Bedingungsloses Grundeinkommen: Wie realistisch ist die Idee?
Die Idee eines bedingungslosen Grundeinkommens wird in der Gesellschaft und auf politischer Ebene immer wieder eifrig diskutiert. Zumindest die Schweizer Bürger lehnten Anfang Juni im Rahmen einer Volksabstimmung mit großer Mehrheit die Initiative zum bedingungslosen Grundeinkommen ab.
Zur Abstimmung stand die Idee, dass jeder Erwachsene 2.500 CHF (etwa 2.270 €) im Monat erhalten sollte – und zwar ohne Wenn und Aber. Im Gegenzug sollten andere staatliche Sozialleistungen (Renten-, Sozialhilfe- und Arbeitslosenzahlungen) wegfallen.
Die Initiative hätte der Schweiz rund 208 Mrd. Franken jährlich gekostet – dies entspricht rund 35% der Wirtschaftsleistung der Alpenrepublik, so offizielle Berechnungen der Universität St. Gallen. Dem stünden Einsparungen von rund 55 Mrd. Franken bei Sozialleistungen gegenüber – also ein Verlustgeschäft von fast 150 Mrd. Franken pro Jahr für den Staat.
Bedingungsloses Grundeinkommen – die Argumente der Befürworter
Doch warum halten Fürsprecher, wie zum Beispiel der deutsche Milliardär und Gründer des Drogeriemarktes dm, Götz Werner, an der Idee des bedingungslosen Grundeinkommens fest?
Die Befürworter verweisen auf den technischen Fortschritt, wodurch immer mehr Jobs durch Maschinen, Roboter und durch die allgemeine Automatisierung wegfallen. Bestes Beispiel ist der Online-Gigant Amazon.com, der durch die Übernahme von Kiva Systems inzwischen mehr als 30.000 Roboter in seinen Reihen beschäftigt.
Neben der industriellen Automatisierung durch die Industrie 4.0, könnten selbstfahrende Fahrzeuge im Transportwesen in der Zukunft für einen geringeren Personalbedarf in der Logistikbranche sorgen. Wissenschaftliche Studien gehen davon aus, dass bis 2030 rund 50% der heutigen Arbeitsplätze durch Automatisierung wegfallen könnten.
Nicht nur deswegen gehört auch der Vorstandschef der Deutschen Telekom, Timotheus Höttges, zu den Befürwortern eines bedingungslosen Grundeinkommens. Sein Argument: Das bedingungslose Grundeinkommen würde ein menschenwürdiges Leben für jeden ermöglichen – auch in einer technisierten Gesellschaft.
Bleibt nur die Frage nach den Kosten: Hier verweisen Befürworter auf enorme Einsparungseffekte durch den Wegfall von Bürokratie. Staatliche Stellen wie zum Beispiel das Jobcenter oder die staatliche Rentenversicherung könnten wegfallen. Für die Befürworter ist daher das bedingungslose Grundkommen in Bezug auf die Kosten ein Nullsummenspiel.
Bedingungsloses Grundeinkommen: Kritiker warnen vor enormen Kosten
Genau dieses Szenario bezweifeln Kritiker des bedingungslosen Grundeinkommens und verweisen auf enorme Kosten für den Staat, die kaum mehr bezahlbar sind. Der Finanzwissenschaftler Alfred Boss vom Institut für Weltwirtschaft in Kiel hat zum Beispiel einen dreistelligen Milliardenbetrag errechnet, den derartige Vorschläge kosten würden.
Zudem verweisen Kritiker auf die dann fehlenden Arbeitsanreize, schließlich würden Bürger dann ein bestimmtes Grundeinkommen dann auch ohne Gegenleistung erhalten. Ifo-Präsident Clemens Fuest verweist insbesondere auf die Problematik, wonach vor allem viele anstrengende und weniger gut bezahlte Arbeiten wohl nicht mehr erledigt werden würden.
Fazit: Bedingungsloses Grundeinkommen hat nur geringe Chancen
Das von vielen Befürwortern geforderte bedingungslose Grundeinkommen in Höhe von 1.000 bis 1.500 € pro Person und Monat ist aus Kostengründen (mind. dreistellige Milliardenbeträge) kaum finanzierbar.
Größere Chancen hat dagegen ein Vorhaben in Finnland. Hier hat man in 2016 ein Experiment für das bedingungslose Grundeinkommen angestoßen, wonach insbesondere die Bezieher von Sozialtransferzahlungen ein partielles Grundeinkommen von 550 bis 800 € monatlich erhalten sollen. Dies soll als Basiseinkommen dienen, wodurch de facto alle bestehenden Sozialleistungen ersetzt werden.
Ganz unabhängig wie das Experiment in Finnland ausgeht, dürfte das bedingungslose Grundeinkommen auch in den nächsten Jahren ein streitbares Thema bleiben. Der Grund: Es gibt nach wie vor zu wenig Erfahrungswerte, wie sich ein bedingungsloses Grundeinkommen langfristig auf die Kosten, die Arbeitstätigkeit der Menschen, die Wirtschaft und Börse und damit auch auf Anleger auswirken würde.