Finanzinvestor will ForgeRock-Aktie von der Börse nehmen
Der Markt für Fusionen und Übernahmen zeigt in diesem Jahr ein erratisches Bewegungsmuster. Nach der Schockstarre zu Jahresbeginn, die durch Ukraine-Krieg und Energiekrise ausgelöst wurde, kamen die Dealmaker im zweiten Quartal mit Schwung zurück an den Verhandlungstisch. Mittlerweile vergeht kaum ein Tag, an dem nicht eine Transaktion über die Ticker läuft. Käufer sind oft Finanzinvestoren, die nach wie vor auf prall gefüllten Kassen sitzen und nun bemüht sind, ihren Vorteil aus der Bewertungskorrektur zu ziehen. Insbesondere die Bewertung bei Technologieaktien hat sich seit dem Jahreswechsel deutlich vergünstigt.
Unter den Finanzinvestoren ist auch Thoma Bravo zu finden, der in diesem Jahr bereits mehrfach zugeschlagen hat. Großübernahmen wie Ping Identity (2,8 Milliarden Dollar), Sailpoint (6,9 Milliarden Dollar) und Annaplan (10,7 Milliarden Dollar) waren erst der Anfang. Gestern legte der Finanzinvestor eine Offerte für die Softwarefirma ForgeRock auf den Tisch – Kostenpunkt immerhin 2,3 Milliarden Dollar.
Thoma Bravo zahlt Aufschlag von 53%
Thoma Bravo bietet für die Software-Investmentfirma 23,25 Dollar pro Aktie in einer Bar-Transaktion. Das entspricht einer Prämie von 53% auf den Schlusskurs vor der Übernahme und einem Unternehmenswert von etwa 2,3 Milliarden Dollar. Die Transaktion wird voraussichtlich in der ersten Hälfte des Jahres 2023 abgeschlossen. Nach Abschluss der Transaktion sollen die ForgeRock-Stammaktien nicht mehr an der Börse notiert sein und ForgeRock wird zu einem Unternehmen in Privatbesitz.
Kurzes Stelldichein an der Börse
Damit geht die ausgesprochen kurze Börsengeschichte von ForgeRock schon wieder zu Ende. Erst im September letzten Jahres kamen die Papiere zu 25 Dollar auf den Markt. ForgeRock wurde 2010 mit Hauptsitz in San Francisco, USA, gegründet. Francis Rosch ist seit 2018 CEO des Unternehmens. Das Unternehmen entwickelte eine eigene digitale Identifikationsplattform (Identity-as-a-Service) namens ForgeRock Identity Platform. Das Unternehmen bietet also Lösungen für das Identitäts- und Zugriffsmanagement für Verbraucher, Mitarbeiter und Geräte des Internets der Dinge an.
Die verteilte Belegschaft und die zunehmenden Cyberangriffe auf Unternehmen während der Pandemie haben die Nachfrage nach digitalen Sicherheitslösungen in die Höhe getrieben. Damit wurde auch das Wachstum von Unternehmen wie ForgeRock, die Tools und Software zum Schutz vor solchen Bedrohungen anbieten, beflügelt.
Analysten sehen großes Wachstumspotenzial
Die Analysten sehen ForgeRock in einem aussichtsreichen Markt positioniert. Laut Grand View Research wurde der Markt für digitale Identifikation im Jahr 2019 auf 3,34 Milliarden Dollar geschätzt. Bis 2027 könnte das Marktvolumen 16 Milliarden Dollar erreichen. Vor allem regulatorische Einschränkungen beim Datenschutz und eine zunehmende Anzahl von Mitarbeitern, die aus der Ferne arbeiten, sorgen für Rückenwind.
Allerdings ist die Firmengröße von ForgeRock noch überschaubar. Im zweiten Quartal erzielte das Softwareunternehmen ein Umsatzplus von 8,5% auf 47,7 Millionen Dollar. Für das laufende Geschäftsjahr peilt der Konzern ein Umsatz von 206 bis 212 Millionen Dollar an, was im Mittel einem Wachstum von 18% entspricht. Damit zahlt Thoma Bravo den 11-fachen erwarteten Jahresumsatz für ForgeRock.
Aktie schießt um beinahe 50% in die Höhe
Die Aktionäre bejubeln das Übernahmeangebot und trieben die Aktie gestern kräftig in die Höhe. So kletterten die Papiere um rund 50% in die Höhe und notierten im Abendhandel bei 22,60 Dollar. Damit notiert die Aktie nur noch 2,8% unter dem Niveau der Kauf-Offerte, aber weiterhin unter dem Niveau, zu dem die Aktie im vergangenen Jahr an der Börse emittiert wurde (25 Dollar).