Brasilien: Leitindex als Spiegel der Wirtschaftsmisere
Noch vor geraumer Zeit galten die BRIC-Staaten als Hoffnungsträgen für viele Anleger. Doch der Glanz ist teils erheblich verblasst. Gerade Brasilien bereitet seit Längerem Sorgen, und das obwohl die größte Volkswirtschaft Südamerikas enorme Potenziale bietet. Die Probleme sind großteils hausgemacht.
Mit reformbedürftiger Wirtschaft im Abwärtstrend
Der Abwärtstrend zeigt sich deutlich am brasilianischen Leitindex Bovespa. Dessen Zusammensetzung spiegelt die führenden Unternehmen des Landes, die an Lateinamerikas größter Börse in Sao Paulo gehandelt werden. Während etwa der Dax oder der amerikanische S&P 500 in den letzten Jahren kräftig zulegen konnten, lag der Bovespa in der Verlustzone.
Ist das Bruttoinlandsprodukt (BIP) letztes Jahr um 3,8% geschrumpft, geht der Internationale Währungsfonds (IWF) auch im laufenden Jahr von einem Rückgang in gleicher Größenordnung aus. Die Misere ist ein Gemisch aus strukturellen Problemen und politischem Chaos. Brasiliens Wirtschaft ist zum einen sehr rohstofflastig, hängt stark von China ab und benötigt dringend Impulse durch Handelsabkommen mit den USA und der EU. Gleichzeitig sind tiefgreifende Reformen unumgänglich.
Konnte die schon die mittlerweile des Amtes enthobene Präsidentin Dilma Rousseff nicht durchsetzen, kündigt ihr Nachfolger Michel Temer eine Radikalkur an. Ob er sich gegen den Widerstand aus dem linken Lager durchsetzen kann, ist fraglich.
Bovespa: Zusammensetzung aus 50 bis 70 Titeln
Anleger, die auf eine Erholung spekulieren und eine günstige Einstiegsgelegenheit nutzen wollen, können über etwa über ETFs auf die Entwicklung des Bovespa setzen. Dabei darf man sich vom häufig verwendeten Kürzel Ibovespa nicht irritieren lassen.
Es handelt sich um ein und denselben Index und Ibovespa steht lediglich für Indice Bovespa. Die Zusammensetzung umfasst die Aktien der Unternehmen, die im vorangegangenen Zeitraum von 12 Monaten für 80% des Handelsvolumens an der Börse Sao Paulo verantwortlich waren. Der Index enthält zwischen 50 und 70 Titel, die Anzahl ist nicht genau festgelegt.
Rohstofflastige Industrie
Den Löwenanteil machen die Stahlindustrie, Rohstoff- und Energie- sowie Telekommunikationsunternehmen aus. Zu den größten Firmen gehören der Ölmulti Petrobras oder Bergbauriesen wie Vale S.A. Der Bovespa notierte auf seinem letzten Höchststand Ende 2010 bei über 72.000 Punkten, sackte bis Anfang 2016 auf unter 40.000 Punkte ab und konnte sich wieder auf Werte um die 50.000 Punkte erholen.
Nach einem Minus von über 40% scheint sich also wieder Hoffnung breit zu machen. Zum positiven Trend hat das Anziehen der vorher zerfallenen Rohstoffpreise beigetragen. Auch China benötigt wieder verstärkt Öl, Agrarprodukte und Metalle aus Brasilien.
Größte Volkswirtschaft Lateinamerikas am Scheideweg
Das jedoch darf nicht über das Hauptproblem hinwegtäuschen: Die brasilianische Industrie ist strukturell schwach und völlig veraltet. Was fehlt, sind Investitionen. Mit nur 20% BIP-Anteil sind sie niedriger als in den meisten Schwellenländern. Hinzu kommt, dass der Staat kaum in die marode Infrastruktur investiert. Brasilien steht am Scheideweg. Die weitere Entwicklung hängt vor allem von der Umsetzung der angekündigten Radikalreformen ab.