Dax und Co.: Völlig losgelöst von der Realwirtschaft?
Was ist bloß los am Parkett? Wer sich dieser Tage in den Handelsräumen der großen Börsenplätze in Frankfurt, London, Tokio oder New York umschaut, dürfte sich ein ums andere Mal verwundert die Augen reiben.
Einerseits herrscht weiterhin Krisenstimmung. Die Schlagzeilen allerorten sind weiterhin dominiert von der Corona-Pandemie, von den dramatischen gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Folgen, die der inzwischen rund zweimonatige Lockdown vielerorts hervorgebracht hat und noch auf unbestimmte Zeit weiterhin hervorbringen wird.
Andererseits scheinen die wichtigsten Indizes ihren Krisenmodus längst wieder verlassen zu haben. Von Dax bis Nasdaq ging es zuletzt steil aufwärts, man scheint sich langsam aber sicher schon wieder den Rekordniveaus anzunähern, die noch im Februar auf den Anzeigentafeln standen.
Aktienmärkte – völlig entkoppelt von der Realität?
Wie aber ist das möglich in einer Zeit, in der Ökonomen vor der schlimmsten Rezession der Nachkriegszeit warnen, die Geschäftsgrundlage diverser Branchen praktisch zum Erliegen kommt, Staaten ein Milliardenhilfspaket nach dem anderen schnüren und selbst alteingesessene Großkonzerne um ihre Existenz fürchten?
Mit der realwirtschaftlichen Entwicklung hat die Euphorie an den Märkten wenig zu tun. Die Aktienmärkte scheinen wie entkoppelt, in einer parallelen Realität, in der die Coronakrise und ihre Auswirkungen längst überstanden scheinen.
Unsicherheiten – auch jenseits von Corona
Tatsächlich aber sind die Zeiten so unsicher wie selten zuvor. Niemand kann seriös abschätzen, wie lange es dauern wird, bis ein wirksames Medikament oder ein Impfstoff verfügbar sein werden. Niemand weiß, ob und wie verheerend eine zweite Infektionswelle die Welt treffen würde. Niemand kann vorhersehen, wie lange die wirtschaftlichen Beschränkungen noch fortbestehen werden.
Hinzu kommen etliche Nebenbaustellen: Dass der Handelskrieg zwischen den USA und China weiterhin schwelt, dass die EU und Großbritannien kaum vorankommen in den Verhandlungen über ein Brexit-Abkommen zum Jahresende, dass in Deutschland die Nachfolge Angela Merkels weiterhin ungeklärt bleibt.
Geldgeschenke der Notenbanken machen Aktienrally möglich
Warum also lassen Investoren und Händler am Börsenparkett schon wieder die Korken knallen? Die Antwort darauf ist in der Realwirtschaft nicht zu finden – sondern bei den Notenbanken. Sie halten die Zinsen niedrig und pumpen immer mehr Geld in die Märkte, ihre Notenpressen sorgen für nahezu unbegrenzte Liquidität.
Hier wiederholt sich ein Muster, das wir bereits aus der globalen Finanz- und Wirtschaftskrise vor rund zehn Jahren kennen: Auch damals setzten die Notenbanken schon auf expansive Geldpolitik, sie senkten die Leitzinsen bis auf null – weswegen sie noch heute historisch niedrig sind und nicht erneut zur Krisenabwehr zur Anwendung kommen können – und ließen mit ihren weit geöffneten Geldschleusen die Aktienmärkte florieren.
Schon damals waren es die Aktienmärkte, die sich nach einem ersten Schock mit am schnellsten wieder erholten und deutlich besser dastanden als der Rest der Wirtschaft. Ähnliches könnte sich in der jetzigen Krise wiederholen – mit ungewissem Ausgang.