Österreichs Wirtschaft hofft auf den Tourismus

Die österreichische Wirtschaftskammer WKO hat ihre Prognosen nach unten korrigiert. Die WKO beauftragt dazu regelmäßig die beiden renommierten Wirtschaftsforschungsinstitute WIFO und IHS. Das WIFO-Institut revidierte seine Wachstumsprognose für das Jahr 2022 um 1,3 Prozentpunkte nach unten, das IHS-Institut um 0,6 Prozentpunkte. Bei der IHS wurde die Prognose weniger stark gesenkt, weil bereits im Vorfeld von einer niedrigeren Basis ausgegangen wurde.
Die Inflation wird hingegen aufgrund der Energiepreisentwicklungen stark nach oben korrigiert. Beide Institute betonen, dass die Prognosen noch von großen Unsicherheiten geprägt sind. Noch im Jahr 2021 erholte sich die Konjunktur um +4,5%. Ende 2021 wurde von den beiden Instituten noch +5,2 und 4,2% für das Jahr 2022 erwartet. Jetzt wurde diese Zahl auf +3,9% und +3,6% gesenkt. Für das Jahr 2023 wird aktuell von einem Wachstum zwischen +2,0 und +2,3% ausgegangen.
Russlands Angriffskrieg verstärkt die Belastungsfaktoren
Wladimir Putins Angriff auf die Ukraine und die damit verbundenen Sanktionen werden massive Folgewirkungen für die europäische und österreichische Wirtschaft haben. Bereits vor dem Krieg in der Ukraine hatte Österreich mit den Belastungsfaktoren Preisanstieg, Lieferkettenproblematik und Materialmangel zu kämpfen. Das alles verstärkt sich jetzt. Hinzu kommen die neuen Lockdowns in China wegen der Corona-Pandemie, die eine dynamische Erholung bremsen.
Wachstum im Dienstleistungssektor, die Industrie stagniert
Für Österreich wird das starke Aufholpotenzial im Tourismus zur Wachstumsstütze, obwohl es immer noch 17% unter dem Vorjahresniveau liegt. Hier ist also noch Potenzial vorhanden, denn die Reiseziele in Österreich werden immer beliebter. Insgesamt trägt allein die Beherbergung von Gästen rund 2% zum gesamten Bruttoinlandsprodukt bei. In der Industrie sieht es noch nicht so hoffnungsvoll aus. Hier wird maximal von einer Stagnation ausgegangen. In einzelnen Industriebereichen machen sich die Lieferkettenprobleme besonders stark bemerkbar. Das trifft besonders Zulieferer der Automobilindustrie, die beispielsweise über fehlende Kabelbäume klagen. Die Bauindustrie wird leichte Zuwächse verzeichnen. Die Auftragsbestände sind zwar sehr hoch, aber auch die Preise sind enorm gestiegen.
Inflation beschleunigt zunächst und normalisiert sich 2023
Bereits im Dezember 2021 wurde eine Inflationsrate für das Jahr 2022 von rund 3% erwartet. In den aktuellen Prognosen ist diese Rate nochmal erhöht worden. Im Durchschnitt der beiden Institute wird die Preissteigerungsrate um rund 2,6 Prozentpunkte nach oben revidiert. Die neu erwartete Inflation beträgt jetzt zwischen 5,5 und 5,8%. Die Inflation wird noch länger hoch bleiben. Auch für das Jahr 2023 wird von einer Inflation zwischen 2,3 und 3,2% ausgegangen. Wobei 2,3% schon wieder in die Richtung des EZB-Zielwerts gehen würde. Im Juli 2021 hat der Rat der Europäischen Zentralbank seine neue geldpolitische Strategie vorgestellt. Der EZB-Zielwert liegt seither bei 2%. Hauptsächlich treiben die Energiepreise die Inflation nach oben. Zuletzt waren über 42% der Inflation in Österreich auf höhere Ausgaben für Energie zurückzuführen. Der Ukrainekrieg wird diesen Effekt weiter verstärken. Der Preisanstieg schlägt mittlerweile aber auch auf Gebrauchs- und Verbrauchsgüter und Lebensmittel durch.
Investitionen, Exporte und Konsum
Aus den oben genannten Gründen werden die Investitionen der Österreicher weiter stark zurückgehen. Bereits im Jahresverlauf hatte die Dynamik nachgelassen. Erschwerend kommt hinzu, dass 2023 einige Investitionsprämien auslaufen und allein dadurch die Anreize für Investoren sinken. Zudem herrscht eine starke Lagerdynamik, da die Unternehmen Materialmängel kompensieren wollen. Im privaten Bereich heißt das Hamstern. Die österreichische Exportwirtschaft ist stark von den Unsicherheiten und den Russland-Sanktionen belastet. 2021 konnte der Warenexport insgesamt noch um +17,6% ansteigen, 2022 wird nur noch ein Wachstum von 2,0% erwartet.
Der Silberstreif am Horizont ist der Reiseverkehr. Nachdem er durch die Pandemie fast zum Erliegen gekommen ist, wird für 2022 ein Wachstum von +105% prognostiziert. Und auch der private Konsum bleibt ein Treiber der Wirtschaft, denn es sind starke Aufholpotenziale bei den Konsumausgaben vorhanden. Trotz hoher Inflation führen der robuste Arbeitsmarkt und der Rückgang der Sparquote zu einer deutlichen Konsumausweitung. Die Menschen geben jetzt das in der Pandemie gesparte Geld aus. Die Sparquote nähert sich 2022 wieder dem Vorkrisenniveau an und wird voraussichtlich nur noch bei 8,8% liegen.
Dynamischer Arbeitsmarkt
Die positive Entwicklung am österreichischen Arbeitsmarkt hat sich fortgesetzt. Ein Grund dafür ist die sehr stark nachgefragte Kurzarbeit. Erfreulich: Die Arbeitslosenquote fällt schneller als bisher angenommen, und die Beschäftigungsrate wächst kräftig. Einziger Bremsklotz ist die demografische Veränderung, die zu einem Arbeitskräftemangel führt. Das geringe Arbeitskräfteangebot bei extremer Nachfrage führt zu einem arbeitnehmerfreundlichen Umfeld. Erfreulich ist auch die Lage der öffentlichen Haushalte. Trotz des gebremsten Wirtschaftsaufschwungs werden die Kassen immer weniger belastet, denn künftig werden die Covid-19-Hilfsmaßnahmen wegfallen. Es bleibt zu hoffen, dass die Mehrausgaben aufgrund des Russland- Ukraine-Konfliktes nicht den Umfang der Pandemiebelastung erreichen werden.