die Deutschen unverändert gerne in die Türkei, was sich übrigens mit entsprechenden Zahlen etwa des Reiseriesen TUI deckt.

Insgesamt profitieren Aktien aus der Türkei von einem staatlich gewollten Boom, der durch zahlreiche Konjunkturprogramme befeuert wird. Dazu gehört auch so etwas wie die Kerosinsteuerbefreiung für Ferienflieger. Genau das aber birgt erhebliche Risiken. Es werden derzeit bereits die offiziellen Angaben zum Wirtschaftswachstum von einigen Analysten hinterfragt.

Mit einem angekündigten Plus beim Bruttoinlandsprodukt (BIP) von bis zu 7 % in diesem Jahr würde die Türkei selbst China überflügeln. Auch mit den 5,1 % im zweiten Quartal wäre sie die weltweite Nummer eins. Und dies obwohl die dringend benötigten Auslandsinvestitionen auf den niedrigsten Wert seit 2010 gefallen sind.

Künstliche Konjunktureffekte lassen nach

Gleichzeitig ist die Inflation auf fast 10 % gestiegen. Und dass die Lira zum Dollar und Euro auf Rekordwerte gefallen ist, mag türkischen Exporteuren helfen, bremst aber nicht nur den Binnenkonsum, weil alles teurer wird. Die Situation würde dringend eine Anhebung der Leitzinsen erfordern, die aber von Erdogan blockiert wird, um sein Image als Wirtschaftswundermann aufrecht zu erhalten.

Natürlich profitieren auch vor Ort produzierende Unternehmen wie Daimler, Siemens oder Bosch aktuell von der günstigen Währung. Auf der anderen Seite jedoch sinkt die Zahlungsmoral türkischer Partner und die Konsumenten zeigen sich sparsamer.

Selbst der Kaufanreiz durch den Anfang des Jahres verbilligten Mehrwertsteuersatz auf bestimmte Produkte lässt langsam nach, die Investitionen in Maschinen und Anlagen in Gewerbe und Industrie ebenso. Auch deutsche Unternehmen investierten gut 6 % weniger als im Vorjahr.

Lediglich im Bausektor geht es dank staatlicher Garantiefonds noch aufwärts. Dass die Türkei auf Dauer nicht mit Subventionen als Billigreiseziel und Exporteur günstiger Produkte gegen die zunehmende Spannung im Gefüge ankommen kann, liegt auf der Hand.

Kurzum: Die türkische Wirtschaft ist überhitzt, es droht der Crash. Schon längst haben die Ratingagenturen die Türkei auf Ramschniveau herabgestuft. Hinzu kommen die jüngst zunehmenden politischen Spannungen mit den USA. In deren Folge ist nicht nur die Lira eingebrochen, auch der Leitindex ISE gab erstmals kräftig nach.